Kommentar: Derzeit läuft die Prüfungsphase der Leuphana. Im Fokus stehen die Studierenden, die von Zuhause aus an den Prüfungen teilnehmen. Der Vorwurf lautet, alle würden schummeln und eine entsprechende totale Überwachung sei notwendig.
Ein Kommentar des Autors:
Studieren in Corona-Zeiten bedeutet, Zuhause bleiben und zwar für die Lehrenden als auch für die Studierenden – für eine Präsenzuniversität eine insgesamt herausfordernde Situation. Beide Seiten sitzen stundenlang vor dem Computer oder am Schreibtisch. Kurz vor Schluss hat die Leuphana entschieden, die Prüfungsphase im Februar/März in das digitale Format zu verlegen. Viele hatten in den Monaten zuvor auf Präsenzprüfungen gehofft, aber die dynamische Entwicklung der Pandemie zeigt, dass Prüfungen vor Ort nicht stattfinden sollen. Auch die Studierendenvertretungen und eine Petition forderte eine digitale Prüfungsphase. Das Thema von digitalen Prüfungen ist nicht neu, so gibt es bereits Fern-Hochschulen, die seit Jahren digitale Prüfungen unter Aufsicht (Proctoring) einsetzen, oft können die Studierenden zwischen einer Präsenzprüfung oder der digitalen Prüfung wählen.
Umsetzungsprobleme
An der Leuphana hätte man sich eigentlich seit dem ersten Lockdown im März 2020 intensiver mit dem Thema digitale Prüfungen auseinandersetzen können, um einen Plan in der Schublade zu haben für den aktuellen Lockdown. Aber so kam es nicht. Zwar wurden vereinzelt entsprechende Module umgestellt und Lehrende geschult für den Einsatz von beispielsweise EvaExam, aber ein Großteil der Prüfungen läuft via myStudy-Download und Zoom ab. Die Leuphana überließ den Lehrenden frei zu entscheiden, welches Format genutzt werden soll. Immerhin gelte in Deutschland nach Artikel 5 Grundgesetz die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre.
Überwachung der Studierenden
Kommen wir zum Grundproblem. Die fehlende Überwachung der Studierenden. Die Lehrenden argumentieren, dass die Studierenden mit digitalen Prüfungen ohne entsprechende Überwachung sofort schummeln würden und eine Vergleichbarkeit der Leistungen nicht mehr gegeben sei. Auch liege eine Störung der Chancengleichheit vor. Ein großes Misstrauen gegenüber den Studierenden wird ausgesprochen.
Gegen die Überwachung der Studierenden spricht, dass es bisher keinerlei rechtliche Grundlage gibt und auch das Einschalten der Kamera während der Prüfung unter Zoom ist freiwillig. Beim Thema Proctoring gibt es zahlreiche Kritik, wie datenschutzrechtliche Bedenken. Aus eigener Erfahrung bleibt eigentlich oftmals während der Prüfungssituation keine Zeit, die entsprechenden Materialien herauszusuchen und abzuschreiben.
Nun sind die ersten Prüfungen gelaufen und es gab bedenkliche Vorfälle. In einem Fall wurden Listen angefertigt, wo dokumentiert wurde, wer während der Prüfung die Kamera ein oder ausgeschaltete hatte. Verwendungszweck dieser Listen: Unbekannt. Eine kurzfristige Lösung können Open-Book-Klausuren mit einer Bearbeitungszeit von x Stunden sein, aber dies ist von vielen Lehrenden nicht gewollt.
Prüfungsformate
Eigentlich müsste man nicht die Frage stellen ob nicht die fehlende Überwachung das Problem ist sondern, das Format der Prüfung. Ist es Sinn und Zweck von Prüfungen nur das Auswendig gelernte wiederzugeben? Müssen alle Formeln auswendig gelernt werden? Nein, meint der Autor. Vielmehr komme es auf Transferwissen und Verständnis von komplexen Zusammenhängen an. Daher sollte man sich für die Zukunft die Frage stellen, ob nicht die Prüfungen mehr kompetenzorientierter sein müssen und nicht mehr nur das reine Bulimielernen fördern. Das kann aber nur funktionieren, wenn beide Seiten zusammenarbeiten. Die Lehrenden, die sich neue Formate überlegen und auch die entsprechenden Schulungsangebote in der Leuphana nutzen und sich für Veränderungen bereit erklären und die Studierenden, die sich regelmäßiger mit dem Stoff beschäftigen, statt nur am Ende des Semesters zu lernen. Außerdem stellt sich die Frage, ob es den Sinn und Zweck sei, Studierende aus den Studiengängen herauszuprüfen oder es am Ende nicht wichtiger ist, Studierende breit für den Arbeitsmarkt bzw. anschließendes Master-Studium weitergebildet zu haben.
Moralische Bedenken
Für viele mag die derzeitige Situation das Paradies für den Betrug sein. Dort können Klausuren gemeinsam mit mehreren in einen Raum geschrieben werden, alle Unterlagen liegen auf dem Schreibtisch parat, der Voice-Chat läuft oder sogar andere Menschen nehmen für einen an der Prüfung teil. Ist es moralisch richtig? Jeder muss es mit seinem eigenen Gewissen vereinbaren können, in einer Prüfung gelogen und betrogen zu haben. Die Schummelei und das Plagiat wird einen ein Leben lang begleiten. Wie andere Plagiatsaffären zeigen, kann es einen auch erst Jahre später treffen. Lieber eine zwei ehrlich erworben als eine eins mit spicken.
Für mehr Vertrauen
Die Corona-Pandemie bietet für beide Seiten neue Chancen. Wird es in Zukunft mehr Hybride-Formate geben, wo Studierende im Raum sitzen und andere auf der ganzen Welt zugeschaltet sind. Wie werden sich Lehrformate und Prüfungsformate weiter entwickeln.
Dies ist ein Kommentar des Autors zur aktuellen Situation rund um die Prüfungen.
Bild: Konferenz Workshop Iphone Smartphone Schreiben – (c) Pixabay