Lunissage: Ausstellung in Pandemiezeiten

Drei KünstlerInnen aus Hamburg und Lüneburg haben am Samstag mit musikalischer Untermalung in der Ritterakademie und im digitalen Stream ihre Werke ausgestellt. Im Rahmen des dezentralen Konzepts des Lunatic-Festivals konnten BesucherInnen der „lunissage“ ihren Durst nach Kunst und Kultur stillen.

Kunst, Musik und Menschen – in Pandemiezeiten ein seltener Anblick. Das bestätigen auch die verwunderten Blicke der vorbeifahrenden LüneburgerInnen auf die Schlange wartender Kulturinteressierter vor der Ritterakademie. BesucherInnen unterhalten sich über ihre gerade gemachten Coronatests und darüber, wie sehr sie die Kulturszene Lüneburgs vermissen. Dann lassen die VeranstalterInnen die 30 BesucherInnen der ersten Gruppe nach und nach in das Veranstaltungsgebäude.

Die „lunissage“ fand mit Hygienekonzept in Präsenz und im Stream statt.  Foto: Carla Moritz

 

Für sie ist es ein Moment mit Gänsehautgefühl: Sara Kanarski und Michelle Weber, zwei der Organisatorinnen der Vernissage,  erzählen von einer herausfordernden Zeit , die hinter ihnen liegt, mit „leicht erhöhtem Stresslevel“ und zu viel Kaffee. Jetzt, da die „lunissage“ ihre Pforten geöffnet hat, sei es „pure Erleichterung“ die glücklichen Menschen zu sehen, die „endlich wieder einen Zugang zu Kunst finden“. Die beiden Kuwi-Studentinnen engagieren sich beide im Kunst-Team des Lunatic e.V. Das Team aus etwa 25 Studierenden organisiert dieses Jahr ein dezentrales Lunatic-Festival: Das sonst auf dem Campus stattfindende Kunst-, Kultur- & Musik-Festival findet auf verschiedene Orte und Tage verteilt statt.

Sara Kanarski und Michelle Weber sind Teil des Kunstteams des lunatic e.V. Foto: Carla Moritz

Die Univativ hatte bereits über den ersten Stopp auf der “road to lunatic“ berichtet. Die zweite Haltestelle hat nun der Kunst ihren Raum gegeben, die sonst auf dem Campus bzw.- Festivalgelände ausgestellt wird. „Es ist schön, dass die Kunst durch die eigene Veranstaltung die nötige Aufmerksamkeit bekommt“, sagt Jason Fraina, einer der ausstellenden KünstlerInnen.

Ausstellung in Pandemiezeiten

Von 13 bis 22 Uhr konnten BesucherInnen einen 45-Minuten-Besuch buchen und die Kunstwerke die Ritterakademie in der Lüneburger Innenstadt besuchen. Dort warten in einem Einbahn-Rundgang Kunstwerke von drei KünstlerInnen aus Hamburg und Lüneburg sowie Musik von Ænnigma, Wondra und NewInfluenzer auf sie. Für alle, die die Kultur lieber von zuhause genießen wollen, gibt es einen kostenlosen Stream mit Fotos der Kunst, Musik und Live-Aufnahmen aus dem Ausstellungsraum.

„Froschmann (eingesperrt)“ von Jason Frania. Foto: Carla Moritz

Pro Slot dürfen 30 Menschen auf die „lunissage“ und nach einer Lüftungspause darf die nächste Gruppe hinein, ohne der ersten Gruppe zu begegnen. Zum Hygienekonzept gehört außerdem die Pflicht, einen aktuellen negativen Corona-Test mitzubringen und eine medizinische Maske zu tragen. So können an diesem Samstag 200 BesucherInnen ein in Pandemiezeiten seltenes Erlebnis genießen. Ursprünglich waren sogar weniger Tickets geplant. Aufgrund des großen Andrangs wurden die Gruppen von 25 auf die maximal erlaubte Zahl von 30 BesucherInnen erweitert.

Im Garten können BesucherInnen Eindrücke schriftlich austauschen. Foto: Carla Moritz

Lange sei nicht sicher gewesen, ob die Präsenzveranstaltung überhaupt stattfinden kann, so die VeranstalterInnen. Erst eine Woche vorher konnten die relativ niedrigen Inzidenzen in Lüneburg das Stattfinden in Präsenz garantieren.  Neben der Kunst und Musik  im Ausstellungsraum konnten BesucherInnen sich im Garten  auf einer Tafel schriftlich austauschen, vorbestelltes Merch des lunatic e.V.  abholen oder Essen und Trinken für den Nachhauseweg kaufen.

Freie Denkflächen, Partyszenen und männliche Geschlechterrollen

Foto: Carla Moritz

Das Organisationsteam hat die drei ausstellenden KünstlerInnen aus vielen BewerberInnen ausgesucht. Im Ausstellungsraum haben sie die Werke an fast unsichtbaren Fäden von oben herabgehängt. Es gibt keine Trennwände, die die einzelnen Reihen und KünstlerInnen voneinander trennen und so ergeben sie ein beeindruckendes Gesamtbild, bei dem sich immer wieder neue Perspektiven und Überschneidungen ergeben.

Philip Pitacas: „cityscapes don’t mask ur misery“ (links) und „touch crazed only to fall for anothers’s crave“ (rechts). Foto: Carla Moritz

Philip Pitacas  studiert Kommunikationsdesign in Hamburg. Sein Anspruch ist die „Vereinigung von Verschiedenem“: Unterschiedliche Materialien, Strukturen, Texturen und  Medien werden zu einem Ganzen, einer freien Denkfläche.  Seine Leinwände hat er teilweise vor dem Bemalen bedrucken lassen, andere sind mit Bodenfliesen oder Luftpolsterfolie beklebt. Für ihn liegt der Reiz dabei darin, etwas „Fremdes, Vorbestimmtes und Festgelegtes mit reinzunehmen“ Dieses Festgelegte ist bei seinen Bildern selten: „das, was ich mir zu den Bildern denke, steht nicht im Fokus, sondern was die Betrachtenden denken.“ Die Möglichkeit, diese freien Denkflächen für eigene Gedanken zu nutzen, hatten die BesucherInnen am Samstag, auch wenn das Einbahnstraßensystem und die sich weiterbewegenden MitbesucherInnen die Zeit für diese Gedanken manchmal doch etwas beschränkten.

Maria Langen: “Die Chillerinnen”. Foto: Carla Moritz

Maria Langens Skulpturen aus Pappe und Gemälde thematisieren Partyszenen, den Einfluss von Musik auf den menschlichen Körper, Stadtarchitektur, aber auch Trägheit und das Gefühl der Überladung. Szenen die teilweise „in Pandemiezeiten eher utopisch sind“, wie die Künstlerin selbst sagt.  Sie studiert Kunst in Hamburg und vermisst zurzeit auch manchmal dieses Gefühl der Überladung, auch wenn es nicht immer positiv ist. Trotzdem mag Maria es, „wenn Kunst überladen ist und man immer neue Details finden kann“. BesucherInnen, denen es genauso geht, kommen bei ihren Werken auf ihre Kosten. Für die eine oder den anderen können die Darstellungen von Menschen aber auch etwas irritierend sein. In weichen Linien verschwimmen die Figuren, Falten sind allgegenwärtig. „Mich interessiert es, wie man innere Gefühle außen sehen kann“, so Maria.

Jason Frania: “Reflexion”. Foto: Carla Moritz

Jason Frania spielt in seinen Gemälden mit den männlichen Geschlechterrollen. In Kombination aus Menschen und Tierdarstellungen widmet er sich der Frage, was „die Natur der Sache und was kulturell bedingt ist“. Er ist oft mit den gängigen männlichen Geschlechterrollen angestoßen und findet es gut, dass jetzt mehr darüber diskutiert wird.  „Lüneburg ist für mich ein Ort, wo ich mich freier fühle“, sagt der Leuphana-Absolvent. Früher besuchte er das Lunatic noch als Studierender und hätte nicht gedacht, dass er selbst mal dort ausstellen würde. Nach einer Bewerbung kurz vor Ende des Aufrufs ist es nun Jasons erste Ausstellung. Seine Acryl-Malerei ist farbenfroh und regt zum Nachdenken an.

„So schön, nice und traumhaft“

Eindrücke der ersten Besucher. Foto: Carla Moritz

Nach dem Verlassen des Gebäudes können BesucherInnen ihre Eindrücke auf einer Tafel niederschreiben. Danksagungen, Komplimente und Lob finden sich dort: „So schön“, „nice“, „traumhaft“, „der kulturelle Durst konnte etwas gestillt werden“.

Die gute Organisation, Musik und Kunstwerke haben einen runden Gesamteindruck und tolle Erinnerungen hinterlassen.

Die nächsten Stationen auf der road to lunatic sind dann „Let´s talk music“ am 15. Mai und das zweitägige Festival am 4. und 5. Juni.


Transparenzhinweis: Der Besuch der Autorin war im Rahmen einer Presseführung kostenlos.

In einer früheren Version des Artikels stand fälschlicherweise, dass die nächste Station auf der road to lunatic das Festival am 5. und 6. Juni sei. Wir haben den Fehler korrigiert.

Carla L. Moritz

isst gerne Brezel mit Honig und Marmelade übereinander und liebt es auch sonst Neues auszuprobieren.

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