Buchhaltung, Prüfbericht, Kreditkarte - (c) Pixabay

Erhebliche Missstände in der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Studierendenschaften in Niedersachsen

Die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Studierendenschaften weist zahlreiche Fehler auf. Die Hochschulpräsidien kamen ihren gesetzlichen Verpflichtungen im Hinblick auf die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Studierendenschaften nur unzureichend nach. Zu dieser Entwicklung trug auch eine fehlende bzw. zögerliche Rechtsaufsicht der Hochschulpräsidien und des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (MWK) bei.

Der Landesrechnungshof Niedersachsen (LRH) hat in seinem Jahresbericht 2022 einige Missstände bei den Finanzen der Studierendenschaften in Niedersachsen aufgedeckt.

Rechtsrahmen

Die Gesamtheit der Studierenden einer Hochschule bildet die Studierendenschaft. Zu ihren Aufgaben gehört nach dem Niedersächsischen Hochschulgesetz (NHG), hochschulpolitische, soziale und kulturelle Belange für die Studierenden in Hochschule und Gesellschaft wahrzunehmen. Organe der Studierendenschaft sind das Studierendenparlament (StuPa) und der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA). Die Studierendenschaft hat das Recht zur Beitragserhebung und verfügt über ein eigenes Vermögen, mit dem sie für ihre Verbindlichkeiten haftet.

Die Studierendenschaft untersteht der Rechtsaufsicht des Hochschulpräsidiums. Eine Rechtsaufsicht des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur gegenüber der Studierendenschaft besteht insofern, als es aufgrund seiner aufsichtsrechtlichen Befugnisse gegenüber dem Hochschulpräsidium tätig werden und auf diesem Weg mittelbar auf die Studierendenschaften einwirken kann. Bei Hochschulen in Trägerschaft von rechtsfähigen Stiftungen des öffentlichen Rechts obliegt diese mittelbare Rechtsaufsicht gegenüber den Studierendenschaften sowohl dem Stiftungsrat als auch dem Wissenschaftsministerium.

Fehlende Rahmenvorgaben

Die Finanzordnung der Studierendenschaften wird von den Studierendenschaften selbst beschlossen und basiert auf den Vorgaben der Landeshaushaltsordnung (LHO) und des Hochschulpräsidiums. Vor der Hochschulreform im Jahr 2002 galt eine Muster-Finanzordnung des Wissenschaftsministeriums. Seit der Novelle des NHG im Jahr 2006 sind die Hochschulpräsidien verpflichtet, Rahmenvorgaben für die Finanzordnung der Studierendenschaften festzulegen und deren Einhaltung mindestens einmal im Jahr zu überprüfen.

Es wurde jedoch festgestellt, dass die Präsidien der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, der Stiftung Hochschule Osnabrück sowie der Universitäten Osnabrück und Vechta entgegen der gesetzlichen Vorgabe keine Rahmenvorgaben erlassen haben. Lediglich die Stiftung Universität Göttingen und die Universität Oldenburg haben in den Jahren 2015/16 bis 2020/21 die Einhaltung der Rahmenvorgaben durch die Studierendenschaften überprüft. Bei den anderen fünf Studierendenschaften bzw. Hochschulen fanden entweder keine entsprechenden Prüfungen statt oder sie waren aufgrund fehlender Rahmenvorgaben zum Zeitpunkt der Prüfung nicht möglich.

Fehlerhafte Finanzordnungen

Alle Studierendenschaften hatten eine Finanzordnung zur Regelung ihrer Haushalts- und Wirtschaftsführung. Es wurde jedoch festgestellt, dass einige Hochschulen bisher keine Rahmenvorgaben erlassen hatten, während andere Studierendenschaften ihre Finanzordnungen nicht an die Rahmenvorgaben der Hochschulpräsidien angepasst hatten.

Darüber hinaus wichen die Finanzordnungen in einigen Fällen von den Rechtsvorschriften der Landeshaushaltsordnung (LHO) und den Rahmenvorgaben der Präsidien ab. Beispielsweise fehlten in den Finanzordnungen der Studierendenschaften der Hochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen und der Universität Oldenburg Regelungen zur Genehmigung des Haushaltsplans der Studierendenschaft und zur Entlastung des AStA durch das Studierendenparlament. Die Finanzordnung der Studierendenschaft der Technischen Universität Braunschweig erlaubte die Aufnahme von Kassenkrediten, obwohl die Rahmenvorgaben des Präsidiums dies ausschlossen.

In der Finanzordnung der Studierendenschaft der Stiftung Universität Göttingen wurde eine Frist bis zum 30.04. des Jahres für den Beschluss des Studierendenparlaments über den Haushaltsplan festgelegt, obwohl das Haushaltsjahr gemäß der Finanzordnung bereits am 01.04. beginnt. Wenn dieser Frist nachgekommen wird, gelten für den AStA im Monat April die Einschränkungen der vorläufigen Haushaltsführung. Dies bedeutet, dass die Studierendenschaft nur Ausgaben tätigen darf, zu denen sie rechtlich verpflichtet ist oder die zur Erhaltung ihrer Handlungsfähigkeit unbedingt erforderlich sind.

Fehler in der Haushalts- und Wirtschaftsführung

Im Rahmen der Prüfung wurden bei den geprüften Studierendenschaften und Hochschulpräsidien verschiedene Verstöße gegen haushaltsrechtliche Bestimmungen festgestellt:

  1. Bei den meisten geprüften Studierendenschaften fehlten die erforderlichen Genehmigungen der Haushaltspläne durch die Hochschulpräsidien. Die Studierendenschaft der Universität Vechta verletzte das Prinzip der Jährlichkeit, indem der AStA irrtümlicherweise annahm, dass das Haushaltsjahr erst mit dem Beschluss des Haushaltsplans durch das Studierendenparlament beginnt. Dies führte dazu, dass der AStA seine Ausgaben nicht auf unabweisbar notwendige Aufgaben beschränkte.
  2. Die Studierendenschaft der Hochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen gab im Haushaltsjahr 2019/20 erhebliche Beträge für Veranstaltungen aus, ohne Einnahmerückflüsse zu verbuchen. Der Verbleib der Einnahmen war dem AStA nicht bekannt.
  3. Beim AStA der Studierendenschaft der Universität Vechta fehlten schriftliche Anordnungen für alle Rechnungen seit Beginn des Haushaltsjahres 2020/21, was zu fehlerhaften Buchungsvorgängen führte. Der AStA verstieß zudem gegen das Vier-Augen-Prinzip und es fehlte die ausreichende Sicherstellung, dass AStA-Mitglieder nicht in eigener Sache tätig wurden. Diese fehlerhaften Buchungen führten zu unkorrekten Abschlüssen in der Jahresrechnung.
  4. Die Verpflichtung, eine Jahresrechnung innerhalb eines Monats nach Ende des Haushaltsjahres aufzustellen, wurde von einigen Studierendenschaften nicht oder nicht fristgerecht erfüllt. Die vorgesehenen Prüfungen der Jahresrechnungen fanden nur teilweise oder verspätet statt. Zudem fehlten bei einigen Studierendenschaften die Entlastungen des AStA durch das Studierendenparlament, und die Genehmigungen der Präsidien für diese Entlastungen lagen überwiegend nicht vor.
  5. Die Studierendenschaft der Technischen Universität Braunschweig vergab „verlorene Zuschüsse“ an besonders bedürftige Studierende neben Darlehen. Der LRH war der Ansicht, dass diese Vergabe nicht mit der LHO im Einklang steht, da eine fortgesetzte Bedürftigkeit bei zukünftigen Absolventen nicht von vornherein angenommen werden kann.

Handlungsnotwendigkeiten und empfehlungen

Der Landesrechnungshof (LRH) stellt fest, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um die Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Studierendenschaften zu gewährleisten. Es werden folgende Handlungsnotwendigkeiten und -empfehlungen genannt:

  1. Missstände abstellen: Die Studierendenschaften müssen die bestehenden Missstände umgehend beheben. Die Hochschulpräsidien müssen ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen und Rahmenvorgaben erlassen, die mit den gesetzlichen Bestimmungen übereinstimmen.
  2. Mitwirkung sicherstellen: Die Hochschulpräsidien müssen ihre gesetzlich vorgesehene Mitwirkung bei der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Studierendenschaften gewährleisten. Dies umfasst die Genehmigung der Haushaltspläne, die Entlastung des AStA durch das Studierendenparlament und die regelmäßige Prüfung der Einhaltung der Rahmenvorgaben.
  3. Rechtsaufsicht wahrnehmen: Sowohl die Hochschulpräsidien als auch das Wissenschaftsministerium müssen ihre Rechtsaufsichtspflichten erfüllen. Das Ministerium wurde in einigen Fällen auf Missstände aufmerksam, griff jedoch nicht ein. Der LRH erwartet, dass das Ministerium künftig seine Rechtsaufsicht wahrnimmt und die ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Maßnahmen ergreift.
  4. Muster-Finanzordnung einführen: Der LRH empfiehlt, den Studierendenschaften eine allgemein verbindliche Muster-Finanzordnung vorzugeben, um Rechtssicherheit zu schaffen und den bürokratischen Aufwand für Studierendenschaften und Hochschulpräsidien zu reduzieren.

Der LRH erkennt an, dass die Änderungen des NHG zusätzliche Aufgaben und Kosten für die Studierendenschaften und Hochschulpräsidien mit sich gebracht haben. Er betont jedoch, dass die Hochschulautonomie die Einhaltung von Recht und Gesetz nicht relativieren oder aufheben darf.

Bezug zur Studierendenschaft Universität Lüneburg

Namentlich taucht die Leuphana Universität Lüneburg und somit die Studierendenschaft nicht auf, jedoch gibt es einen Hinweis:

Ebenfalls im Jahr 2021 erhielt das Ministerium Kenntnis von der Presseberichterstattung im Zusammenhang mit Fehlern einer Studierendenschaft bei der Abrechnung des Semestertickets.

Dazu hatte die Univativ mehrmals berichtet:

Endgültige Abrechnung für den Semesterticketschaden steht fest


Mit Material vom Landesrechnungshof.

Bild: Buchhaltung, Prüfbericht, Kreditkarte – (c) Pixabay

Christopher Bohlens

Schreibt immer irgendwas über Hochschule, Politik oder Veranstaltungen, wo es so richtig kracht. Liebt investigativen Journalismus und beschäftigt sich viel mit Daten.

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