Reisebericht von der großen Exkursion nach Mali. Wer einmal in Afrika war, wird den Geruch nicht mehr vergessen. Nach Staub, Hitze, Benzin, Schweiß und tausend anderen Dingen, die zusammen angenehmer riechen, als es sich anhört. Er wird auch nicht mehr vergessen, wie viel Staub man in der Nase, den Ohren und an den Füßen haben kann. Am wenigsten wird er vergessen, wie sehr einen diese andere Welt vom ersten Moment an gefangen nimmt – das Farbrauschen in den Städten und die weiße Hitze im Nirgendwo dazwischen.
Ab und zu scheint all das schon zu einer surrealen Erinnerung geworden zu sein, so schnell hat der Alltag uns wieder eingespannt. Aber oft genug sind wir auf einmal wieder da, wenn beim Smalltalk im Bus die Frage fällt: „Und, wie war Mali?“ und sich im Kopf die Bilder überschlagen. „Gut“, sagen wir dann meistens, weil mehr hier nicht hinzupassen scheint, weil der Andere mit diesem einen Wort zufrieden ist. Tatsächlich ist es schwer, diese Reise zu beschreiben, die bei allen von uns tiefen Eindruck hinterlassen hat. Und bei den meisten auch den Wunsch, zurückzukehren.
Am ersten Tag in Bamako sind wir ebenso sprachlos. Wir werden überschwemmt von Bildern und versuchen krampfhaft ein System in das Chaos zu denken – Hütten, Autos, Menschen überall. Die Straße ist Möbelhaus, Gärtnerei und Ersatzteillager zugleich, über uns der Smog, um uns herum der Geruch von Schmalzgebäck. Winterweiß und verzagt unter all den dunkelhäutigen Menschen sind wir furchtbar fremd, aber das vergeht. Wir tasten uns langsam heran an Mali, mit Gesprächen in der deutschen Botschaft und beim ded, wo man uns von fehlender Infrastruktur, guter Entwicklungszusammenarbeit und dem ausgeprägten Konsensbewusstsein seiner Bewohner berichtet. Davon können wir uns schnell selbst überzeugen, denn wir werden überall herzlich empfangen. Zum Beispiel von unseren beiden Fahrern Oumar und Mohammed, die uns in einem alten Mercedes-Bus mit Window-Color Biene-Majas durch das ganze Land kutschieren und jede Panne irgendwie beheben. Oder in dem kleinen Dorf nahe Bamako, wo wir ein erfolgreiches Staudammprojekt besichtigen sollen und am Ende im Chor „An der Nordseeküste“ vorsingen und mit den Frauen zu Trommelmusik tanzen, während die Dorfältesten unter dem großen Baum im Schatten liegen. Hört sich an, wie das schönste Klischee und ist in Wirklichkeit die ergreifende Erfahrung, dass Verstehen keine Worte braucht. Immer wieder sind wir berührt von der Gastfreundlichkeit, die auch bei einer Gruppe von über 20 Personen grenzenlos ist. Wir kommen in den Genuss des einheimischen Essens, das wir mitunter aus einer großen Schüssel mit der (rechten!) Hand in den Mund schaufeln. Meistens gibt es Reis mit Erdnusssauce, einmal aber auch Hirsepudding mit Baobab- Schleim, der unsere Höflichkeit auf eine harte Probe stellt. Ein anderes Mal richtet man uns spontan eine Tafel auf einer Verkehrsinsel her.
Auf der Weiterreise gewöhnen wir uns immer mehr an die Gegebenheiten, die ständigen Straßenbarrieren, an denen wir (Schmier?)Geld zahlen müssen und die zahllosen Kinder, die uns ständig umringen, sobald wir den Bus verlassen. „Donnemoicadeau!“ lautet die ständige Begrüßung. Das Programm ist straff, aber die Begegnungen entschädigen jeden Tag wieder für das Schwitzen und die Erschöpfung, die sich langsam breit macht. In Niono werden wir in die technischen Finessen ökologischfortschrittlicher Toiletten eingeweiht und erfahren von drei beeindruckenden Politikerinnen, wie sie bei ihren Männern persönliche Freiheit gegen Geschenke erkaufen. In Djenné laufen wir über den bekannten Markt, wo man von Radios über Schraubenzieher, Fischbrühwürfel, Schuhe und Kuhschädel, bis hin zu Schutzamuletten alles kaufen kann. Wir dürfen ein Lehmhaus von innen anschauen und staunen oben auf dem Dach über den großartigen Ausblick auf die ganze Stadt, der einen überraschenden Kontrast zu der Enge und Verschlossenheit der Gassen bietet. In Timbuktu reitet ein Teil der Gruppe auf Kamelen durch die Wüste und ist bei der Familie von Mohammed zu Gast, während der andere Teil von uns im Dogonland die Falaise hinunterwandert und ein Zentrum für traditionelle Medizin besucht.
In Mopti laufen wir an Bergen von stinkendem getrockneten Fisch und „Mr. Good Price“ vorbei zum Bani Fluss. Aus einer entspannten Pirogenfahrt wird ein Besuch in einem Fischerdorf, wo uns die schon fast aufdringliche zur Schaustellung des Privaten mit Unbehagen erfüllt. Hier wird uns zum ersten Mal klar, wie privilegiert wir reisen, da wir Mali selten aus der Perspektive des typischen Touristen sehen, sondern uns vor allem durch den Dialog das Land erschließen. Dabei sind wir tief beeindruckt von dem Engagement der vielen NGOs, die für Abfallentsorgung, Wasserversorgung und Aidsaufklärung sorgen und somit einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Landes leisten. Auf der anderen Seite erschreckt uns die allgegenwärtige Armut, die uns durch einfachste Hütten, staubige Pisten und bettelnde Kinder entgegenblickt und mit der wir nicht umzugehen wissen. Immer wieder diskutieren wir die Ursachen und Handlungsmöglichkeiten und scheitern an ihrer Komplexität. Diese Gegensätze sind wohl die Essenz unserer Reise, die Armut und die Gastfreundschaft, der Respekt vor kulturellen Unterschieden und die herzliche Offenheit.
Die vielen unterschiedlichen Gespräche ermöglichten es uns, ein sehr vielschichtiges Bild von Mali zu erhalten und neben Tuaregschals, Schmuck und Erdnussöl haben wir eine neue Sensibilität für das Fremde mitgenommen und die Erkenntnis, dass unsere Sicht der Dinge nur eine Möglichkeit neben vielen anderen ist.
Deshalb werden wir auch nicht verstehen, warum das Afrika Monument in Bamako vornehmlich als Toilette genutzt wird, und warum am Flughafen für die 30 Meter zwischen Flugzeug und Wartehalle ein Schuttleservice existiert. Das ist Afrika!
Friederike Brumhard, Mirjam Krüger und Melanie Kühl