Sehr gute Noten, unübertreffbares Engagement und herausragende fachliche Kompetenzen sind bei vielen die ersten Assoziationen, die sie mit dem Wort „Stipendium“ verbinden. „So gut bin ich ja gar nicht“, ist folglich der Gedanke, mit dem oft von einer Bewerbung abgesehen wird.
Ein Stipendium zu bekommen ist allerdings nicht so unerreichbar, wie es oft gedacht wird.
Um sich besser vorstellen zu können, wie die Förderung durch ein Stipendium aussehen kann (und auch zu ermutigen, sich fleißig zu bewerben!), möchte ich euch einen kleinen Einblick in meine Erfahrungen durch die Förderung mit dem Evangelischen Studienwerk Villigst geben.<!>
Tür auf, Rucksack runter und erst einmal dem guten Geruch in die Küche folgen.
„Uhhh, was kocht ihr denn da?“
Meine Mitbewohner drehen sich grinsend um und ich sehe eine Auflaufform vor ihnen stehen.
„Lasagne, und so viel, dass du safe auch was davon haben kannst!“
Eine meiner Mitbewohnerinnen überlegt kurz und fragt dann:
„Wo kommst du nochmal gerade her?“
„Von der Sommeruni in Villigst, das Seminar zu Kunstausstellungen, von dem ich letztens kurz erzählt habe?“
„Ahja, kannst du mir nochmal erklären, was genau das war? Irgendein Stipendiending wieder, oder?“
„Ja, genau, so ein Stipendiending.“
Ich grinse.
„Wenn man will, kann man sich da für Seminare anmelden – fachspezifisch oder auch und vielleicht gerade solche, die nichts mit dem Studiengang zu tun haben.“
„Ich hab irgendwie gedacht, dass man bei einem Stipendium einfach Geld dafür bekommt, dass man besonders schlau ist und/oder hart arbeitet und so dann sein Studium ein bisschen besser finanzieren kann.“
Kurz muss ich schmunzeln.
„Ja, da hast du schon Recht.
Stipendien gibt es viele – von privaten Stiftungen, Unternehmen und öffentlichen Institutionen, doch ähnlich wie bei der Studienauswahl fällt es schwer, bei den vielen Möglichkeiten die Übersicht zu behalten (dieser Artikel https://www.univativ-magazin.de/stipendium-na-klar-darum-solltet-ihr-euch-jetzt-bewerben/ bietet euch eine). Einige zahlen einmalige Geldbeträge, andere vergeben Vollstipendien mit monatlichen Beträgen von bis zu ca. 1.100€ im Monat – solche vergibt auch das Evangelische Studienwerk Villigst, bei dem ich gefördert werde.
Ähnlich wie bei den anderen 13 großen sogenannten „Begabtenförderungswerken“ können Studierende bei Villigst mit einer Studienkostenpauschale von 300 Euro monatlich, sowie ergänzend dazu einer monatlichen finanziellen Unterstützung von bis zu 812€ rechnen. Während die Studienkostenpauschale unabhängig von der eigenen finanziellen Situation vergeben wird, werden die anderen Sachen ähnlich wie BAföG auf der Basis des eigenen Einkommens (und dem der Eltern) berechnet. Das tolle dabei ist, dass das Stipendium – im Gegenteil zum BAföG – nicht zurückgezahlt werden muss.
Für Praktika, Auslandsaufenthalte und weitere Projekte können darüber hinaus Zuschüsse beantragt werden. Gerade wenn Praktika nicht vergütet werden und die Studi-Jobs an der Uni nur miserabel bezahlt (beides eigentlich unmögliche Zustände, um deren Änderung einige Initiativen sehr bemüht sind @TVStud), ist das eine große Unterstützung.
Bevor Menschen sich bewerben, sollte aber noch einmal überprüft werden, in welchem Abschnitt des Studiums man gerade ist. Hier unterscheiden sich die 13 Begabtenförderungswerke in ihren Aufnahmerichtlinien. In Villigst darf man zum Beispiel zum Zeitpunkt seiner Bewerbung das 3. Fachsemester nicht überschritten haben. Ausschließlich für ein Zweitstudium und ein Masterstudium kann sich also nicht beworben werden. Bei anderen Studienwerken geht das allerdings schon.
Einen Überblick über die 13 großen Werke, sowie die jeweiligen Bewerbungszeiträume gibt es zum Beispiel auf der Website des Asta oder der Stipendiumplus-Seite.“
Meine Mitbewohnerin nickt verständnisvoll, dann sieht sie mich skeptisch von der Seite an.
„Und… Wie evangelisch muss man da sein beim Evangelischen Studienwerk?“
Ich lache kurz auf.
„Wenn du dich bei einem kirchlichen Förderwerk bewirbst, solltest du dir natürlich darüber bewusst sein und zu dem Thema Kirche auch Stellung beziehen können. Aber du kannst dich auf jeden Fall auch bewerben, wenn du keine oder eine andere Religion/Konfession hast, denn das ausschlaggebende ist dein Motivationsschreiben.“
„Okay, also Motivationsschreiben… Und was gehört noch zu der Bewerbung dazu?? Ist das viel Arbeit? Wie läuft so eine Bewerbung oder die Auswahl überhaupt ab?“
„Um sich auf ein Stipendium im Evangelischen Studienwerk zu bewerben, muss man ein Motivationsschreiben, einen tabellarischen und einen ausführlichen Lebenslauf einreichen. Zudem benötigt man ein fachliches Gutachten, zum Beispiel von einem Dozenten, wenn man schon studiert oder von einem Leistungskurslehrer, wenn man sein Studium noch nicht begonnen hat. Darüber hinaus benötigt man noch ein gesellschaftliches Gutachten beispielsweise von dem Sportverein, in dem du Trainer:in für eine Gruppe bist, deinen Betreuenden im FSJ/FÖJ/BFD oder ähnlichem. Dann kannst du auch noch andere Zertifikate, Urkunden und natürlich dein Zeugnis anhängen. Wenn du dann noch die Bewerbungsfrist einhältst, ist der erste Schritt schon geschafft.
Weiter geht es dann mit einem Vorauswahlgespräch, zu dem du eingeladen wirst. Je nachdem, wie das verläuft, wirst du dann zur Hauptauswahlrunde eingeladen, die quasi in der Geschäftsstelle des Studienwerks – Haus Villigst – stattfindet. Da gibt es dann nochmal ein Gespräch und Assessment-Center ähnliche Aufgaben/Szenarien, die du durchläufst. Es gibt sogar ein YouTube-Video, in dem das alles noch einmal genau erklärt wird.
Das hört sich vielleicht viel und sehr aufregend an, aber es ist definitiv den Aufwand wert und ich habe selten von einer schlechten Erfahrung bei der Auswahl gehört.“
„Worauf genau wird denn bei der Bewerbung geachtet? Gibt es bestimmte Qualitäten, Motivationen und Hintergründe, die besonders gesucht werden?“
„Bei Stipendien spielen gute Noten/Leistungen in der Schule natürlich immer eine Rolle. Allerdings wird bei Villigst vor allem auch Wert auf die Begeisterung und Motivation, die hinter der Entscheidung für sein eigenes Studium steht, gelegt. Ehrenamtliches oder soziales Engagement zum Beispiel im Sportverein, einer Kirchengemeinde oder in der Familie sind auch eine wichtige Voraussetzung. Außerdem wird kritisches Reflektieren, sowie ein ausgeprägtes Interesse an fachübergreifenden, gesellschaftlichen, religiösen und politischen Fragestellungen begrüßt. Es geht also bei der Bewerbung und der Auswahl vor allem darum, dass die Auswählenden dich ein bisschen besser kennenlernen können. Also eigentlich auch nichts, wovor man Angst haben müsste.“
„Na, das sagst du jetzt so… Aber die ganzen Verpflichtungen, die mit dem Stipendium zu tun haben, können einem schon Angst machen! Muss ich da nicht andauernd zu irgendwelchen Seminaren?“
„Nein! Je nach Begabtenförderungswerk gibt es teilweise unterschiedliche Verpflichtungen für die Angebote, aber bei Villigst kann man freiwillig, also wirklich nur, wenn man darauf Bock hat, an den Seminaren etc. teilnehmen.
Eigeninitiative und Interesse an Inhalten auch außerhalb des Fachgebiets – also ganz ähnlich dem zum inter- und transdisziplinären Programm der Leuphana – wird bei Villigst groß geschrieben. Es gibt zum Beispiel auch studentisch organisierte Arbeitsgruppen, die sich mit bestimmten Themen auseinandersetzen oder Weiterbildungsangebote dazu organisieren. Die AG Nachhaltigkeit hat letztens erst gemeinsam ein Seminar zum Thema „Soziale Kipppunkte“ in Barnstorf organisiert. Eine andere coole Sache ist das Sozialsemester, in dem sich 6 Monate lang in einem sozialen Bereich ehrenamtlich engagiert werden kann – quasi wie ein Freiwilligendienst. Die einzige Bedingung ist, dass es keinen (engen) Bezug zum eigenen Studienfach gibt.“
„Okay… Und das Seminar auf dem du jetzt gerade warst?“
„Das gehört zu Sommeruni. Das ist quasi ein Weiterbildungsangebot zu Themen, die sich die Stipendiat*innen vorher selber ausgesucht haben. Studierende können konkrete Ideen und Vorschläge einreichen, über die dann bei einer Konferenz mit den Stipendiat:innen und anderen Hauptamtlichen des Studienwerks abgestimmt wird. Und dann werden die Seminare organisiert und finden in der vorlesungsfreien Zeit statt, so, dass viele Stipendiat*innen die Möglichkeit haben, daran teilnehmen zu können. So ist eigentlich garantiert, dass es immer viele interessante Themen gibt – und das merkt man auch daran, wie schnell die Plätze in den Seminaren voll sind!
Weil sich Studierende aus allen Fachrichtungen zu den Veranstaltungen anmelden können und daher meist eine bunte Mischungen aus verschiedenen Hintergründen vertreten ist, können die Themen fachlich wie persönlich aus mehreren Perspektiven betrachtet werden.“
„Warte mal, und diese politische Simulation, auf der du im Sommer warst, gehört auch zu diesem ganzen Extra-Programm?“
Ich lache.
„Das ist noch einmal eine ganz andere Geschichte, weil die Simulation selbst nicht vom Studienwerk organisiert ist. Es gibt über das Studienwerk aber trotzdem auch die Möglichkeit an politischen Simulationen wie z.B. der MUNICH (Model United Nations) oder der SPECQUE (Simulation parlament européen Canada-Québec-Europe) oder auch anderen Konferenzen (e.g. COP) teilzunehmen.“
„Das sind ja schon wieder viel zu viele Möglichkeiten.“
„Ja, und die Entscheidungen fallen nicht immer leicht. Das ist ein unglaublich großes Privileg, aber man sollte sich nicht den Druck machen, so viele Veranstaltungen wie möglich zu absolvieren, um der Sache gerecht zu werden.
Jede Ortsgruppe hat aber auch Vertrauensdozent*innen und Studienleitungen, die gerne beratend zur Seite stehen um sich bei den ganzen Möglichkeiten für die Angebote zu entscheiden, die einem interessant und wichtig erscheinen.
Es gibt auch noch ein Mentoring Programmen, bei denen man mit Menschen, die früher in der Förderung waren, aber jetzt schon im Berufsleben stehen, sprechen kann und sich als Mentee ein wenig begleiten lassen kann.“
„Tja, schade, dass ich schon mein drittes Fachsemester hinter mir habe und du jetzt leider ein wenig umsonst diesen Monolog gehalten hast…“
Meine Mitbewohner fangen herzlich an zu lachen. Ich steige mit ein.
„Naja, aber das heißt ja nicht, dass du gar nicht mehr durch ein Stipendium unterstützt werden kannst. Das Deutschlandstipendium läuft zwar nicht über eins dieser 13 großen Förderungswerke, kann aber dafür eigentlich zu jedem Zeitpunkt im Studium beantragt werden. Aber das schaust du dir am besten selber noch einmal an. Mir hat am Anfang die Stipendiumplus-Seite sehr viel weitergeholfen. Außerdem gibt es noch super viele private Stiftungen oder andere Arten von Stipendien, über die es bei mystipendium.de einen ganz guten Überblick gibt.“
„Nice! Aber bevor wir jetzt aber den Laptop rausholen, muss erstmal die Lasagne gegessen werden!“
Sie drückt mir einen Teller in die Hand, ich nicke nur zustimmend.
„Erstmal Prioritäten setzen!“
Foto: Evangelisches Studienwerk Villigst