Meine Top Ten Filme 2022 | Ruben’s Cinematic Universe

Beeindruckende Bilder, fantastische Geschichten, berührende Dramen und Filme, die im Gedächtnis bleiben!

Das Jahr 2023 hat begonnen und es ist an der Zeit, die spannendsten Filme des letzten in die Kameralinse zu nehmen. Einzelne Produktionen konnten Kritiker:innen und Publikum gleichermaßen überzeugen und ließen wie TOP GUN: MAVERICK über Wochen die Kinokassen klingeln. Andere Neuerscheinungen, wie etwa BLONDE, wurden hingegen Gegenstand kontroverser Debatten. Wiederum andere Filme konnten weder auf der großen Leinwand noch auf den heimischen Bildschirmen eine große Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Während gerade mit AVATAR: THE WAY OF WATER für viele vermutlich der Film des letzten Jahres noch in den Kinos läuft und bevor sich nun der Blick endgültig auf das neue Jahr richtet, präsentiere ich hier noch einen Rückblick des Vergangenen mit meiner Top Ten der besten Filme 2022.

Übersicht

10. Athena
9. Bullet Train
8. The Wonder
7. Bones and All
6. The Stranger
5. The Northman
4. Everything Everywhere All at Once
3. The Menu
2. Nope
1. The Batman

Platz 10
ATHENA

Nachdem in Frankreich sein kleiner Bruder Idir mutmaßlich von Polizisten ermordet wird, kehrt Abdel aus einem militärischen Einsatz in die Banlieues und die Gemeinde Athena zurück. Sein anderer Bruder Karim will sich mit seinen Beschwichtigungen und den Erklärungen der Ermittlungsbehörden nicht zufriedengeben und entfacht mit anderen Jugendlichen einen Aufstand in der Gemeinde. Diese wird von Spezialkräften abgeriegelt und Stück für Stück gestürmt. 

Von der ersten Sekunde an ist die Spannung in der Luft um die Figuren zu spüren. Doch auch die langsame Kameraeinstellung und die Ansprache eines sichtlich zerrissenen Abdels können den aufziehenden Sturm nicht aufhalten. Schon bald entlädt sich die aufgestaute Trauer, Wut und Verzweiflung der jungen Menschen in voller Wucht. Brennende Flaschen, undurchsichtiger Rauch und Gummigeschosse fliegen durch die Luft. Die Gemeinde wird zu einer Festung umfunktioniert, Straßen werden mit Hindernissen blockiert, Brücken verbarrikadiert, unzählige vermummte Gestalten besetzen die Häuserdächer und lassen Steine auf die anrückenden Einheiten der Polizei regnen. ATHENA fängt die Unruhe dieses zivilen Kriegsschauplatzes in minutenlangen Einstellungen ohne Schnitte ein, die das Ausmaß der Zerstörung, die Standpunkte und Erlebnisse der Figuren und die unterschiedlichen Perspektiven deutlich machen. Immersiv, mitreißend und atem(be)raubend. Der Wunsch nach stiller Trauer um einen geliebten Menschen gerät in Konflikt mit dem Verlangen nach politischer Veränderung. Doch lässt sich Feuer mit Feuer bekämpfen? Lieblicher Chorgesang legt sich über die Bilder in Momenten der kurzen Ruhe, dem Himmel so nah, und tiefe Gesänge begleiten die aufziehende Nacht durchzogen von Funken, auf dem Weg in die Hölle. Gegen Ende überschlagen sich die Ereignisse und die Wendepunkte zentraler Figuren, was die zu Beginn aufgebaute Ambivalenz ein Stück weit zunichtemacht. Folglich ist ATHENA insgesamt ein zwar nicht unbedingt durchgehend gut erzähltes, aber auf jeden Fall immer packend inszeniertes Filmerlebnis.

(verfügbar bei Netflix)

Platz 9
BULLET TRAIN

Nach einer Berufspause bekommt „Ladybug“ in Tokio den Auftrag, einen Koffer an Bord eines Schnellzuges sicherzustellen. Der Auftragskiller weiß allerdings nicht, dass sich besagter Koffer im Besitz von „Lemon“ und „Tangerine“ befindet, die ebenfalls einen Auftrag ausführen. Und damit nicht genug, denn die drei scheinen nicht die einzigen mit einem Auftrag oder einem Plan an Bord des Zuges zu sein.

MURDER ON THE ORIENT-EXPRESS trifft auf JOHN WICK und DEADPOOL! Das Ergebnis heißt BULLET TRAIN und ist einer der unterhaltsamsten Streifen des Jahres. Der Film kombiniert dabei eine spannende Prämisse mit absurden Figuren und einer angemessenen Portion Selbstironie. Einer der Auftragskiller hat beispielsweise eine Abneigung gegenüber Schusswaffen und ein anderer meint, Menschen mit Hilfe der Kinderserie THOMAS THE TANK ENGINE lesen zu können. Zudem ist das Drehbuch, basierend auf einem Roman von Kotaro Isaka, außerordentlich effektiv konstruiert. In den richtigen Momenten tritt es in der Haupthandlung auf die Bremse, um in kleinen Nebenhandlungen die Hintergrundgeschichten einiger Figuren zu erzählen. Diese sind nicht nur überzogen, schwarzhumorig und spaßig (Stichwort: Wasserflasche), sondern sorgen auch dafür, dass sich zum Ende des Films die Entwicklungen der einzelnen Figuren schließen. Außerdem ist der Film sehr gut darin, Set Up und Pay Off im Sinne von Chekov’s Gun miteinander zu verbinden. Wird an einem Punkt der Geschichte eine Pistole als Beispiel für ein narratives Objekt etabliert, sollte diese an einem anderen Punkt auch einmal abgefeuert werden. In der Inszenierung der Action ist dieses Bild allerdings nicht unbedingt wörtlich zu nehmen, denn obwohl diverse Schusswaffen zum Einsatz kommen, sind die Kämpfe geprägt von der Enge des Zuges. Dementsprechend werden hier alle Gegenstände in Reichweite kreativ, schmerzhaft und blutig eingesetzt, seien es nun Koffer oder Lebensmitteltrolleys des Zugpersonals. BULLET TRAIN ist wie eine Reise, bei der der Weg das Ziel ist. In diesem Fall ist der Weg komisch, clever, brutal und in jedem Fall unterhaltsam!

(verfügbar als Video-on-Demand bei u. a. Amazon Prime oder Apple TV)

Platz 8
THE WONDER

Die Krankenschwester Elizabeth „Lib“ Wright wird zusammen mit einer Ordensschwester von einer Kommission in den irischen Midlands beauftragt, die elfjährige Anna O’Donnell zu überwachen. Das Mädchen soll seit vier Monaten keine Nahrung mehr zu sich genommen haben und trotzdem bei guter Gesundheit sein. Von der Beobachtung erhofft sich die Kommission eine Erklärung oder Bestätigung dieses Wunders.

Der Historienfilm THE WONDER basiert auf dem gleichnamigen Roman von Emma Donoghue und behandelt das Phänomen der sogenannten „Fastenmädchen“ im 19. Jahrhundert. Aus dem historischen Hintergrund generiert der Film viele spannende explizite und implizite Konflikte, die auf der Grundlage von Gesellschaft, Wissenschaft, Glaube, Journalismus und letztlich auch Geschlechterrollen entstehen und teilweise erschreckend aktuell sind. Mit authentisch wirkenden Kostümen und angemessen schlichten, aber doch detailliert ausgestatteten Sets erweckt der Film diese Zeit zu Beginn der Moderne erneut zum Leben. Die perfekte Beleuchtung erweckt stets den Anschein von natürlichem Licht und die weiten Landschaftsaufnahmen in der irischen Grafschaft Wicklow geben zusammen mit den ständigen Begleitern Nässe, Wind und Dreck einen nahbaren Einblick in die damaligen Lebensumstände. Als wiederkehrendes Motiv spielt Essen natürlich eine Rolle im Film und wird entsprechend häufig in Szene gesetzt. Durch das ebenfalls detaillierte und präzise eingesetzte Sound Design von alltäglichen Gegenständen wie etwa Büchern, Kerzen und Schuhen wirkt diese Welt und Geschichte umso greifbarer. Der Score, der eher aus Geräuschen als aus musikalischen Stücken besteht, grenzt den Realismus der Bilder geheimnisvoll, atmosphärisch und hypnotisierend von den wunderhaften Ereignissen ab. Geschieht hier wirklich ein Wunder oder bestimmt der tief in den Menschen verwurzelte Glaube ihre Wahrnehmung der Realität? Was für Folgen kann dieser blinde Glaube haben und lässt sich dagegen überhaupt Widerstand leisten? Vielleicht wollen Menschen auch einfach an Geschichten glauben, wie zum Beispiel, wenn sie diesen Film anschauen …

(verfügbar bei Netflix)

Platz 7
BONES AND ALL

Kurz nach ihrem 18. Geburtstag wird Maren von ihrem Vater verlassen. Zuvor hatten die beiden immer wieder umziehen müssen, denn Maren ist „Eater“ und verspürt ein Verlangen nach menschlichem Fleisch. Auf sich allein gestellt macht sie sich auf die Suche nach ihrer Mutter. Auf ihrer Reise trifft sie andere „Eater“, darunter auch den jungen Lee. Gemeinsam ziehen die beiden durch die Staaten der 1980er.

Nach dem träumerischen CALL ME BY YOUR NAME verfilmt Regisseur Luca Guadanino mit BONES AND ALL erneut einen Roman und stellt junge Menschen auf der Suche nach sich selbst und nach der Welt in den Mittelpunkt. Es wäre aber unzureichend den Film einfach als einen mit weiten Landschaftsaufnahmen stark fotografierten, mit stimmigem Soundtrack untermalten und mit authentischen Kostümen und Fahrzeugen ausgestatteten klassischen Coming-of-Age-Roadmovie abzustempeln. Andererseits ist es doch kein Zufall, dass es sich in gewisser Weise um einen Coming-of-Age-Film handelt. Auch in Liebesbeziehungen kann sich ein gewisser Wunsch nach der Aufnahme der anderen Person äußern, der hier im Kannibalismus metaphorisch auf die Spitze getrieben wird. Der Kannibalismus wird dabei als rauschhafte Verbindung zwischen Kultur und Natur gezeigt. Dementsprechend explizit sind die Szenen, in denen tatsächlich Menschen gegessen werden. Besonders durch den Kontrast zu den ansonsten harmonischen Bildern stellen sie sicherlich eine Herausforderung der eigenen Nerven und Sehgewohnheiten dar. Dabei nimmt der Film seine Figuren und ihr Dilemma angemessen ernst, so dass auch moralische Fragen zwangsläufig irgendwann aufgeworfen werden. Inwieweit machen sich „Eater“ schuldig, wenn sie ihrem Verlangen nachgehen? Wem können sie eigentlich trauen, wenn sie eventuell sogar Verlangen nach Menschen verspüren, die ihnen nahestehen? Immer wieder spielen Taylor Russell als Maren und Timothée Chalamet als Lee hervorragend mit dieser Gefahr. Das Eigene wird zur Bedrohung und nicht das Andere, wie es in den Konventionen des Horrorfilms der Fall ist, und der unvereinbar scheinende Widerspruch aus dem Eigenen und dem Anderen ist die Grundlage für eine erstaunliche emotionale und berührende Geschichte.

(nicht verfügbar bzw. unter Umständen verfügbar im aktuellen Kinoprogramm)

Platz 6
THE STRANGER

Der zurückgezogen lebende Henry macht bei einer Reise in einem Fernbus eine Bekanntschaft, die ihm einen Job bei Mark einbringt. Dieser ist Mitglied eines Verbrechersyndikats, das unter anderem illegal Geld mit der Beschaffung neuer Identitäten verdient. Durch verschiedene Aufträge verbringen die beiden Männer immer mehr Zeit miteinander. Doch Henry ahnt nicht, dass Mark in Wahrheit ein verdeckter Ermittler ist, der ihm ein Geständnis für einen Mord entnehmen soll.

Angelehnt an wahre Ereignisse Anfang der 2000er in Queensland erzählt THE STRANGER die fesselnde Geschichte einer mühsamen Ermittlungsarbeit. Passend zu den kleinen Teilen an Informationen, die im Laufe des Films von der Polizei gesammelt werden, wendet sich der Film von einer linearen Erzählweise ab, so dass die Zuschauenden die Reihenfolge der Handlung selbst nach und nach zusammensetzen müssen. Dabei ist einerseits höchste Konzentration gefordert, andererseits wird so die penible und nervenaufreibende Arbeit der Ermittlungsbehörden für kleinste belastbare Beweise über Jahre hinweg deutlich. Glücklicherweise verzichtet der Film auf Rückblenden, die eine eindeutige Version des Mordes zeigen. So bleibt bis zuletzt spannend, ob es gelingen wird, dem Mörder ein Geständnis zu entnehmen, und ob es sich bei dem Mann überhaupt um den Mörder handelt. Zur Spannung des verdeckten Einsatzes trägt außerdem das Sound Design bei. Allein das hohe Geräusch eines verdeckten Mikrofons, das vorher bereits einmal in einem Auto zu hören war, schraubt in einer Szene die Spannung in die Höhe. Der Score des Films legt sich zudem wie ein wabernder Nebel in den Hintergrund und erzeugt eine unheilvolle Atmosphäre. Verstörende Traumsequenzen, Stimmen aus dem Off und beeindruckende Aufnahmen der australischen Natur ziehen ebenso in den Bann wie das Schauspiel. Sean Harris schafft es immer wieder einen unsympathischen Menschen zu spielen, der dann doch wieder zu arglos wirkt, um ein solch schreckliches Verbrechen begangen zu haben. Joel Edgerton meistert den Spagat zwischen dem augenscheinlich harten Kerl und dem Konflikt seiner Arbeit mit der Sicherheit seiner Familie und Psyche. Ob das ebenso emotional berührte, wie angespannte Publikum am Ende gemeinsam mit ihm aufatmen kann?

(verfügbar bei Netflix)

Platz 5
THE NORTHMAN

Nachdem sein Vater König Aurvandill von dessen Bruder ermordet wird, flieht der junge Amleth aus seiner Heimat. Er schwört, seinen Vater zu rächen und seine Mutter zu befreien. Im Exil wächst er im Laufe der Jahre zu einem erwachsenen Mann und brutalen Krieger heran. Als er eines Tages an seine Vergangenheit erinnert wird, kehrt er zurück, um seinen Schwur zu erfüllen.

Mit seinen ersten Filmen THE WITCH und THE LIGHTHOUSE hat Robert Eggers eine Vorliebe für historische Stoffe offenbart und seine Fähigkeiten als Regisseur und Co-Drehbuchautor unter Beweis gestellt. THE NORTHMAN widmet sich nun einer nordischen Sage und kombiniert eine klassische Rachegeschichte mit neuen interessanten Perspektiven und Narrativen. Der Film setzt dabei nicht unbedingt auf einen klassischen Spannungsbogen, sondern teilt die Handlung in einzelne Strophen wie bei einem Gedicht ein. Insgesamt stehen die Bildgewalt der Geschichte sowie die Mythologie, Lebensweise und auch Brutalität der Wikinger im Vordergrund. Die Rachegeschichte bewegt sich bei aller Epik auf einer immer intimer werdenden Ebene. Am Ende kann Amleth, bestialisch verkörpert von Alexander Skarsgård, gar nicht heldenhaft sein. Stattdessen verfolgt der Film einen Serienmörder, der seinem Glauben nach Rache auf einen äußerst brutalen Weg folgt und zu einem Monster wird. Die Bilder des Films entfalten einen regelrechten Sog hinein in diese wunderschön dreckige, düstere und brutale Welt. Während der Film bei Nacht häufig auf schwarze und weiße Bilder setzt, lassen sich bei Tag die verschiedensten natürlichen Farben erblicken, die hervorragend akzentuiert aufeinander abgestimmt sind. Das grüne Gras trifft auf die braune Erde. Das kalte und dunkle Blau des Himmels streitet mit dem Rot der Kleider und des Blutes. Und die schwarze Erde des Vulkans wird von der Lava aufgebrochen wie die schwarze Nacht durch leuchtende Fackeln. Durch den Kontrast der angestrebten historischen Präzision und der übernatürlichen nordischen Mythologie erschafft der Film ein erschlagend brutales und düsteres Wikingerepos.

(verfügbar als Video-on-Demand bei u. a. Amazon Prime oder Apple TV)

Platz 4
EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE

Die von China in die USA ausgewanderten Eheleute Evelyn und Waymond Wang betreiben einen Waschsalon. Während Evelyns anspruchsvoller Vater zu Besuch ist, will Waymond mit Evelyn über ihre Scheidung sprechen, ihre Tochter möchte den beiden ihre Freundin vorstellen und die Steuerbehörde verlangt eine Überprüfung ihrer Finanzen. Als dann auch noch ein Waymond aus einem anderen Universum auftaucht und Evelyn offenbart, dass sie der Schlüssel zur Rettung des Multiversums sei, bricht endgültig Chaos aus.

Stellt euch vor, jede Entscheidung, die jedes einzelne Individuum trifft, eröffnet ein neues Universum! Der neue Film der Regisseure und Drehbuchautoren Daniel Kwan und Daniel Schreinert EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE verbindet dieses ungewöhnliche Konzept mit originellem Humor, visuellem Einfallsreichtum und einer berührenden Geschichte über das Menschsein. Auf visueller Ebene scheint sich der Film ganz im Sinne der Vorstellung eines grenzenlosen Multiversums keine Grenzen gesetzt zu haben. Regelmäßig wird hier das Bildformat gewechselt, eine Figur in derselben Szene zu jeweils einer Hälfte an verschiedenen Orten gezeigt und körperliche Beziehungen in einer Welt erkundet, in der Menschen im wahrsten Sinne Wurstfinger haben. Und es wird noch außergewöhnlicher! Immer wieder schöpft der Film die vielfältigen audiovisuellen Möglichkeiten des Mediums Films aus und kombiniert diese auf überwältigende und amüsante Weise, die so vielleicht noch nie auf der Leinwand zu sehen war. Während die Inszenierung chaotisch wirkt, ordnet die Erzählung dieses Chaos. Die Probleme und Konflikte der Familie Wang werden zwar äußerst rasant, aber auch mit komödiantischem Talent und einem Gespür für die charakterlichen Eigenschaften der Figuren greifbar gemacht. Die Fragen nach der Gleichgültigkeit des Universums, nach dem Treffen von Entscheidungen und nach dem Umgang mit anderen Menschen, die der Film aufwirft, werden vor allem an den Figuren festgemacht, die so den Kern dieses außergewöhnlichen Films bilden. Wer beim Titel EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE bereits aufgegeben hat, sollte sich allerdings vielleicht in ein anderes filmisches Universum begeben. Auf alle anderen wartet eine turbulente und rasante Reise, die definitiv im Gedächtnis bleibt. Selten wurde in einem Film so hervorragend choreografierte und inszenierte Action mit Drama und Humor so unterhaltsam und kreativ miteinander vereint. 

(verfügbar als Video-on-Demand bei u. a. Amazon Prime oder Apple TV)

Platz 3
THE MENU

Margot begleitet Tyler zu einem exklusiven Dinner im Restaurant „Hawthorn“ des gefeierten Küchenchefs Julian Slowik. Gemeinsam mit zehn anderen geladenen Gäst:innen machen sie sich auf den Weg zu der abgelegenen Insel, auf der sich das Restaurant befindet. Die Zutaten der ihnen servierten Speisen stammen allesamt exklusiv von dieser Insel und das Menü aus mehreren Gängen erzählt eine zusammenhängende Geschichte. Doch der Abend hält schockierenden Überraschungen für die Gäst:innen bereit.

Eine einsame Insel, ein außergewöhnliches Restaurant, fremde Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, ein luxuriöser Abend mit exquisiten Speisen, ein undurchsichtiger Küchenchef und eine Küchenorganisation wie in einer Sekte. Das sind die Zutaten des herrlichen Films THE MENU. Verschmolzen wird all das durch eine Erzählstruktur, die sich dem Narrativ des Menüs und in gewisser Weise auch dem Wesen des Kochens unterordnet. Ähnlich wie die einzelnen Gänge neue Perspektiven auf mitunter altbekannte Gerichte aufwerfen, bedient sich der Film verschiedener Genreeinflüsse, die sich aus seiner Prämisse ergeben. Hier trifft Horror auf Thriller, Krimi auf Komödie und schließlich alles auf eine hochmoderne und artistische Kochsendung. Die Perfektion der Inszenierung mit stilsicherer Ausstattung, geschmackvollem Kostümdesign und wunderschöner Naturverbundenheit kollidiert mit unvorhergesehenen Ereignissen, woraus sich mitreißende Konflikte ergeben. Garniert wird der Film mit starken Leistungen der Darsteller:innen. Einen besonderen Eindruck hinterlassen dabei vor allem Anya Taylor-Joy als Margot und Ralph Fiennes als Küchenchef Julian Slowik als zwei gegensätzliche Fonds. Während Margot die Kunst in den Speisen nicht erkennt oder erkennen will, hat sich Julian Slowik vollständig dieser Kunst verschrieben. Anya Taylor-Joy spielt dabei amüsant aufmüpfig, beinahe schon rotznäsig, wohingegen Ralph Fiennes ausdrucksstark ein ausdrucksloses Gesicht zur Schau stellt. Die Entwicklung ihrer Figuren façonniert den Film und dessen Motive auf der Ebene der Figuren. Auf der Ebene der Erzählung krönen schließlich die von den einzelnen Gängen explizit und implizit aufgeworfenen Fragen THE MENU. Was ist überhaupt Kunst und was nicht? Wer schafft Kunst und wie und von wem sollte sie rezipiert werden? In Kombination mit den überzeichneten Figuren, wohl dosierten Spitzen an erschütternden Wendungen und messerscharfen Dialogen ergibt sich daraus eine köstlich schwarzhumorige und radikale Satire im schmackhaften Mantel eines spannenden Thrillers. Do not eat. Taste!

(verfügbar bei Disney+ ab dem 18. Januar 2023)

Platz 2
NOPE

Als sein Vater bei einem merkwürdigen Unfall ums Leben kommt, muss der eher introvertierte „OJ“ Haywood die Ranch Haywood Hollywood Horses in einem kargen Tal im kalifornischen Santa Clarita Valley alleine weiterführen. Dort trainiert er Pferde für Film- und Fernsehproduktionen. Kurzfristig greift ihm seine eher extravertierte Schwester „Em“ unter die Arme. Doch dann kommt es zu weiteren Zwischenfällen und „OJ“ beobachtet etwas in den Wolken über dem Valley. Die beiden entschließen sich, das Phänomen vor die Kamera zu bekommen.

Mit NOPE liefert Regisseur und Drehbuchautor Jordan Peele nach GET OUT und US seinen bisher größten Film ab. Zu den Elementen klassischer Horrorfilme, wie sie auch in seinen anderen Filmen zu finden sind, gesellen sich hier Merkmale aus Science Fiction, Mystery und Western. Die weite Ebene des Valleys als Schauplatz lädt zu großen Aufnahmen ein, die direkt aus einem Horrorfilm oder aus einem Western stammen könnten. Die Raffinesse des Films zeigt sich allerdings auch abseits des großen Spektakels in vielen kleinen Details. So machen beispielsweise das experimentelle und doch präzise Sound Design und der mitreißende Score den Film erst zu einem vollwertigen audiovisuellen Erlebnis. Die Stärke des Drehbuchs liegt außerdem unter anderem in seinem konzentrierten Fokus auf wenige Figuren, die so von ihren Darsteller:innen hervorragend ausgearbeitet werden können. Daniel Kaluuya als „OJ“, der mehr als je zuvor mit kleinsten Bewegungen und seinen Augen schauspielert, und Keke Palmer als „Em“ könnten als Geschwister nicht unterschiedlicher sein, verkörpern aber unglaublich glaubwürdig eine langjährige Beziehung. Darüber hinaus werden immer wieder kleine Details etabliert, die im weiteren Verlauf noch eine entscheidende Rolle spielen. Dadurch fühlen sich bestimmte Entscheidungen der Figuren organisch, nachvollziehbar und kohärent an. Zudem bietet der Film Raum für verschiedene Interpretationen. Die Fragezeichen in den Köpfen der Zuschauenden sind vorprogrammiert und laden zum wiederholten Schauen ein. Wie passen etwa ein Schimpanse in einer Fernsehsendung und das Bibelzitat zu Beginn in den Rest des Films? Nachdem seine vorherigen Werke die rassistische Ausbeutung der Schwarzen in den Vereinigten Staaten, die Ausbeutung der Klassen und den damit verbundenen Neid behandelt haben, geht es in NOPE um die Ausbeutung von Tieren und den Hunger unserer Gesellschaft nach Spektakel. Das im Film geschaffene Spektakel bedient sich der dem Publikum bewusst oder unbewusst bekannten Sehgewohnheiten und Erwartungen und hält so einige Überraschungen bereit und letztlich auch einen nachhaltig wirkenden Spiegel vor. Yep!

(verfügbar als Video-on-Demand bei u. a. Amazon Prime oder Apple TV)

Platz 1
THE BATMAN

In seinem zweiten Jahr als maskierter Rächer bekommt es Bruce Wayne mit einem mysteriösen Serienmörder zu tun. Auf der Jagd nach diesem Mörder gerät Batman mit den unterschiedlichsten Gestalten der Unterwelt von Gotham City aneinander und begibt sich in einen Sumpf aus Korruption und dunklen Geheimnissen. Sie konfrontieren ihn mit seiner Vergangenheit und dem Vermächtnis seiner Familie.

Regisseur und Co-Drehbuchautor Matt Reeves und sein überzeugender Hauptdarsteller Robert Pattinson treten mit ihrer Neuinterpretation der Fledermaus von Gotham in große Fußstapfen. THE BATMAN stellt sich diesem Vermächtnis meisterhaft und bietet eine neue Herangehensweise an den titelgebenden maskierten Rächer, denn der Film ist eine Art Detective-Neo-Noir-Thriller im dunklen Gewand eines Superheldenblockbusters. Batman wird hier erstmals als der meisterhafte Detektiv in Szene gesetzt, den er in vielen Comics bereits darstellte. Auf eine klassische Origin Story, in der die Entwicklung von Bruce Wayne zu Batman erzählt wird, wird hier verzichtet. Und trotzdem kämpft Bruce Wayne immer noch mit den Dämonen seiner Vergangenheit und Gedanken. THE BATMAN erzählt so zwar auch eine große Geschichte über einen Superhelden und die Bekämpfung von Verbrechen in Gotham, bleibt aber dennoch sehr nahe bei seinen Figuren. Es geht nicht nur um die Jagd nach einem Serienmörder, der mit seinen Rätseln und Verbrechen ein altes Geheimnis ans Licht befördern möchte, sondern auch um die Auswirkungen dieser Geschichte auf die einzelnen Figuren. Die Inszenierung des wunderbar düsteren, nassen und dreckigen Gothams mit einer starken selektiven Tiefenschärfe unterstreicht in fast schon expressionistisch anmutenden Bildern die Ambivalenz der Figuren und des Films. In die verregnete Dunkelheit mischen sich rote und blaue Lichter, während die Stadt in einem rostigen, orangenen Schimmer erwacht. Visuell beeindruckend wird mit Licht und Schatten und der markanten Silhouette des Protagonisten gespielt. An vielen anderen Stellen bleibt die Kamera an den Figuren, vor allem mit Nahaufnahmen der Gesichter. Einerseits wird so ihr Innenleben ohne Dialog transportiert, andererseits wirkt das teilweise auch rasante Geschehen auf diese Weise umso intensiver. Der Film hinterfragt auf erzählerischer und visueller Ebene in gewisser Weise den Mythos des Helden, den er selbst heraufbeschwört, so dass nicht nur Bruce Wayne mit seiner persönlichen Vergangenheit, sondern auch sein Alter Ego mit seinen Taten konfrontiert wird. So geht modernes Blockbusterkino!

(verfügbar als Video-on-Demand bei u. a. Amazon Prime oder Apple TV und im Stream bei WOW von Sky)


Neu hier? Vorstellung zu Ruben’s Cinematic Universe

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Foto: ©Ruben Schmidt