Sich in Harmonie zoffen bis die Fetzen fliegen. Streit ist etwas, das wir täglich erleben. Manchmal diskutieren wir, ein anderes Mal zoffen wir uns, dass die Fetzen fliegen. Wer streitlustig ist, wird schnell als Streithahn, Streithammel oder Streithansel bezeichnet. Überhaupt findet man im Lexikon so viele unterschiedliche Begriffe mit dem Wort Streit als Bestandteil, dass man schnell den Überblick verliert.
Doch wie kommt es dazu? Warum ist der Streit bei uns in Deutschland so ein großes Thema? Kann man sogar von einer Streitkultur sprechen, die von Außenstehenden wahrgenommen wird? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, haben wir Interviews mit Freunden geführt, in dessen Heimatländern manchmal anders gestritten wird als bei uns.
„In China ist eine Meinungsverschiedenheit häufig unüberhörbar, denn es gewinnt immer derjenige, der am lautesten ist“, meint Jing, eine Austauschstudentin aus Shanghai. „In Deutschland verhalten sich die Menschen etwas zurückhaltender. Sie drücken zwar ihre Gefühle aus, fangen aber nicht an zu schreien.“ Diese Aussage mag verwundern, verbinden doch viele Europäer China eher mit Harmonie- Streben und vollendeter Höflichkeit. Doch Jing hat schon viele hitzige Diskussionen, beispielsweise um Preise auf dem Markt, mitbekommen. Auch auf Shanghai‘s Straßen hat sie schon häufig erlebt, dass ihre Mitmenschen sich wegen Kleinigkeiten streiten. Linlin, ein anderer Student aus Shanghai, sieht das anders: „Normalerweise streiten wir uns nur, wenn es um wichtige oder dringende Dinge geht. Aber abhängig vom Charakter kann es auch sein, dass sich jemand über Kleinigkeiten aufregt.“ Wichtig ist dabei offensichtlich nur, dass jeder seine Würde bewahren möchte. „Niemand möchte sein Gesicht verlieren. Deshalb bestehen wir häufig noch auf unseren Standpunkt, auch wenn uns schon längst klar geworden ist, dass wir unrecht haben“, erklärt Linlin.
Mario, ein mexikanischer Student, erzählt von lauten Auseinandersetzungen in seinem Heimatland. Dort sei es üblich, Schimpfwörter und wilde Gestiken zu verwenden. Im Gegensatz zu den Beispielen aus China bestätigt diese Aussage unsere Vorstellungen. Lateinamerikanische Menschen gelten bei uns häufig als sehr temperamentvoll und aufbrausend. Es hat Mario jedoch überrascht, dass man in Deutschland Probleme häufig direkt anspricht. Selbst bei engen Freunden ist es in Mexiko üblich, Dinge zu vertuschen oder indirekt Hinweise zu geben, damit man trotzdem höflich bleibt. In Deutschland sei die Grenze des Höflichen jedoch niedriger, sodass man ohne Angst Probleme direkt ansprechen kann, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.
Die Beispiele zeigen verschiedene Wahrnehmungen von Streitkulturen in Deutschland und der ganzen Welt. Gibt es aber einen typisch deutschen Streit? Diese Frage kann pauschal nicht beantwortet werden. Letztendlich muss sich jeder selber fragen: Wie laut, höflich oder respektvoll bin ich beim Streiten? Muss ich wirklich auf meinem Standpunkt beharren? Wir sind gespannt und wünschen euch viel Ruhe, damit der Zoff verfliegt.
Von Anna-Lena Gundelach und Jennifer Martin