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Buchtipp: Die Elenden – Warum unsere Gesellschaft Arbeitslose verachtet und sie dennoch braucht

Armut in Deutschland: Das Buch von Anna Mayr zeigt, was es wirklich heißt arbeitslos zu sein und warum das gerne vergessen wird.

Es geht um ein unangenehmes Thema. Ein Thema das an Vielen, die die Universität besuchen, vorbeizieht: Die Arbeitslosigkeit.

Anna Mayrs Eltern sind beide langzeitarbeitslos, für sie bedeutete das ein Aufwachsen in Armut.  Die heutige Journalistin erzählt ihre persönliche Geschichte, die gleichzeitig das Schicksal vieler Arbeitsloser in Deutschland ist. Doch dies ist keine Erzählung über eine tragische Kindheit und schwere Schicksalsschläge; es ist vielmehr ein Aufweckruf an alle, die noch nie in Armut gelebt haben und vom Deutschen Staat abhängig waren. Und es ist ein Versuch gegen gesellschaftliche Vorurteile und etablierte Ansichten vorzugehen: Hartz-IV-Empfänger, die Schmarotzer, die Ungebildeten, die mit den geschmacklosen Kleidern und Nicht- Wähler unserer Gesellschaft.

Wer sind überhaupt „Die Arbeitslosen“?

Was niemanden überraschen sollte: Arbeitslosigkeit kann jeden treffen. Die Abiturientin, die nicht weiß, was sie in ihrem Leben machen will und erstmal ein Jahr mit dem Geld ihrer Eltern auf Reisen geht. Die Alleinerziehende Mutter, die ihren Job als Krankenpflegerin aussetzt um sich um ihre Kinder zu kümmern. Der Geflüchtete, der auf seine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung wartet, damit er sich einen Job oder eine Ausbildung suchen kann. Der Familienvater, der Aufgrund von Corona seinen bisherigen Job verloren hat und sich nun plötzlich gegen alle anderen jungen Bewerber_innen auf dem Arbeitsmarkt durchsetzen muss. Oder eben Menschen, die Hartz IV beziehen und keine Perspektive auf einen Job haben, vor allem nicht auf einen mit Aufstiegschancen.

Mayr will klarstellen: Unsere Gesellschaft braucht Arbeitslose. Oder Menschen, die die ganzen „Mistjobs“ machen, um zu verhindern, zu Arbeitslosen zu werden. Denn Arbeitslosigkeit ist wie ein Damoklesschwert, das über jedem hängt, der sich von Kurzarbeit zu Kurzarbeit hangelt. Schließlich ist es gesellschaftlich immer noch besser angesehen, sich kaputtzuarbeiten, als Arbeitslosengeld zu beziehen. Das war für Viele schon vor der Corona Pandemie schwer zu bewältigen.

Auch wenn sie uns manchmal nervt oder stresst, Arbeit ist das, was uns ausmacht. Sie gehört zu unserer Identität: Sie bestimmt wo wir wohnen, wann wir frei haben, welche Güter wir besitzen, wie viel wir ausgeben und uns  ausnahmsweise mal gönnen, wann und wohin wir in den Urlaub fahren und sogar wie wir uns kleiden und  verhalten. Diese Identität wird durch die Medien verstärkt abgebildet, auch die der Arbeitslosen. Viele Klischees werden zum Beispiel durch Trash TV- Sendungen nur noch mehr verstärkt, „Hartz und herzlich“ und „Armes Deutschland“ lässt grüßen. Doch ist es letztendlich das, was die restliche Bevölkerung sehen will: Menschen, die sich auf Steuergeldern ausruhen, aber sich davon nicht mal eine neue Spülmaschine leisten können. Pech, wer nicht arbeitet, kann auch mit der Hand abwaschen!

Jede_r definiert sich durch das, was er oder sie tut, doch wie definiert sich jemand, der den ganzen Tag „nichts tut“? Welche Berechtigung hat jemand, der keine Arbeit hat, ein neues Hobby anzufangen? Eine Familie zu gründen? In den Urlaub zu fahren? Sollte sich dieser Mensch nicht zuerst eine Arbeit suchen?

Es ist keinesfalls so, dass die Mehrzeit, die den Arbeitslosen zur Verfügung steht, einen erholenden Faktor hat: Arbeitslosigkeit führt öfter zu Einsamkeit, Essstörungen, Alkoholsucht und Depressionen. In unserer Gesellschaft muss die freie Zeit, die man zur Verfügung hat, verdient sein. Alles andere ist einfach nur faul.

Anschaulich zeigt Mayr auf, dass die Arbeitslosen keine einheitliche Gruppe bilden, die eine politische Meinung haben, oder sich zusammenschließen um für ihre Rechte zu kämpfen. Es sind viele, aber sie werden von der Gesellschaft häufig vergessen, da sie weniger am öffentlichen Leben teilhaben, als die arbeitende Bevölkerung.

Freude am Buch kann auch finden, wem das Thema bisher fremd geblieben ist. Gelesen von Nairi Hadodo ist es als Hörbuch sehr zu empfehlen, der kritische Unterton ihrer Stimme verleiht dem Inhalt eine größere Authentizität und verstärkt die Wirkung. Eine Wirkung, die der eine oder die andere vielleicht nicht erwartet hätte, so viel vorweg.

Fazit: Wer Appetit hat auf eine große Portion Gesellschaftskritik, der lasse es sich schmecken!

„Die Elenden“ ist perfekt zum nebenbei hören beim Zähneputzen, Einschlafen oder wenn man mal wieder völlig deprimiert vor der angefangenen Hausarbeit sitzt und überhaupt nicht mehr weiß warum man sich den ganzen Mist überhaupt antut 😉


Buchtipp – Anna Mayr: Die Elenden – Hanser Berlin 2020, Preis: 20 Euro – (erschienen am 17.08.2020) – Oder bei Spotify als Hörbuch

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