Wenn du Gerten nur vom Reiten kennst, Kerzen für dich lediglich romantische Stimmung machen, Obst und Gemüse in die Küche gehören und du Play Room mit Kinderzimmer verbindest, helfe ich gerne dabei, deinen Horizont zu erweitern. Gestatten, ReFa und willkommen zu „Ingwer&Eis“, die zweiwöchige Kolumne für Sex, Liebe, Leidenschaft. Ich freue mich immer über Themenwünsche – mailt einfach an univativ@leuphana.de oder schreibt uns auf Instagram. Die ersten Artikel dieser Kolumne drehen sich um BDSM, beziehungsweise die gesamte Subkultur der Kinkster. Das heutige Menü: eine kleine Einführung in die Subkultur, abgerundet durch die wichtigste Grundregel: SSC.
Spätestens seit Fifty Shades of Grey befeuern BDSM, Augenbinden und Handschellen auch die Fantasien der „Vanillas“ – sprich des sexuellen Mainstreams. Händler wie Amorelie oder EIS.de haben längst eine eigene Bondage-Kategorie. Dennoch sind Menschen, die hin und wieder mal die Handschellen auspacken, nicht gleich Kinkster.
Was ist BDSM? Was ist ein Kinkster?
Der eine wird gerne ausgepeitscht, ein anderer liebt Lack und Leder und sie spielt gerne die katholische Klosterschülerin. Jeder hat einen anderen Spleen. Der Reiz liegt für die meisten in den Machtgefügen im Spiel oder der körperlichen Erfahrung – für viele ist es beides.
Es gibt keine universelle Definition, ab wann man kinky ist – lediglich eine relative. Hinter dem Begriff verbirgt sich alles was aus der gesellschaftlichen Norm fällt. Normen sind jedoch immer subjektiv. Der Abkürzung BDSM liegen drei Bedeutungen inne:
- Bondage & Discipline
- Dominance & Submission
- Sadism & Masochism
Die meisten Kinkster mischen verschiede Aspekte und oder Fetische. Wir kommen grundsätzlich aus allen gesellschaftlichen Schichten. Gängige Klischees sind, dass Dominante auch im öffentlichen Leben dominant sind, oder, dass Manager gerne mal die Kontrolle vollständig an eine Domina abgeben. Diese Vorurteile sind jedoch genau das: Vorurteile. Grundsätzlich kann jeder alles sein. 24/7 Beziehungen, bei denen BDSM dauerhaft gelebt wird, sind eher die Seltenheit.
Das Spiel
Neben dem heimischen Schlafzimmer – oder auch mal der WG-Küche – gibt es Dungeon- und BDSM-Partys, auf denen wir unserem Spieltrieb folgen können. Letztere bieten vor allem die Möglichkeit, Toys zu nutzen, welche Zuhause eher spärlich gesät sind, wie Andreaskreuze (X-förmige Kreuze mit Ösen, zum Fixieren) oder auch Suspension-Points zum Aufhängen oder anbinden des Partners.
Das Spiel selbst teilt sich dabei in physische und psychische Aspekte auf. Zu letzteren gehört z.B. Fear-Play. Es geht darum, einen Bottom (Submissive) gezielt in Angst zu versetzen und zu kontrollieren. Die Ausgestaltung kommt dabei auf den jeweiligen Partner an – grundsätzlich eignen sich Reitgerten, eine Fremd- oder Phantasiesprache sowie eine Priese Willkür exzellent. Wichtig: Die Grenzen des Partners sind immer zu beachten! Jede Scene ist eine physische und psychische Belastung. Umso wichtiger ist es, den Partner nach dem Spiel emotional aufzufangen, bis man wieder stabil und ausgeglichen ist: Aftercare is the Key!
Den körperlichen Aspekten setzen nur die Fantasie gepaart mit einem gesunden Menschenverstand die Grenzen. Nutzt bei der Umsetzung eurer Fantasien was ihr habt! Spanking, Beißen, Kratzen sind ein guter Anfang. Fesseln kann man mit fast allem: Seil, Krawatte, Handschellen. Beliebt sind auch Reitgerten, Peitschen, Paddel – sie haben ein anrüchiges Flair und strahlen Dominanz aus. Sicherheit steht immer an erster Stelle: nutzt also niemals Kabelbinder. Was einige außer dem Kochen noch an der WG-Küche fasziniert: Frischhaltefolie ist hervorragend, um einen Monohandschuh zu basteln – by the way, Kochlöffel brechen erstaunlich leicht.
Das Fundament – Save, Sane, and Consensual
Der Grundstein der Community beruht auf dem Einverständnis aller Beteiligten. Was sich selbstverständlich anhört, wird durch das Motto „Save, Sane, and Consensual“ (SSC) nochmals betont. Es dürfen nur Praktiken angewendet werden, die sicher (Save) sind. Alle Beteiligten müssen geistig vollständig anwesend (Sane) sein und ihr Einverständnis (Consent) geben. Das gegenseitige Einverständnis im nüchternen Zustand unterscheidet SM und andere Kinks von sehr ernstzunehmenden Straftaten wie Vergewaltigung oder (häuslicher) Gewalt.
Neben SSC gibt es noch RACK (risk-aware consensual kink). Hier liegt mehr Eigenverantwortung beim Individuum. Der Grundgedanke ist, dass grundsätzlich keine Praktik als sicher bezeichnet werden kann und Grenzen entsprechend variabel sind. (Für Anfänger weniger zu empfehlen.)
Der dominante Partner muss die Limits seines Gegenübers kennen und respektieren, entsprechend sollte der submissive Partner seine Limits vor der Play-Time klar kommunizieren. Generell kann jeder jederzeit sein Einverständnis wiederrufen oder durch ein Safeword alles beenden. Der Klassiker ist die Ampel: Orange für ein Limit und Rot für sofortigen Stopp. Generell muss ein Safeword kurz, prägnant und eindeutig sein. Andere Klassiker sind Ananas und Einhorn.
Etikette – der kultivierte Kinkster
Wer glaubt, dass wir ein unkultivierter Haufen sind, der irrt gewaltig. Prolls haben bei uns nichts verloren. Wer auf ein Event gehen möchte, muss sich auch zu benehmen wissen – andernfalls gibt es eine Verwarnung oder auch ein Hausverbot.
Der Dresscode sorgt für die gewünschte Stimmung und dient zur Orientierung: Wer neu ist, trägt am besten schwarz – ob rockig oder schlicht, slutty oder zahm ist einem selbst überlassen. Allzu bunt sollte es aber nicht werden. Erkennungszeichen sollte man nur benutzen, wenn man sich sicher ist, was sie bedeuten. Ein Halsband sieht zwar cool aus, markiert euch aber eindeutig als submissiv. Euer Handy bleibt am besten gleich in der Tasche: Fotos sind auf Veranstaltungen grundsätzlich untersagt.
Auch wenn die Atmosphäre ungezwungen wirkt, gibt es eine klare Etikette. Respekt ist das A und O – einer fremden Person einfach auf den Arsch zu hauen oder sie an anderen intimen Stellen zu berühren, ist ein No-Go. Nur weil andere etwas dürfen, gibt es euch in keinem Fall das Recht, das gleiche zu tun. Grundlegend gilt: Fragt lieber einmal zu viel, bevor ihr jemanden oder dessen Besitz (incl. Toys) berührt. Wenn ihr euch an diese Dinge haltet, seid ihr schneller dabei als ihr euch euer Safeword überlegen könnt.
Titelbild: Wikipedia, CC Lizenz