RPO-Demo - Foto Christopher Bohlens

Heißer Leuphana Herbst – Ein Rückblick auf die Einführung der Anwesenheitspflicht

Im November 2022 fanden entschiedene Sitzungen der ZSKen (Zentrale Studien Kommission) statt, eine Anwesenheitspflicht soll auf Vorschlag der Professor:innen eingeführt werden. Bereits 2013 und 2019 sollte bereits eine eingeführt werden, wurde aber aufgrund des studentischen Protestes verhindert. Ein Rückblick auf diese Thematik.

Rückblick der Vorjahre

Die Thematik der Einführung einer Anwesenheitspflicht oder auch aktiven Teilnahme ist nicht neu. Insgesamt gab es bereits drei Versuche (2013, 2019, 2022) eine solche über die Rahmenprüfungsordnung (RPO) einzuführen. Im Jahr 2013 gab es erstmals einen Entwurf einer Anwesenheitspflicht, in 2014 kippte der Senat die Idee.

Das Thema mit der Anwesenheitspflicht war auch 2013 nicht ganz neu. Bereits vier Jahre zuvor gab es eine E-Mail zu dem Thema, da im Rahmen des Bildungstreiks 2009 auch der Hörsaal 1 besetzt wurde. Aus der Senatsunterlage (183/47/3 WiSe 2009/10) vom 15.01.2010 „AUSSPRACHE ZUR WEITERENTWICKLUNG DES BOLOGNA-PROZESSES IN FOLGE DER BUNDESWEITEN STUDIERENDENPROTESTE“ und sich den daraus ergebenden Ergebnisse der Gespräche mit Studierenden im besetzten Hörsaal 1; hier: insbesondere Anwesenheitspflicht: Schrieb der Präsident (Sascha Spoun) mit dem Brief vom 17.12.2009 an alle Lehrenden:

„Hauptthema der Diskussion mit den Studierenden war die Verbesserung der Zusammenarbeit von Studierenden und Lehrenden, mit Fragen nach Anwesenheitspflicht und Prüfungen. Die Frage der Anwesenheitspflicht der Studierenden ist als eine inhaltliche Frage aufzufassen und zu beantworten. Es macht einen Unterschied, ob sich Studierende an einem Seminar oder an einer Vorlesung beteiligen. Vorlesungen sind in diesem Sinne als Angebote zu verstehen. Studierende müssen selbst entscheiden können, ob sie von dem Angebot Gebrauch machen, oder nicht. Die Zusammenarbeit in Seminaren hat einen anderen Charakter und eine andere Verbindlichkeit. Hier geht es darum, gemeinsam einen Diskussions- und Lernprozess zu gestalten. Alle Seminarteilnehmenden sind verpflichtet, daran mitzuwirken und nach ihren Möglichkeiten zur Erarbeitung eines Ergebnisses beizutragen.

Gemäß § 6.2 Satz 1 und § 3.5 der Rahmenprüfungsordnung setzt das Studium die Teilnahme und aktive Mitarbeit an Lehrveranstaltungen voraus. Dies ist nicht gleichzusetzen mit der physischen Präsenz in jeder Veranstaltung. Die Lehrenden gestalten ihre Veranstaltungen, wobei allfällige Anwesenheitspflichten in Übungen, Laboren und Seminaren sich aus der Natur der Sache ergeben müssen und nur mit Augenmaß einzufordern sind. Zum Beispiel soll das erfolgreiche Ablegen einer Modulprüfung nicht von der Anwesenheit in einer einzelnen Veranstaltung abhängig gemacht werden. Nicht Rahmenbedingungen, sondern Inhalte sollen entscheidend sein, das heißt über Formalia soll kein Druck aufgebaut werden. Der Besuch von Lehrveranstaltungen soll sich also vor allem aus deren Qualität ergeben und nicht aus dem Verteilen von Anwesenheitslisten.“

Rückblick 2019:

Im Juli 2019 fanden eine Demonstration mit rund 100 Studierenden statt. Zur Demo hatten die studentischen Senator:innen und der AStA gemeinsam aufgerufen. Es galt, ein Zeichen gegen die geplanten Änderungen der RPO zu setzen. In mehreren Reden wurden die bevorstehenden Änderungen angesprochen, die sich zu großen Teilen negativ für die Studierenden auswirken, wie die Anwesenheitspflicht, eine zweite Prüfungsphase erst im Folgesemester oder die Vorverlegung von Anmeldefristen und weitere Änderungen. Dabei wurde auch die mangelnde Beteiligung der Studierenden im Reformprozess gerügt und die von der Leuphana fokussierten schnellen Abstimmungsprozesse.

Die Studierendeninitiative (geläufig bekannter als Petition), die gestartet worden ist, hatte mittlerweile rund 2.400 Unterzeichner:innen, was bei 9.500 Studierenden circa 25 % entspricht. Das Quorum von 3 % nach §20 a Niedersächsischen Hochschulgesetz (NHG) wurde erreicht.

Im Senat wurde über die RPO diskutiert, die Entscheidung vertagt. Kleinere Änderungen, die sich für die Studierenden positiv auswirken, wie Nachteilsausgleiche wurden mittlerweile umgesetzt. In einem Artikel werfen wir einen Blick zurück.

Stand 2022:

In den vergangenen Monaten fanden bereits mehrere Sitzungen der ZSK College und Graduate School statt. Die ZSK College betrifft alle Bachelor-Studiengänge und die Graduate School die Master-Studiengänge und Promotionsprogramme. Hierbei fanden dazu offizielle Sitzungen sowie auch informelle Sitzungen statt, um über verschiedene Punkte zu diskutieren. Die ZSK ist paritätisch besetzt. 50 % Professor:innen und 50 % Studierende. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt.

Die Lehrenden präsentierten ihre Vorschläge zur Änderung der RPO und die Studierenden ihre Vorschläge. Der bisher kontroverse Punkt ist die Anwesenheitspflicht. So heißt es in dem bisherigen Vorschlag, dass in den FSA (Fachspezifischen Anlagen), die regelmäßige Anwesenheit in Lehrveranstaltungen als Voraussetzung für die Zulassung zur Modulprüfung festgelegt werden, wenn diese zum Erreichen des Qualifikationsziels, insbesondere zur Aneignung praktischer Fähigkeiten oder zur Einübung eines gemeinsamen interaktiven wissenschaftlichen Diskurses erforderlich ist. Die Anwesenheitspflicht ist nicht zulässig in Vorlesungen und als Zulassungsvoraussetzung zu Modulprüfungen, die lehrveranstaltungsbegleitend stattfinden.

Folgende Regelung soll dabei gelten, wenn die Veranstaltung einmal pro Woche stattfindet und als Fehlzeit zulässig ist:

  1. a) bis zu zwei Termine ohne Angabe von Gründen und ohne Verpflichtung zu Ersatzleistungen
  2. b) insgesamt bis zu fünf Termine, wenn triftige Gründe geltend gemacht und nachgewiesen werden, und sofern das Qualifikationsziel durch eine erfolgreiche unbenotete Ersatzleistung als Ausgleich für die Fehlzeit erreicht wurde;

Sollten beispielsweise sechs Termine verpasst worden sein, ist das Modul für das Semester nicht mehr erreichbar. Da die Module in der Regel im jährlichen Rhythmus angeboten werden, würde eine Wiederholung erst ein Jahr später möglich sein. Dies kann zu Verlängerungen der Regelstudienzeit führen.

Wie es weiter geht

In weiteren Sitzungen der ZSK ging die Diskussion weiter, wurde aber auf der Sitzung am 30.11.2022 vertagt und keine Entscheidung getroffen. Die Studierenden hatten sich am vorherigen Wochenende getroffen für ein RPO-Boot-Camp um Änderungsanträge auszuarbeiten und gegen die Änderung der RPO zu mobilisieren. Eine weitere Sitzung der ZSK soll am 07.12.2022 stattfinden, am 14.12.2022 die Sitzung des Senats, der über die Änderungen der ZSK beschließt.Dieser Zeitplan wurde kurzfristig geändert, die neuen Termine sind: Mittwoch, den 11. Januar 2023 von 14.00 – 17.30 Uhr für die ZSK-Sitzung und der 25. Januar 2023 für die Abstimmung des Senats.

Im Senat sitzen 3 Studierende, und die Professor:innen haben gemäß dem Urteils des BVerfG die Mehrheit. Somit können die Beschlüsse der ZSKen durch den Senat überstimmt werden.

Die Studierendenvertretung hat beschlossen ab dem 01.12.2022 durch Öffentlichkeitsarbeit auf die Änderung der RPO aufmerksam zu machen, einen Info-Stand auf dem Campus eingerichtet und eine Petition gestartet.


Über die Jahre hinweg hatte auch die Univativ über die RPO – Rahmenprüfungsordnung berichtet. Alle Artikel zum Thema RPO.


Foto: RPO-Demo 2019 – Foto Christopher Bohlens

Christopher Bohlens

Schreibt immer irgendwas über Hochschule, Politik oder Veranstaltungen, wo es so richtig kracht. Liebt investigativen Journalismus und beschäftigt sich viel mit Daten.

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