Filmkritik: John Wick | Ruben’s Cinematic Universe

Ein ehemaliger Auftragskiller sinnt auf Rache für seinen getöteten Hund. Was daran so sehenswert ist erfahrt ihr in dieser Filmkritik!

Töte nicht den Hund!

Der ehemalige Auftragskiller John Wick ist in tiefer Trauer um seine kürzlich verstorbene Frau. Ihretwegen hatte er sein mörderisches Leben hinter sich gelassen. Sein einziger Lichtblick ist ein Welpe, das letzte Geschenk seiner Frau. Doch als zufällig der unwissende Sohn eines ehemaligen Auftraggebers in sein Haus einbricht, den Welpen tötet und sein Auto klaut, begibt sich John Wick wieder zurück in die Unterwelt von New York City und beginnt einen blutigen Rachefeldzug.

Ein Film mit Wirkung

Es gibt da einen Kniff beim Drehbuchschreiben. Wenn das Publikum eine Figur nicht mögen soll, dann muss diese Figur einfach einen Welpen töten. Aus diesem einfachen, aber effektiven Kniff zieht JOHN WICK seine Prämisse. Es ist leicht mit einem Mann zu sympathisieren, der gerade seine Frau verloren hat und dessen kleiner Hund nun so kaltblütig getötet wurde. Inzwischen hat dieser zugegeben etwas kleinere Actionfilm schon beinahe Kultstatus erreicht. Darüber hinaus hat der Film es geschafft, die Inszenierung von Actionszenen in Hollywood zu beeinflussen. Gleichzeitig verhalf er seinem Hauptdarsteller Keanu Reeves zu einem phänomenalen Comeback. Doch ist dieses Echo auf so einen recht banalen Film überhaupt gerechtfertigt?

Der Mann. Der Mythos. Die Legende.

Es dürfte nach dieser Einleitung wohl niemanden überraschen, dass die Handlung relativ einfach gestrickt ist. Es erstaunt auch nicht, dass der Film nicht sonderlich subtil mit seinen Motiven umgeht. Allerdings ist das Drehbuch doch cleverer, als es auf den ersten Blick ausschaut. In einer relativ knapp gehaltenen Laufzeit von 101 Minuten wird nämlich nicht nur die Rückkehr irgendeines Auftragskillers zu seiner alten Tätigkeit gezeigt. John Wick ist nicht nur irgendein Auftragskiller, sondern der Auftragskiller.

„Der Schwarze Mann (russische Kinderschreckfigur – Anm. d. Verf.). Diese Bezeichnung wird John nicht ganz gerecht. Er ist derjenige, den du losschickst, um den Schwarzen Mann zu töten.“

Der Ausstieg von John Wick ist zwar schon fünf Jahre her, dennoch erinnert sich jede Figur, die sich in der kriminellen Unterwelt dieses Universums bewegt, an seinen Namen. Der Film schafft es in wenigen Szenen, gerade dadurch, dass nicht viele Worte gewechselt werden, die Hauptfigur als eine Legende in Form einer unaufhaltsamen Naturgewalt zu mystifizieren. Anschließend meistert es der Film aber auch die tatsächliche Kraft, die Disziplin, die Ausdauer und die brutale, effektive Schlagfertigkeit von John Wick hervorragend in Szene zu setzen und zu demonstrieren. Durch die Ausgangslage des Films bleiben die Zuschauenden trotz seines brutalen Vorgehens auf seiner Seite. Was jedoch auch nicht ausgelassen wird, ist eine nötige Verletzlichkeit. Wenn es in den Actionszenen brutal zur Sache geht, bekommt das Publikum auch zu spüren, dass die fünfjährige Pause ihre Spuren zeigt und John Wick kein unsterblicher und schon gar kein strahlender Held ist.

Ästhetische Gewalt

Die bereits erwähnte Inszenierung der Actionszenen stach 2014 aus vielen vergleichbaren Filmen heraus und tut es heute immer noch. Denn JOHN WICK zelebriert in wohldosierten und platzierten Mengen perfekt choreografierte Actionsequenzen, die in langen Kameraeinstellungen eingefangen werden. John Wick führt mit seinen Gegnern einen regelrechten Tanz auf. Das gilt für die erste Schießerei bei Nacht in seinem eigenen Haus oder für das Gemetzel in einem Nachtklub in der Mitte des Films. Hier wird sich an unterschiedlichen Orten durch verschiedene Bereiche geprügelt und geschossen – mit allem was dabei irgendwie zum Einsatz kommen kann. Entsprechend blutig fallen die Ergebnisse aus. Für den Kampfstil von John Wick wurden japanisches und brasilianisches Jiu Jitsu miteinander kombiniert, ebenso wie Judo und taktisches Waffentraining. Dieser auch als Gun Fu bezeichnete Kampfstil wurde vor allem in den Filmen von John Woo, bekannt für seine Hongkong Action Filme, entwickelt, ehe der Kampfstil durch Filme wie THE MATRIX oder EQUILIBRIUM auch in Hollywood ankam.

Die makellose Inszenierung und Choreographie ist wohl auch den beiden Regisseuren Chad Stahelski und David Leitch zu verdanken, die mit JOHN WICK ihr Regiedebüt ablieferten. Vorher waren die beiden erst als Stuntperformer und -doubles, unter anderem für Keanu Reeves in THE MATRIX oder Brad Pitt in MR. AND MRS. SMITH, tätig. Aus ihren eigenen Erfahrungen wissen die beiden also, worauf es in einer guten Actionszene ankommt. Anstelle von maßlos zerschnittenen Aufnahmen mit einer wackeligen Handkamera, bei der niemand einen Überblick hat, treten durch die langen Aufnahmen ohne Schnitte die Performances der Darstellerinnen in den Vordergrund. Keanu Reeves in der Hauptrolle, der einen Großteil seiner Kampfszenen selbst durchführt, ist ein großer Gewinn für den Film. Seine physische Präsenz in den Kämpfen, aber auch abseits davon, ist beeindruckend. Dazu sieht er mit schwarzem langen Haar, schwarzem Bart und in einem komplett schwarzen Anzug fantastisch bedrohlich aus. Wie ästhetisch darf das Umbringen von Menschen eigentlich aussehen?

Worldbuilding mit Stil

Doch es sind nicht nur die effektive Art und Weise wie John Wick als Legende aufgebaut wird und nicht nur die Ästhetik der Action, sondern auch die generelle Gestaltung des Films, die ihn sehenswert machen. JOHN WICK wird von düsteren Bildern, modernen und klassischen Gebäuden, durchkreuzt von Lichtspielen in Rot und Blau dominiert. Ein rockiger Soundtrack sorgt für eine stimmige Atmosphäre. Wenn John Wick sich wieder zurück in die Unterwelt begibt, dann ist diese gefüllt mit einzigartigen Figuren und eigenen Regeln. Der Film führt das Publikum allerdings nur zu einem gewissen Grad in diese Welt ein. Der Fokus bleibt weiter auf John Wick und seinem Rachefeldzug. Es wird angedeutet, dass für ihn weitaus mehr hinter diesem Rachefeldzug steckt, als nur eine persönliche Rechnung. Vielleicht zieht es John Wick wieder zurück in sein altes Leben, welches er nie so ganz hinter sich gelassen zu haben scheint. Gekonnt vermittelt der Film so den Eindruck, dass dort weitaus mehr unter der Oberfläche dieses Untergrunds schlummert, als in diesem Film zu sehen ist. Dabei nimmt der Film nicht in Anspruch eine mögliche Realität abzubilden, sondern präsentiert sich, abgesehen von der sowieso schon ästhetisierten Inszenierung, mit einem leicht augenzwinkernden Pathos für diese künstliche Welt.

Fazit

Alles in allem ist JOHN WICK ein Actionfilm mit Stil in vielerlei Hinsicht. Selbstbewusst präsentiert er seine geradlinige Story und besticht mit knallharter, hervorragend inszenierter Action. Doch auch der Aufbau der Legende John Wick in diesem filmischen Universum und die Einführung in die kriminelle Unterwelt sind überaus gelungen. Die Regeln und Figuren sorgen für einen soliden Unterbau, der in den folgenden Filmen aufgegriffen und erweitert wird.

(verfügbar bei Netflix)

Übersicht

Erscheinungsjahr: 2014
Regie: Chad Stahelski, David Leitch
Drehbuch: Derek Kolstad
Cast: u. a. Keanu Reeves, Mikael Nyqvist, Ian McShane

Trailer


Foto: ©Ruben Schmidt