Filmtipp: Last Night in Soho | Ruben’s Cinematic Universe

Schmeißt euch in Schale und dreht die Lautstärke auf! Der (Alb-)Traum der Vergangenheit wartet.

Inhalt

Ellie zieht vom Land nach London, um dort am London College of Fashion zu studieren. Die Musik und den Stil der Swinging Sixties im Gepäck, wird sie bei ihrer Ankunft in der Großstadt allerdings mit einigen Problemen konfrontiert. Als sie bei einer alten Dame ins Dachgeschoss einzieht, öffnet sich für Ellie eine Tür ins London der 1960er Jahre. Doch aus dem wahr gewordenen Traum entwickelt sich schnell ein wahrer Albtraum.

Stilsicher für Augen und Ohren

Edgar Wright gehört neben Quentin Tarantino wohl zu einem der stilsichersten Regisseure der Gegenwart. Seine Filme zeichnen sich durch einen eigenen visuellen Stil aus, der sich verschiedener Techniken bedient, um visuellen Humor zu erzeugen oder Gespräche und Informationen ansprechend in Szene zu setzen. Dazu gehören unter anderem eine dynamische Kameraführung, die Bewegungen folgt, schnelle Zooms auf zum Beispiel Gesichter oder abrupte Schnitte. Darüber hinaus beweist der Regisseur und Co-Drehbuchautor einen ganz besonderen Musikgeschmack, den er in seinen Filmen zum Ausdruck bringt. Häufig sind ganze Szenen penibel auf die zu hörende Musik abgestimmt. Zu guter Letzt bedient er sich bei seinen persönlichen Vorbildern der Popkultur, die er mal mehr und mal weniger direkt zitiert.

Mehr über Edgar Wright und seinen einzigartigen Stil gibt es auf YouTube im Videoessay Vom coolsten Regisseur unserer Zeit von BeHaind.

Aus dem Alltag der Gegenwart …

LAST NIGHT IN SOHO ist nun Edgar Wrights neuester Streich und bildet in Bezug auf seine künstlerischen Merkmale keine Ausnahme. Zunächst liefert der Film das, was seine Ausgangslage verspricht. Mit dem Umzug nach London und dem Studienbeginn erhofft sich Ellie einen Neuanfang. Doch mit ihrem eigenwilligen Stil und vor allem ihrem musikalischen Geschmack findet sie nur schwer Zugang zur neuen Welt, die vor ihr liegt. Beide Eigenheiten hat sie wohl von ihrer Großmutter übernommen, bei der sie aufgewachsen ist.

Gerade für junge Menschen in ähnlichen Situationen machen der Film und besonders die Darsteller:innen die Begeisterung, aber auch die vermeintlich unvermeidlichen Enttäuschungen und Herausforderungen dieses Wandels nahbar. Wer wünscht sich da nicht manchmal dem alltäglichen Leben zu entfliehen? Die Flucht in LAST NIGHT IN SOHO erfolgt dann konsequenterweise ins London der 1960er Jahre. Die Zuschauenden werden zusammen mit Ellie in diese fabelhafte Welt hineingezogen. Das Produktionsdesign hat in diesen Szenen hervorragende Arbeit geleistet und erschafft zusammen mit der virtuosen Kameraarbeit und der träumerischen Farbgestaltung eine einnehmende, historische Parallelwelt. Doch ist diese Welt wirklich so traumhaft wie sie scheint?

… in den Horror der Vergangenheit

Träume sind nicht immer traumhaft. In LAST NIGHT IN SOHO setzt Edgar Wright den Horror der Enttäuschung und des Erkennens mitunter wenig subtil, dafür umso spannender und furchterregender in Szene. Durch Parallelen zwischen Figuren der Gegenwart und der Vergangenheit verschmelzen die beiden Zeitebenen, was brutale und schockieren Auswirkungen hat. Dadurch entlarvt der Film in gewisser Weise das Gefühl der Nostalgie, auf das er noch zu Beginn selbst gesetzt hat. Im Gewand eines Coming-of-Age-Horror-Thrillers wird auf diese Weise unser Verhältnis zur Vergangenheit hinterfragt. In Filmen wird immer wieder, wie erst kürzlich WONDER WOMAN 1984, eine idealisierte Version vergangener Zeiten heraufbeschworen. Diese soll die Zuschauenden an die gute alte Zeit erinnern. Früher war eben alles besser, oder?

LAST NIGHT IN SOHO zeigt auf zugleich packende und verstörende Weise, dass Vergangenheit und Nostalgie mitunter auch tiefschwarze Schatten werfen. In Kombination mit den hervorragenden schauspielerischen Leistungen, dem stilsicheren Soundtrack und der stilvollen Ausstattung und Inszenierung können diese Aspekte darüber hinwegtrösten, dass das Ende des Films ein wenig gehetzt und zu Teilen auch vorhersehbar daherkommt.

(verfügbar als Video-on-Demand bei u. a. Amazon Prime und Apple TV)

Übersicht

Erscheinungsjahr: 2021
Regie: Edgar Wright
Drehbuch: Edgar Wright, Krysty Wilson-Cairns
Cast: u. a. Thomasin Mckenzie, Anya Taylor-Joy, Diana Rigg

Trailer


Der Film läuft am Dienstag, den 10. Mai um 19 Uhr im Unikino in HS 2 im Original mit englischen Untertiteln.
Der Einlass beginnt um 18:30 Uhr. Es gilt die Maskenpflicht.

Der Autor dieser Kritik ist Teil des Unikinos.
Weitere Informationen und das Programm für das Sommersemester unter Unikino – AStA Universität Lüneburg.


Neu hier? Vorstellung zu Ruben’s Cinematic Universe.

Letzter Beitrag: Filmkritik: Dune

Foto: ©Ruben Schmidt