Filmtipp: Minari | Ruben’s Cinematic Universe

Eine wunderschöne Familiengeschichte mit vielen Höhen und Tiefen. Mein Filmtipp der Woche!

Inhalt

Im Jahr 1983 zieht die südkoreanische Familie Yi von Kalifornien aufs Land nach Arkansas. Der Vater Jacob hofft, dort auf seinem eigenen Stück Land koreanische Produkte anbauen und verkaufen zu können. Während sich die Mutter Monica große Sorgen um die Zukunft der Familie macht, zieht wiederum ihre Mutter Soon-ja aus Südkorea zu der Familie. Nun müssen sich Tochter Anne und vor allem Sohn David nicht nur mit ihrem neuen zu Hause, sondern auch mit ihrer fremden Großmutter arrangieren.

Bewundern und Erinnern

Mit MINARI verarbeitet Regisseur und Drehbuchautor Lee Isaac Chung seine eigene Erinnerung an seine Kindheit mit wundervollen Bildern und einfühlsamen Momenten zu einem berührenden Drama. Der Film ist dabei eine Liebeserklärung an die Sichtweise eines Kindes auf die Welt. Und doch schwelgt der Film nicht nur in kindlicher Nostalgie, sondern räumt seiner Familie von jung bis alt den nötigen Raum mit allen schönen Erlebnissen und allen Problemen ein.

I was inspired by this this quote by Willa Cather, who said that her life really began when she stopped admiring and started remembering.

– Lee Isaac Chung

Einerseits ließe sich dieses Zitat dahingehend interpretieren, dass die Bewunderung für andere in der eigenen Arbeit ihre Grenzen haben sollte. Es kann nämlich auch oder besonders die Erinnerung an eigene, persönliche Erfahrungen sein, die zu berührenden Geschichten anregt. Andererseits spiegelt dieses Zitat auch die Erzählweise des Films wider. Diese wechselt zwischen dem staunenden Blick der Kinder und den realen und ernsten Problemen der Eltern. Es wirkt, als habe Lee Isaac Chung die Ereignisse seiner Vergangenheit mit seinem kindlichen Geist bewundert während er sich gleichzeitig mit seinem mittlerweile erwachsenen Verständnis an sie erinnert.

Geschichten erzählen

Diese Entstehungsgeschichte erklärt auch die in MINARI behandelten Themen. Die Ausgangslage des Films ist geprägt von der Idee des American Dream und der damit verbundenen Hoffnung. Diese Hoffnung zielt aber nicht darauf ab, große Reichtümer anzuhäufen, sondern einen lebenswerten Platz in der Welt für die Kinder zu finden und einer guten, ehrlichen und erfüllenden Arbeit nachzugehen. In der Beziehung zwischen Jacob und Monica wird aber auch auf schmerzhafte Weise deutlich, wie unterschiedliche Umgangsformen mit dieser Hoffnung, die sich bei Rückschlägen in Angst verwandeln kann, aneinander geraten können. Dann geht es darum, wie die Familie mit diesen Konflikten umgeht und sich im Angesicht der Herausforderungen ihre Träume bewahrt.

Es sind unter anderem diese universellen Themen, die MINARI zu einem außergewöhnlichen Film machen. Doch auch die Perspektive des Films trägt dazu bei. Denn obwohl hier die Geschichte einer Familie aus Südkorea in den USA der 1980er-Jahre erzählt wird, geht es nicht hauptsächlich um Diskriminierung oder die Probleme, sich in einer fremden Kultur zurechtzufinden. Auch wenn es unbestreitbar wichtig ist, solche Geschichten zu erzählen, zieht MINARI seine herzzerreißenden Konflikte und berührenden Annäherungen vielmehr aus dem Inneren der Familie selbst. Bei all dieser Schwere bewahrt er sich dennoch eine kindliche Leichtigkeit. So gelingt dem Film das Kunststück, einer bestimmten Gruppe von Menschen eine Geschichte zu geben und sich an bestimmte Zuschauende zu richten, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Gleichzeitig behandelt er offene Themen und Emotionen, die eine Identifikation mit den Figuren über Hautfarbe und Herkunft hinweg ermöglichen.

Großes kleines Kino

Schließlich sind es vor allem die Schauspieler:innen, die diese Geschichte wahrhaftig zum Leben erwecken. Von glücklichster Freude, tiefer Trauer oder brennendem Schmerz wirken alle Gefühle der Figuren in MINARI echt und greifbar. Steven Yeun und Han Ye-ri spielen großartig akzentuiert und überzeugend die Eltern Jacob und Monica. Bei all den Konflikten zwischen ihnen kommt die Frage auf, inwiefern sich die beiden eigentlich noch lieben. Und gerade wenn diese Liebe erloschen wirkt, gibt es einen ruhigen Blick oder eine kleine Geste, die das Gegenteil begründen könnten. Das eigentliche Herz des Films ist dann aber die zunächst herrlich amüsante und dann mitreißend tragische Beziehung zwischen David, wundervoll gespielt von Alan S. Kim, und seiner Großmutter Soon-ja. Deren Darstellerin Youn Yuh-jung gewann 2021 als erste südkoreanische Schauspielerin verdient den Academy Award als Beste Nebendarstellerin. Im Laufe des Films zaubern die beiden einige der lustigsten, aber auch berührendsten Szenen des vergangenen Kinojahres auf die Leinwand.

Abgerundet wird MINARI durch seine schöne Inszenierung. Die Kamera holt in ruhigen Einstellungen alles aus den einfachen Schauplätzen heraus. Der Film zeigt, dass es nicht unbedingt ein Science Fiction Epos oder eine düstere Comicverfilmung braucht, um fantastische Bilder zu erschaffen. Die Bildkomposition, die Farben und das Produktionsdesign stellen allerdings nicht alles andere in den Schatten oder wirken absichtlich ästhetisiert. Der Landschaft, den Figuren und den Darsteller:innen wird genug Raum zur Entfaltung gegeben. Weniger ist in manchen Fällen einfach mehr. Und das ist im Falle von MINARI ganz großes oder auch eben kleines Kino.

(verfügbar als Video-on-Demand bei u. a. Amazon Prime oder Apple TV und im Stream bei Sky Ticket)

Übersicht

Erscheinungsjahr: 2021
Regie: Lee Isaac Chung
Drehbuch: Lee Isaac Chung
Cast: u. a. Steven Yeun, Han Ye-ri, Youn Yuh-jung

Trailer


Der Film läuft am Dienstag, den 24. Mai um 19 Uhr im Unikino in HS 2 im Original mit englischen Untertiteln.
Der Einlass beginnt um 18:30 Uhr. Es gilt die Maskenpflicht.

Der Autor dieser Kritik ist Teil des Unikinos.
Weitere Informationen und das Programm für das Sommersemester unter Unikino – AStA Universität Lüneburg.


Neu hier? Vorstellung zu Ruben’s Cinematic Universe.

Letzter Beitrag: Filmtipp: Last Night in Soho

Foto: ©Ruben Schmidt


Eine bereits veröffentlichte Kurzvorstellung des Films MINARI findet ihr im Beitrag unter Aktuelle Filme im Scala (inkl. Univativ Filmkritik).