Maastricht - (c) Jana Rauterberg

Freundschaften im Auslandssemester: Freund:innen auf Zeit oder fürs Leben?

Ein Monat Semesterferien nach meinem Auslandssemester in Maastricht. Endlich mal ist wenig zu tun und ich beginne, mein Leben zu reflektieren. Besonders oft denke ich über die Freundschaften nach, die in diesem halben Jahr im Ausland entstanden sind: Werden mich diese Freund:innen auch über das Kapitel „Auslandssemester“ hinweg begleiten?

Damit ihr mein Auslandssemester besser einordnen könnt, hier ein paar Hintergrundinformationen: Ich studiere den “International Joint Master of Research in Work and Organizational Psychology“ – ein Master, der in Maastricht beginnt, in Lüneburg und Valencia weitergeht und im vierten Semester in einer der drei Städte endet. Alle Studierenden dieses Masters ziehen zum Semesterwechsel gemeinsam um. Da der Studiengang sehr klein ist (wir sind nur elf Leute) und wir dadurch sehr eng miteinander sind, würde ich alle meine Kommiliton:innen als Freundesgruppe bezeichnen. Ich befinde mich damit in der Situation, dass viele meiner Freund:innen mit mir von Maastricht nach Lüneburg umziehen, worüber ich sehr froh bin. Aber was ist mit meinen Freund:innen, die nicht mit mir studieren und von denen ich mich aufgrund des Umzugs nach Lüneburg verabschieden musste? Im Folgenden werde ich meine Freundschaft mit Maja (Name geändert) beschreiben, da es die Freundschaft ist, an deren Erhalt mir am meisten liegt. Am Ende versuche ich, die Weiterführung von Auslandsfreundschaft im Allgemeinen zu reflektieren.

Maja und ich – eine besondere Freundschaft

Maja war eine Mitbewohnerin aus meiner WG in Maastricht. Mit ihr hatte ich eine andere Verbindung als mit meinen übrigen Mitbewohner:innen: Obwohl ich mit diesen meist spontan redete, wenn ich sie in der Küche oder im Flur traf, ging es meistens nicht über diese zufälligen Begegnungen hinaus. Die Interaktionen mit Maja hingegen bestanden aus mehr als diesem Verlegenheitssmalltalk. Wir verabredeten uns zum gemeinsamen Sport, zum Salsa, zum Lernen in der Bibliothek und gingen zusammen feiern.

Zum Ende des ersten Semesters musste ich wegen meines auslaufenden Mietvertrags nach Aachen umziehen. Schon beim letzten Abendessen mit meiner WG sagte Maja, es sei doch hoffentlich nicht das letzte Mal, dass wir uns sehen. Ich reagierte darauf mit dem Vorschlag, sich vor meinem Auszug aus Aachen noch einmal in Maastricht zu treffen. Maja war interessiert, und so trafen wir uns einen Tag vor meiner Heimreise zum Mittagessen in Maastricht.

Während wir zu Mittag aßen, diskutierten wir eifrig – zum Beispiel über eine unserer Mitbewohnerinnen, die immer in Chaos verwickelt war. Wir stellten uns die Frage, ob diese Mitbewohnerin das Chaos anziehe oder ob ihre mangelnde Emotionsregulation dazu führte, dass sie kleine Probleme aufbauschte und es so wirke, als sei ihr Leben ein Chaos. Nach dem Essen spazierten wir durch die Straßen von Maastricht und fanden eine rote Rose auf dem Boden. Ich meinte, es sei doch nicht normal, dass sie da einfach liege. Nachdem Maja die Rose aufgehoben hatte und ein Mann ihr dafür dankte, fantasierten wir über das Liebesdrama dieses Mannes und seiner möglichen Freundin, die ihm soeben einen Korb gegeben hatte. Noch mehr als sonst wurde mir klar, wie gut wir in den Gesprächen und Albernheiten harmonierten und wie viel Energie ich aus den Treffen mit ihr schöpfte. Ein Zeichen dafür, wie viel wert mir unsere Freundschaft war.

Als letzten Punkt an unserem Abschiedstag zeigte Maja mir zum ersten Mal das University College Maastricht, wo sie studierte. Ich konnte mir ein Bild davon machen, wie sie dort ihre Uniaufgaben erledigte und sich mit Leuten umgab, die – für das College typisch – ein alternatives Leben führten. Gleichzeitig begeisterten mich Maja und ihre Kommilitonin:innen mit ihrer Offenheit gegenüber anderen. In diesem Moment wurde ich emotional, da ich anfing, meine Freundin und ihren Alltag besser kennenzulernen, das weitere Kennenlernen aber durch meinen Umzug einen Tag später unterbunden wurde. Zum Abschied stellten wir fest, dass wir die einzigen aus der Maastrichter WG gewesen waren, die die sich über das bloße Zusammenwohnen hinaus angefreundet hatten und dies sehr zu schätzen wussten. Lose boten wir einander an, uns später mal in Maastricht oder Hamburg/Lüneburg zu besuchen.

Im Nachhinein habe ich gemerkt, dass Maja eine Person darstellte, mit der ich auf einer Wellenlänge war, mit der ich ich selbst sein konnte und deren Anwesenheit mich sehr bereicherte. Mit ihr verbindet mich eine Freundschaft, an der mir sehr viel liegt und die ich gern weiterführen würde. Gleichzeitig bleibe ich realistisch: Maastricht und Lüneburg sind weit voneinander entfernt – mit der Bahn mindestens sechs Stunden. Für ein Treffen muss man viel Zeit und Kosten investieren. Werde ich so etwas auf mich nehmen? Und wäre ich ihr eine solche Anstrengung wert?

Kommunikation bis zum nächsten Treffen

Wenn jemandem viel an der Auslandsfreundschaft liegt und von der anderen Seite das Interesse an weiterem Kontakt erwidert wird, kann sich die Mühe, die Freundschaft am Laufen zu halten, absolut lohnen! Am besten eignen sich meiner Meinung nach Telefonate, um einander auf dem Laufenden zu halten, was bei dem:der anderen jeweils passiert und was dem:der anderen auf der Seele brennt. Instagram oder andere Social Media Plattformen können ergänzend dazu beitragen, Einblicke in das derzeitige Leben der Freund:innen zu bekommen. Im Gegensatz zu bild-/videofokussierten Plattformen können Messenger helfen, sich tiefgründiger auszutauschen. Aber wie viel man letztendlich per Textnachricht über Freund:innen erfährt, kommt auf deren Schreiblust an.

Medien wie Handys sind auf jeden Fall sinnvoll und vielleicht sogar notwendig, um Freundschaften auf Distanz aufrechtzuerhalten. Wiedertreffen sind für mich zumindest aber notwendig, damit an der Qualität der Freundschaft nichts verloren geht. Gemeinsame Erlebnisse – seien es schöne, witzige oder schwierige – festigen die Freundschaft, das gegenseitige Vertrauen und können motivieren, nach dem Treffen mehr in die Pflege der Freundschaft zu investieren. Wenn beim Schreiben oder Telefonieren das Thema Wiedersehen aufkommt, am besten statt loser Zusagen Treffen gleich so konkret wie möglich planen, damit es tatsächlich zustande kommt.

Es kommt auf beide an

Aber was ist, wenn der:die andere kein Interesse an einer weiteren Freundschaft zeigt? Wenn Nachrichten etwa sehr kurz beantwortet werden, keine Gegenfragen gestellt werden und von selber kein Kontakt initiiert wird? Dann würde ich dazu raten, dies bei dem:der Freund:in direkt anzusprechen: Sagt zum Beispiel, dass ihr beobachtet habt, dass die Person den Kontakt selten initiiert. Daher würdet ihr gerne wissen, wie die andere Person zu eurer Freundschaft steht. Das ist zwar direkt, aber nach der Antwort wisst ihr dann, woran ihr seid. Das Enttäuschendste ist langfristig, immer die Person zu sein, die den Kontakt sucht – in der Hoffnung, die Freundschaft noch am Laufen halten zu können –, wenn die Kontaktversuche nur ins Leere führen.

Böse sein sollte man Freund:innen aus dem Auslandssemester, welche die Freundschaft nicht weiterführen wollen, jedoch nicht. Es gibt einfach Personen, für die das Studieren im Ausland ein abgeschlossenes Kapitel bedeutet. Sie haben die Freundschaft mit dir wahrscheinlich genossen und es liegt wohl nicht an dir, dass sie mit dir nicht länger befreundet sein möchten. Für manche Personen funktionieren Freundschaften nicht online, sondern nur persönlich. Und das gilt es, zu akzeptieren. Gleichzeitig könnt ihr immer noch dankbar für die schöne Zeit sein, die ihr mit dem:der Freund:in verbracht habt und wie die Person euer Auslandssemester positiv geprägt hat.

Insgesamt ist es mit der Aufrechterhaltung von Auslandsfreundschaften ähnlich wie mit dem Führen einer Fernbeziehung: Wenn beide nur genug wollen, lässt sich der Kontakt auch über Distanz halten. Die damit verbundenen Anstrengungen werden sich lohnen, denn so gewinnt man Freund:innen fürs Leben von unsagbarem Wert. Wenn die Investitionen in die Freundschaft jedoch nur einseitig sind, war die Auslandsfreundschaft eine Freundschaft auf Zeit, die jetzt ein Ende genommen hat. Umso wichtiger ist es dann, sich für die Freundschaften einzusetzen, die Potential haben.


Foto: Maastricht – (c) Jana Rauterberg