„Sicherer Hafen“ Light

Der Lüneburger Stadtrat erklärt die Hansestadt zum „Sicheren Hafen“, um auf Bundesebene die weitere Aufnahme geflüchteter Menschen zu erwirken. Die ursprünglichen Forderungen der Seebrücke jedoch werden durch den Änderungsantrag von SPD, CDU und FDP stark reduziert.

227 Städte haben sich in den letzten zweieinhalb Jahren auf Initiative der Seebrücke deutschlandweit als „Sichere Häfen“ deklariert. Damit bieten sie der Bundesregierung per Ratsbeschluss die Aufnahme geflüchteter Menschen über ihre gesetzliche Aufnahmequote hinaus an. So soll die Evakuierung geflüchteter Menschen von Seenotrettungsschiffen und aus den Elendslagern der Ägäischen Inseln vorangetrieben werden. Bereits seit zwei Jahren liegt auch dem Lüneburger Stadtrat ein entsprechender Antrag der Grünen vor. Nach einem langwierigen Aushandlungsprozess verabschiedete der Rat nun am Donnerstag den von SPD, CDU und FDP eingereichten Änderungsantrag, welcher die Forderungen der Grünen auf ein Mindestmaß reduziert.

Der ursprüngliche Antrag sieht einen umfassenden Katalog an Maßnahmen vor, der sich weitestgehend an den Forderungen des Seebrücke-Bündnisses orientiert. Von den zehn Forderungen übrig geblieben ist allein die bloße Willensbekundung zur weiteren Aufnahme geflüchteter Menschen gegenüber der Bundesregierung. Für alle weiteren Schritte fehlen, laut Stadtverwaltung, die notwendigen Befugnisse. Ein Großteil des Antrages jedoch beinhaltet Maßnahmen, die durchaus im Kompetenzbereich der Stadt Lüneburg liegen. Dazu zählt unter anderem die Teilfinanzierung eines zivilen Seenotrettungsschiffes und der Einsatz für ein humanitäres Aufnahmeprogramm auf Landesebene sowie für eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes, um Kommunen größere Spielräume in der Aufnahme geflüchteter Menschen zu ermöglichen.

Die Aktivist_innen der Seebrücke, welche seit August 2018 auch in Lüneburg auf die Straße gehen, bewerten die Entscheidung als „kleine[n] Schritt in die richtige Richtung“. Ob Lüneburg damit nun den Kriterien eines „Sicheren Hafens“ genüge, sei jedoch fraglich.

Entgleisungen über „Sicherheitsproblem“

Anstatt die katastrophalen Zustände auf Lesbos und dem Mittelmeer zu thematisieren, nutzte Dirk Neumann (AfD) die Ratsdiskussion, um ein vermeintliches Integrationsdefizit in Lüneburg zu beklagen. Die „mangelnde Akzeptanz der Gleichberechtigung von Frauen [und] alternativer Sexualität[en]“ sowie der angeblich verstärkte Antisemitismus unter geflüchteten Menschen, schien den Ratsherren der sonst – zumindest in Teilen – extrem rechten Partei zur Verwunderung der Zuschauer_innen besonders zu besorgen. Auch Bürgermeister Ulrich Mädge (SPD) schloss sich dieser Rhetorik an und sprach von einem „Sicherheitsproblem“, welches von „schwarzen Schafen“ innerhalb der Schutzsuchenden ausginge. Dabei bezog er sich unter anderem auf den rassistischen Anschlag in Hanau 2020, wofür er breites Unverständnis im Publikum erntete. „Das ist eine Täter-Opfer-Verdrehung wie im Bilderbuch“, so Ratsherr Podstawa von der Linksfraktion.


Foto: Seebrücke Lüneburg

Hanno Hinrichs

Schreibt über Politik, Gesellschaft und Protestkultur

Alle Beiträge ansehen von Hanno Hinrichs →