Person im T-Rex Kostüm auf einer Kopfsteinpflasterstraße im piktoresken Italien

Vom Aussterben bedroht

Die Leuphana macht den Studiengang Wirtschaftspädagogik B.A. (kurz „WiPäd“) dicht. Zum WS 2024/25 werden die letzten Bachelorerstis den Campus erreichen. Dies gilt auch für den konsekutiven Master, welcher zum letzten Mal zum WS 27/28 neue Studis aufnimmt.

Der Lehrkräftemangel nimmt auch an Berufsschulen zu. Bereits 2018 forderte die BertelsmannStiftung im Rahmen ihrer Studie „dass Universitäten mehr Berufsschullehrer ausbilden“. Auch der Name der Studie unterstreicht das Problem: „Dringend gesucht: Berufsschullehrer“ Diese Problematik scheint trotz derzeitiger hoher medialer Präsenz bei der Leuphana mit Präsident Spoun wohl nicht angekommen zu sein. Denn dass Studienprogrammsende wurde von den Entscheidungsträgern schon länger lanciert.

Warum fühle ich mich als langjähriger Fachgruppenvertreter (FGV) des WiPäd-Bachelors von der Leuphana für dumm verkauft? Dazu ein kleiner Rückblick:

Wie ist es, wenn man seit Jahren ein ungewünschter Gast ist? Dieses Gefühl kenne ich dank meiner Studiengangswahl für Wirtschaftspädagogik an der Leuphana nur zu gut. Dabei mag ich mein Studium eigentlich: schöne Studienstadt, lebendiges Studileben mit weitläufiger Initiativenlandschaft, vielseitigem Hochschulsport und einem Studium, welches mich meinem Traumberuf näherbringt. Wären da nur nicht die sich seit Jahren verschlechternden Rahmenbedingungen, die unserem Studiengang seit Jahren zugemutet werden. Seit Beginn meines Studiums im Jahr 2018 erlebe ich in der Fachdisziplin Wirtschafts-/Berufspädagogik eine hohe Fluktuation. Von Kontinuität keine Spur! Selbst der HSV zeigt mehr Konstanz auf ihrer Trainerposition. Zumal die Lehrqualität der Gastdozierenden nach studentischem Empfinden hier und da ausbaufähig ist. Manche Lehrende haben vermeintlich vergessen nicht vor zukünftigen Offizieren, sondern angehenden Lehrkräften zu stehen. Daneben wurden uns quasi jegliche Wahlmöglichkeiten besonders bei wirtschaftswissenschaftlichen Modulen geraubt. Ein negativer Höhepunkt in diesem Prozess stellt aber die eklatante Zunahme der englischsprachigen Module aus „Kostengründen“ dar. Wer muss denn bspw. deutsches Rechnungswesen gelernt haben, um dies an deutsche Azubis zu vermitteln? Ist der Wunsch nach einer qualitativ hochwertigen Lehre zu viel verlangt? Die Entwicklung war folglich in den letzten Jahren keine Überraschung. Besonders im Vergleich zu der teilweise sehr guten Lehre bei den Zweitfächern (wie Mathematik) liegt eine hohe Diskrepanz vor. Nun wird dieses Studienprogramm nach und nach dicht gemacht und Wirtschaftspädagog*innen werden an der Leuphana zu Dinosauriern – eine aussterbende Art.

Für mich kam die Information der Studiengangsschließung in Verbindung mit der Weigerung der Universität die große Professur besetzen zu wollen leider nicht überraschend. Als damaliger FGV gehörte ich der Gruppe von Studis an, die sich im März 2021 mit einem offenen Brief an Präsident Spoun und dem damaligen Dekan der Fakultät Bildung gewendet haben. Das Ende der Wirtschaftspädagogik in Lüneburg haben nicht nur wir, sondern auch ehemalige Lehrende kommen sehen. Ein heutiger sich im Ruhestand befindlicher Dozent scheint rückblickend wohl Fähigkeiten eines Nostradamus gehabt haben. Denn mit seiner Aussage „In fünf Jahren gibt es hier keine Wirtschaftspädagogik mehr“ liegt er leider gar nicht so falsch. Damals versuchte Präsident Spoun uns mit Floskeln zu beschwichtigen. Final mit dem heutigen Kenntnisstand sind die Antworten von Herrn Präsident Spoun bestenfalls ein schlechter Scherz anzusehen. Anstatt unsere Sorgen ernst zu nehmen, ehrlich mit uns umzugehen und uns an dem Prozess zu beteiligen, wurden wir belächelt.

Wie ich zu diesem Schluss komme?

Bedingt durch mein damaliges Amt liegt mir der Mailverkehr aus dieser Zeit noch vor. Das Präsidium sagte uns im April 2021 eine „zügige Besetzung“ zu. Die befristete Juniorprofessur hat erst in der letzten Maiwoche 2023 ihre Ernennungsurkunde bekommen. Ist das wirklich die Bedeutung von „zügig“, Herr Spoun? Entgegen damaligen Beteuerungen wirkt es auf mich, dass nie ein ernsthaftes Interesse an der Besetzung der großen dauerhaften Professur vorlag. In dieser Angelegenheit äußerten wir mit unserem offenen Brief bereits damals große Bedenken. Wir sahen mit dem Titel der Ausschreibung „Professur für sozialwissenschaftliche Bildung“ die Perspektiven des bisherigen Lehrstuhls der Wirtschaftspädagogik massiv eingeschränkt. Mit der Gründung des „Institut für sozialwissenschaftliche Bildung“ wollte man uns eine Stärkung des Programms vorgaukeln. Diese Aussage haben wir damals schon nicht für voll genommen – mit heutigem Kenntnisstand zu Recht! Dass Aufbäumen der Studis bekam auch die damalige Studiengangsleitung zu hören, die wohl den Auftrag bekam die WiPäds zu beruhigen. In einem persönlichen Gespräch sagte sie mir: „Wirtschaftspädagogen sind doch eigentlich keine Revoluzzer“. Die Entscheidungstragenden wollten sich wohl nicht so früh schon in die Karten schauen lassen. Gleichzeitig gaben wir Studis uns nicht mit der Untätigkeit zufrieden.

Es herrschte wohl wenig Begeisterung in Gebäude 10, als die Landtagsabgeordneten Detlev Schulz-Hendel und Eva Viehoff (beide Partei: GRÜNE) mit der Drucksache 18/10526 (vom 06.12.2021) die Thematik über eine kleine Anfrage in den niedersächsischen Landtag gebracht haben, womit die Unileitung konfrontiert wurde. Auf diese Angelegenheit wurde auch die Lüneburger Landeszeitung mit dem Artikel „Ministerium verteidigt Leuphana“ vom 11.01.2022 aufmerksam. Negative Berichterstattung über die Leuphana, das wird an unserer Heide-Havard nicht gerne gesehen.

Seitdem ist nicht mehr viel passiert … bis der Prozess der Studiengangsschließung in Gang gesetzt wurde. Wenigstens wurde die vakante Juniorprofessur endlich im Mai 2023 mit einem unter den Studis bekannten und beliebten Gesicht besetzt. Wenigstens etwas positives…

Als Studiengangsvertretende haben wir damals alles versucht das für uns absehbare Übel zu verhindern. Anstatt fair und ehrlich mit uns umzugehen wurden wir immer wieder mit neuen leeren Versprechungen vertröstet. Ich hatte sogar den Eindruck, dass man über unsere Anmerkungen brüskiert war. Dabei haben wir damals nur das Ende des Studienprogramms prognostiziert.

Die Leuphana war im Bereich Wirtschaftspädagogik unter Herrn Prof. Dr. Andreas Fischer lange eine überregional hoch angesehen Institution. Daran wurde in den letzten Jahren durch die verschlechterten Studienbedingungen bereits kräftig gerüttelt. Trotz großen Lehrkräftemangel wird die Wirtschaftspädagogik ein Ende an der Leuphana finden.

Ich werde von den Auswirkungen nicht mehr betroffen sein, aber dennoch bedauere ich diese Entwicklungen und Entscheidung sehr. Es war damals frustrierend als FGV keinen Einfluss auf eine Umkehr nehmen zu können. Denn das finale Ende war nun alles andere als überraschend. Wenn ich in nicht allzu ferner Zukunft die Uni nach dem Master verlasse, dann gehöre ich zu den letzten Jahrgängen der WiPäd-Dinos. Eine Art die an der Leuphana bald ausstirbt…


Titelbild: José Luis Photographer on Pexels