Leuphana Zentralgebäude im März 2017 - (c) Christopher Bohlens

Leuphana Zentralgebäude – Hohe Kosten, geringe Einnahmen und merkwürdiges Finanzierungskonzept

Es gibt einige offene Fragen zwischen Leuphana und Landtag. Es geht um Millionen, ein Konto in London und ein Finanzierungskonzept. Eine Bestandsaufnahme.

Die Landeszeitung Lüneburg und der NDR berichteten bereits über die aktuellen Vorkommnisse bezüglich der Problematik rund um das Zentralgebäude und seiner Finanzierung. Im September 2019 diskutierte der zuständige Ausschuss des Landtags über die voraussichtliche Endabrechnung mit 109,3 Millionen Euro. Ursprünglich sollte am 02. September 2020 in der Sitzung vom Ausschuss für Haushalt und Finanzen vom Landtag der 3. Nachtrags-Zuwendungsbau-Unterlage für die Finanzierung des Zentralgebäudes inklusive Stellungnahme vom 07. April 2020 des Landesrechnungshof – LRH behandelt werden. Die entsprechende Unterlage ging der Landtagsverwaltung am 29. Juli zu, so der LRH.

Das behandelt der Landtagsausschuss

In dem vertraulichen Tagesordnungspunkt geht es um das Finanzierungskonzept des Zentralgebäudes. Der Landesrechnungshof hatte hierzu eine Stellungnahme erstellt. Nach Informationen der Landeszeitung legt der Landesrechnungshof den Ausschussmitgliedern darin nahe, der Vorlage nicht zuzustimmen. Auf der Sitzung am 23. September wurde der Tagesordnungspunkt verschoben, nun soll dieser am 30. September verhandelt werden. In diesem Zusammenhang soll entschieden werden, wie es mit dem dritten Nachtrags-Zuwendungsbau-Unterlage des Zentralgebäudes weitergeht.

Das Zentralgebäude soll 109,35 Millionen Euro gekostet haben und somit rund 26 Prozent (22,10 Millionen) mehr als zuletzt angenommen. Während bei der Grundsteinlegung 2011 noch von 57,7 Millionen Euro die Rede war, wurde die Summe 2014 auf 72,3 Millionen erhöht und bei den zweiten Nachtragsplanungen 2016 abermals auf 87,2 Millionen verteuert. Die Leuphana wurde 2016 verpflichtet die Mehrkosten ab 87,2 Millionen selbst zu tragen.

Das Thema kommt im Haushaltsausschuss auf, da es mehr als 15 Prozent über den letzten Planungen liegt. Die Leuphana habe bereits mehr als 14 Millionen Euro aus eigenem Investitionsbudget hinzugegeben, jedoch seien diese Mittel nur aus den Zuführungen des Landes gebildet worden, heißt es im Bericht. In diesem Zusammenhang werden weiter Landesmittel in die Finanzierung investiert, auch wenn diese über einen längeren Zeitraum in der Vergangenheit angespart wurden.

Kostensteigerungen und fehlende Einsparpotenziale

Hauptpunkt der Kostensteigerungen seit 2016 sind die Fehleinschätzungen einzelner Planungsbereiche, die komplexe Bauweise des Gebäudes und nicht genutzte Einsparpotenziale. Der LRH betonte daher, dass das Konzept zur Finanzierung der Mehrkosten bisher „nicht tragfähig“ sei. Der komplexe Bau und die Geometrie des Gebäudes führten zu Mehrkosten. Insbesondere durch die zahlreichen Schrägflächen würde unnutzbarer Raum entstehen und die Betriebskosten seien höher als  bei vergleichbaren Gebäuden. Auch seien die Kosten für die Instandhaltung und Reinigung der Fenster teurer als bei vergleichbaren (Standard-)Gebäuden.

Angesichts dieser Hürden scheint für die Ausschussmitglieder ein genaue Untersuchung des Nachtragshaushalts festzustehen. Dabei wird insbesondere das Finanzierungskonzept unter die Lupe genommen werden.

Hohe Barreserven

In diesem Zusammenhang sind auch einige Fragen zu den liquiden Mitteln der Hochschule aufgetaucht. So berichtete der Spiegel im Jahr 2011 beispielsweise, dass die Leuphana rund fünf Millionen Euro an Studienbeiträgen (als noch 500 Euro pro Semester/Student fällig waren) auf der hohen Kante lagert, die jedoch bereits verplant seien. Auch widmete sich kürzlich der Bundesrechnungshof (BRH) der Frage der hohen Rücklagen (bis Ende 2018 – 3,7 Milliarden Euro) deutscher Hochschulen aus Hochschulpaktmitteln (Presseberichte: Tagesspiegel, Forschung und Lehre, FAZ und Spiegel).

Konto in London?

Nach Angaben der Hochschule hatte die Leuphana ihr Festgeld verzinst als Teile ihrer liquiden Mittel angelegt. Die NORD/LB als Hausbank der Universität und Landesbank Niedersachsens hatte zwischen 2003 und 2008 angeboten, das Geld wegen eines besseren Zinssatzes über ihre Londoner Filiale zu verwalten. Dies betraf im Jahr 2003 zwei Millionen Euro. Laut Auskunft der Leuphana hat die Universität selbst nie ein Konto in London besessen, sondern immer bei niedersächsischen Instituten, hier konkret bei der NORD/LB als landeseigener Bank in Hannover. In einem Interview mit der Landeszeitung werden die hohen liquiden Mittel erläutert. Auch während der Recherchen von NDR und Landeszeitung beharrte die Leuphana darauf, nie über ein Konto in London verfügt zu haben.

Konto bei der NORD/LB

Eine Anfrage der Univativ bei der NORD/LB ergab, dass man sich nicht zu etwaigen Kundenbeziehungen äußern dürfe. Weiterhin teilte die Pressestelle mit: „Als international tätige Bank begleitet die NORD/LB ihre Kunden auch bei deren Auslandsaktivitäten. Daher ist die NORD/LB auch an den wichtigsten Finanzplätzen (London, New York, Singapur) vertreten, um den Kunden die dort verfügbaren Bankdienstleistungen anbieten zu können.“ Eine Anfrage der Univativ, ob das Konto der Leuphana in London eine IBAN mit einer Kennung „GB“ (Great Britain) beginnen würde wurde dahin gehend beantwortet dass grundsätzlich gilt, dass IBANs lediglich für Zahlungsverkehrskonten erforderlich sind, um am jeweiligen nationalen Zahlungsverkehrssystem teilnehmen zu können. Dies bedeutet, dass ein Kunde, der bei einer Auslandsniederlassung einer deutschen Bank ein Zahlungsverkehrskonto unterhält, auch eine entsprechende nationale IBAN erhält (d.h. z.B. eine britische IBAN bei einer britische Auslandsniederlassung). Die NORD/LB bietet keine Zahlungsverkehrskonten über ihre Londoner Niederlassung an, so die NORD/LB. Für Tagesgeld- oder Festgeldkonten, die nicht für den Zahlungsverkehr gedacht sind, ist eine IBAN nicht erforderlich.

Nach Auskunft der britischen Finanzaufsicht (Financial Conduct Authority) wird die NORD/LB im Financial Services Register unter Norddeutsche Landesbank Girozentrale unter #124941 geführt, die entsprechenden zugelassenen Dienstleistungen sind dort aufgeführt.

Bis zum Redaktionsschluss konnte diese Frage von Leuphana Pressestelle nicht geklärt werden, ob das Konto überhaupt eine IBAN mit „DE“ oder „GB“ besitze. Auch wenn es ein Konto in London gab, so kann die Hochschule ihr Geld im EU-Ausland anlegen, siehe Unten. Die Univativ bleibt weiter dran.

Update 30.09.2020 – 18:30 Uhr: Die Leuphana Pressestelle teilte mit, dass die Konten der Leuphana alle in Deutschland liegen und eine mit „DE“ beginnende IBAN haben. Der Ausschuss für Haushalt und Finanzen hat heute positiv zur Finanzplanung für das Zentralgebäude entschieden.

Liquidität der Hochschule

Im Jahresabschluss und Lagebericht für das Geschäftsjahr 2015 heißt es auf der letzten Seite, dass die Bauaktivitäten eine besondere Anforderung an das Risikomanagement der Hochschule stellen, daher bedarf es einen permanenten Monitorings der Liquiditätsentwicklung. Anhaltspunkte für ein Absinken der Liquidität oder Zahlungsunfähigkeit wurden nicht festgestellt, zwar hatte die Liquiditätslage einen langjährigen Mittelwert unterschritten, jedoch werde sich die Liquidität durch Vermögensverwertung nicht benötigter Immobilien und mögliche Einnahmen aus der wirtschaftlichen Nutzung des Zentralgebäudes verbessern. Der Jahresabschluss 2017 berichtete, dass aufgrund der Nullzinspolitik der EZB keine Neuanlage von kurzfristig nicht benötigter Liquidität als Festanlage durchgeführt wurde, aber eine Anlage sei im 07/2018 geplant. Für 2018 sah der Bericht vor, dass eine Anlage in Festgeld für 2019 geplant sei, dabei sollten ethisch und ökologisch und/oder risikobehaftete Anlageformen ausgeschlossen werden.

Der Bericht für das Jahr 2019 liegt noch nicht vor.

Insgesamt bleiben noch offene Fragen, wie weshalb die Liquiditätsquote der Leuphana so hochgehalten wurde und welche Zwecke damit erfüllt werden sollten. Eine (Teil-)Antwort findet sich in dem Interview mit der Landeszeitung.

Foto: Zentralgebäude im Bau – (c) Christopher Bohlens


Hintergrund

Zentralgebäude

Der Wikipedia Artikel zum Zentralgebäude umfasst mittlerweile rund 13 Seiten. Einer der zentralen Punkte dabei ist, dass sich das Zentralgebäude aus den unterschiedlichsten Gründen verteuerte und es Fragen rund um die Finanzierung gab. Insgesamt sind die Baukosten für das Zentralgebäude höher als vergleichbare zu funktionale Hochschulbauten. So berichtete der Spiegel über den Extravaganten Bau in Lüneburg.

Das Gebäude gehört der Stiftung Leuphana Universität Lüneburg. Es bestehen jedoch weitere Verträge unter anderem mit der Leuphana Veranstaltungs- und Vermarktungsgesellschaft mbH (LVV GmbH). Die LVV GmbH betreibt die Vermietung der Flächen von Leuphana Räumlichkeiten für Events, Kongresse, Konzerte und sonstigen Veranstaltungen. Das Finanzierungskonzept des Zentralgebäudes sieht entsprechende Mieteinnahmen durch die LVV GmbH vor. Der Mietvertrag mit dem Caterer (eateria) endete bereits zum 30. Juni, eine Entscheidung, die bereits vor der Corona-Pandemie getroffen worden ist. Mögliche Gründe dafür wollten weder die Leuphana noch der Betreiber nennen.

Studienbeiträge

Die Studierenden entrichten derzeit einen Semesterbeitrag von rund 360 Euro, der sich aus verschiedenen Beiträgen zusammensetzt. Enthalten ist ein Verwaltungskostenbeitrag in Höhe von 75 Euro pro Semester (der höchste in Deutschland) an das Land Niedersachsen, welches nach einem Schlüssel an die Hochschulen in Niedersachsen verteilt wird. Aktuell gibt es Langzeitstudiengebühren in Höhe von 500 Euro, wenn das Studienguthaben nach dem Niedersächsischen Hochschulgesetz (NHG) verbraucht ist.

Allgemeine Studienbeiträge (umgangssprachlich als Studiengebühren bezeichnet) für alle Studierenden in Höhe von 500 Euro gab es vom WS 2006/07 bis SoSe 2014. Die Studienbeiträge sind in der Hochschule geblieben und wurden damals durch eine Studienbeitragskommission verteilt. Die Kriterien für die Vergabe der Studienbeiträge waren eng gesetzt und Studierende stark bei der Verteilung der Mittel eingebunden.

Da das Land die Studiengebühren abschaffte, wurden entsprechende Ersatzmittel den Hochschulen zugeteilt und werden über eine Studienqualitätsmittel-Kommission (SQM) verteilt. Gemäß vertraglicher Vereinbarung zwischen MWK und Hochschulen, dürfen SQM bis zu 40 % für die Verbesserung der Infrastruktur verwendet werden und Rücklagen sollen verstärkt für den Hochschulbau eingesetzt werden. Die Vergabe der SQM erfolgt nach geringeren Maßstäben als die damaligen Studienbeiträge.

Wirtschaftsprüfung

Als Stiftung unterliegt die Hochschule zahlreichen Vorschriften wie unter anderem die Landeshaushaltsordnung (LHO), darüber hinaus muss ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen den Jahresabschluss der Hochschule prüfen. In Zusammenarbeit mit den Revisoren der Leuphana erfolgt jährlich die Prüfung. Die bisherigen Prüfberichte der Jahre 2010-2018 wurden auf der Leuphana Webseite veröffentlicht. Der Bericht für 2019 scheint bisher nicht vorzuliegen.

Gemäß den Regelungen des NHG durften Studienbeiträge aus den WS 2006/07 bis SoSe 2014 damals auch zinsbringend im EU-Ausland angelegt werden (§11). In der aktuellen Fassung unter §57 NHG können Hochschulen Gelder in anderen EU Ländern anlegen.

Steuerliche Betrachtung

Die Erfahrungen bei der Steuerlichen Betrachtung der Umsatzsteuer wurde mittlerweile in zwei Präsentationen selbst veröffentlicht. Derzeit findet eine Prüfung vom Finanzamt Lüneburg statt, was den Vorsteuerabzug für die Finanzierung des Zentralgebäudes.


Berichte der Landeszeitung Lüneburg:

Bericht beim NDR:

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Christopher Bohlens

Schreibt immer irgendwas über Hochschule, Politik oder Veranstaltungen, wo es so richtig kracht. Liebt investigativen Journalismus und beschäftigt sich viel mit Daten.

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