„Herbstgefühle“ – Kunstsammlung 2021

Eine Sammlung von euren Texten, Gedichten, Bildern und Fotos, um den Herbst gemeinsam nachklingen zu lassen.
Danke an alle, die mitgemacht haben!
(Foto: Anna Mrotzek)

 

Kurpark

Sitzen zwei auf einer Bank
haben sich nix zu sagen
Sitzen da, schaun‘ sich nicht an
Wolken voller Fragen

Fallen auf die beiden drauf
vielleicht sind´s auch nur Blätter
Irgendwann gehn‘ sie nach Haus
Ist ja eh scheiß Wetter.

Anonym

 

(Bild: Emma Dietzel)

 

(Foto: anonym)

 

Herbst um dich herum

Der Herbst ist hier mit Blättern und Früchten,
die uns gern erfreuen möchten.

Der Herbst ist dort, die bunten Farben blitzen,
ehe schneebedeckter Tannenspitzen.

Der Herbst ist da, auch mal mit Regen,
doch dieser spendet seinen Segen.

Der Herbst ist überall, voll Wonne,
erhellt uns oft mit seiner Sonne.

Drum höre auf des Laubes Rauschen,
im Blättermeer die Farben tauschend.

Frauke Schröder

 

 

(Foto: Kajsa Wysujack)

 

Herbstaperitif auf Ex

Wo bleiben deine leuchtenden Farben?
Statt rötliche Blätter, von dir getragen
Nur matschiges Braun
So genannter herbstlicher Traum
Ich verzichte
Auf deine Gedichte
Weh an mir vorbei
Von romantisierenden Zungen
Mach ich mich frei
Ich greife zum Wein
Ertränke Irrungen
Im billigen Port-Reim
Begrabe den Jahresschutt
Mit jedem Schluck
Eine Ode an die Wärme
Angepriesene Ferne
Mit importiertem Dopamin
Will ich dir entflieh‘n
Nach dem Toast das Bekenntnis
Hoffnung auf ein Missverständnis
Auf leer gefegte Straßen sehn ich dich herbei
Berauschende Laubmalerei
Ich reiße an deiner grauen Decke
Bis zum letzten Tropfen, den ich schmecke
Finde letztes Sonnenlicht im Glasgrunde
Euphemistischer Ausklang in aller Munde

Kyra Häfner Pedreira

 

(Foto: Anna Mrotzek)

 

der herbst
er kommt wie ein gut geplanter, aber in letzter sekunde doch gescheiterter einbruch
herbsteinbruch passiert anfangs schleichend
der herbst begutachtet dich schon lange bevor du es weißt
während du noch deine sommerurlaube und festivals genießt
und an alles denkst, außer die nächsten monate
der herbst, er schleicht nicht nur
er bemerkt auch ganz genau deine stimmungsschwankungen und heimlichen traurigen
momente, die du gerade noch gut mit aperol spritz und sektmate kompensierst
die glücklichen zeiten überwiegen, weil die sonne scheint und sommer ist
und alles so viel einfacher
und auch wenn du dann deinen letzten kleinen sommerurlaub buchst und die melancholie
schon ein bisschen vor der türe steht,
ist der herbst schon inkognito dabei
und sieht genau, wie schwer dir die herbstgedanken fallen
und dann irgendwann
wenn der oktober naht und du zum ersten mal wieder kakao trinkst und am fenster sitzt
tritt der herbst die türe ein.

es fühlt sich manchmal an, als würde der herbst ein sammler sein
und zwar ein erfolgreicher sammler in belastenden themen und traumatischen erfahrungen
und schmerzen
und dann wartet er die beste verfaufsrate ab, wenn die schmerzen am meisten reinkicken werden
und präsentiert sie dir dann auf einem silbertablett und mit einem „hab-ich-dir-doch-schon-letztes-jahr-gesagt“-grinsen
du glaubst, die traurigsten momente verbringst du immer nur mit dir selbst
wenn du dich unter deiner bettdecke versteckst und abwartest, wann die schmerzen vorbei sind
aber der herbst schaut dir immer dabei zu
und sorgt dafür, dass diese momente nicht vergessen werden.
Er ist wie dein aufmerksamster zuhörer
Er vergisst kein detail
und sorgt dafür, dass du es auch nicht tust.

der herbst
er lässt mich nicht los
und deswegen hab ich aufgehört, ihn zu hassen
oder abzulehnen
denn er kommt sowieso immer wieder und packt die geschichten aus
und das schmerzt
und ich frage mich auch, wann der schmerz vorbei sein wird,
wann der herbst endlich mal wieder mit einem leeren silbertablett und einem „ich-bin-stolz-
auf-dich“-blick zurück kommt
wann ich nicht das gefühl habe, diese jahreszeit ist nur mit aufarbeitung verbunden
aber ganz vielleicht muss ich ihn dafür annehmen
den herbst
den einbruch akzeptieren
und das silbertablett entgegennehmen
und ganz langsam damit anfangen,
zu heilen.

Lena

„Taking Flight“ (Bild: Anette Räther)

 

 

Erstsemesterfeeling (Bild: anonym)

 

Herbstmüdigkeit

Himmel aus Stein
Ertränkt die Welt vor meinem Fenster
Rinnsale in den Straßen aus Trostlosigkeit
Bis der letzte Tropfen fällt
Stille folgt Sturm
Taubheit folgt Trümmern
Meine Haut ist grau
Über den sterblichen Knochen
Der goldene Herbst
Ist in meinen Träumen, ist ein
Geist
Kein buntes Blatt vor meinem Fenster
Einzig ein Himmel aus Stein
Igel igeln sich ein
Tier müsste man sein

Kajsa Wysujack

 

(Foto: Mørle)

 

 

Gerade noch am Strand entspannt
Eis geleckt und Postkarten versandt
die Sonne genossen
und Sorgen verbannt.

Von jetzt auf gleich ist’s plötzlich kalt
und Weihnachten kommt bald
Zimt, Spekulatius und Lebkuchen
grauer Schnee auf dem Asphalt.

Wo war der Herbst, die goldene Zeit?
die sich eigentlich dazwischen reiht
wo waren Pfützen, Tees und Kastanienmännchen
Gummistiefel, Drachen, stürmische Gemütlichkeit?

Schokonikoläuse und Glühwein
dürfen noch im Regal verweilen
und wir genießen den Laternenschein
der Herbst, er kann so schön sein.

Janne Burghardt

 

 

Herbstgefühle

Ich hab‘ gar nicht richtig gemerkt, wie die Blätter langsam fallen, wie die Farben dieser Blätter sich verändern und kräftiger leuchten, wie der Wind und die Bäume aneinander prallen, und wie wir alle vielleicht eine kleine Pause bräuchten.
Ich hab‘ gar nicht richtig realisiert, wie der volle Stundenplan mich langsam drangsaliert, wie die Nächte urplötzlich kürzer wurden und trotz der zusätzlichen Stunde die Zeit zu schnell rennt, und mit jeder Sekunde meine Aufmerksamkeit bei etwas anderem hängt.
Ich hab‘ gar nicht richtig verstanden, wie die stürmische Jahreszeit auch schöne Gefühle mit sich bringt- neben Stress, Kummer und Kälte- auch Wärme, Freude und Neues enthält, anstatt dass man mit sich selbst ringt, die Mitmenschen miteinbezieht und etwas Schönes unternimmt.
Ich hab‘ gar nicht richtig durchschaut, wovor es mir innerlich graut, wie meine Stimmung zu dieser Jahreszeit so beeinflusst wird von Stress, und nicht von Freude, obwohl dies eigentlich so sein sollte.
Ich hab‘ gar nicht richtig eingesehen, wie schwer es mir manchmal fällt, einfach loszulassen und nicht dem Gefühl nachgeben, ständig etwas zu verpassen. Denn der Herbst beinhaltet warme Kaffeetassen mit Freund*innen, Gelächter in den Fluren der Uni, dem Geschmack von Kürbissen, und ganz viel anderen Herbstgefühlen, die wir hoffentlich nicht übersehen.

Olivia Klocke

 

(Foto: Katrin H.)

 

Gänsehaut

Gespenster aus Nebel, niemand spricht.
Wir zittern vor Kälte, der Nebel ist dicht.
Verkohlte Körper im Dämmerlicht.
Wir lügen und sagen, wir fürchten uns nicht.

Kajsa Wysujack

 

 

Fall Dance

It was a dark and stormy night. The wind howled, blew through the streets and in its merciless fury shook branches until they broke, carrying with it the last remaining autumn leaves. Even the most graceful trees bent under its violence, swaying impotently back and forth – a dangerous waltz. Between fascination and pity, little Paul watched the spectacle from his window. He had woken up at the dim, no, called awake by a cry for help, muffled by the wind. Still, he recognized the raspy voice immediately. It was the beech tree in his garden, an elderly lady. He stepped into his slippers and sneaked past his parents‘ bedroom. Halfway there, he paused and returned to put on a sweater. Otherwise, he would catch a chill in this weather. Yes, Paul was a responsible boy. Even if he feared the wind’s joy, he couldn’t overhear the imploration. Determined, he ventured outside into the cold, how he had been told. Fear rose in him, but he courageously pushed it back. Ready for the battle, he took the first step. To his surprise, he found no resistance. The wind carried his light body to the groaning beech tree and deposited him there. „My old trunk is tired. The wind wants me to dance, but I long for sleep. Dance on for me, so that I may rest.“ At that moment, Paul was glad to have thought of his sweater. Someone would be proud of him. So he obeyed, for he was a good boy. A whirl of leaves lifted him into the air, and he did not try to strike back. How could he? The wind was pleased with the new fellow. It let go of the elderly lady, who then cracked with relief. More bendable than the trunk, little Paul was turned in all directions. And so, they danced until the wind fell asleep.

Kyra Häfner Pedreira

 

Herbstgefühle (Foto: Anne Mrotzek)

 

Herbstgedanken
Dienstag, 9. Februar 2021

fürs menschenauge ist der herbst ein übergang
ein ende, welches in seinem abschied schon die leise vorahnung eines neuen anfangs in sich trägt
ich mag den herbst
ich mag den sanften abschied, nicht schmerzhaft sondern leicht streichelnd, nicht in seinem ende definitiv sondern in seinem neuanfang
es gibt verschiedene arten von abschieden
es gibt die art die sich langsam dahinschleicht, ein abschied, ohne das dieser tatsächlich stattfindet
wo mensch zurückschaut und sich fragt, an welchem zeitpunkt das ende anklopfte
dann ist da der einvernehmliche abschied
vielleicht von einer lebenszeit die einem zu klein geworden ist, oder von den helden einer guten geschichte, welche getrost eine weile zwische zwei buchdeckeln verweilen dürfen, freudig wartend auf die nächste begegnung
und dann gibt es die art von abschied, welcher dieses wort kaum verdient hat
weil es kein aktives moment gibt, sondern nur ein sträuben und ein die augen zukneifen und ein die zähne zusammenbeißen und ein irrationales hoffen bis zuletzt
das der abschied erst dann kommt, wenn ich ihn vornehme, dass er respektvoll vor der tür wartet, bis ich ihn hereinbitte
und wenn er dann gegen alle meine erwartungen und doch mit aller wahrscheinlichkeit im gepäck die tür einreißt und den raum so unerwartet wahrscheinlich bis in die letzte ritze ausfüllt
dann geht nicht irgendwo eine tür auf weil sich diese schließt, dann schließen sich alle türen auf einmal und der raum um mich wird kleiner und kleiner
und ich weiß dann auf einmal was kontrolllosigkeit ist
weil die reaktion auf den abschied ein ringen ist, ein brutales ringen, zwischen mir und dem nichts
um die kontrolle
und zunächst kann ich kaum atmen weil du, abschied, jede ritze des raumes ausfüllst
und zunächst mach ich mich ganz klein und diszipliniere jede raumnehmende wölbung meines körpers, auf dass sie ganz schmal werde, sodass mir der verbleibende platz zum atmen reicht
denn während du, abschied, mir alle kontrolle über dein erscheinen entziehst, kann ich gar nicht anders als die einzig verbleibende kontrolle gegen mich zu richten
und zunächst wird zu einem jahr, dann zwei, dann fünf und ja, es wird einfacher, du abschied wirst etwas müder, fällst etwas in dir zusammen und lässt mir mehr raum

und inzwischen ist hier etwas mehr platz, du könntest herein kommen, ich mache dir auf
du, der du im nebenraum warst, ebenfalls an die wand gepresst
du, der weiß wie mensch sich gut kleinmacht und du, der genauso wie ich nie gefragt wurde
und zusammen
du weißt gar nicht wie viel raum da für uns beide wäre
endlich wieder etwas raum für loslassen und chaos, fürs ausbreiten und ganz nah beisammen sein

das sind meine herbstgedanken
weil der herbst, das ist für mich ein sanfter abschied
ein chaotischer, unkontrollierter, wirbelnder abschied
einer der dir verspricht: ich komme wieder
einer der der zeit seinen segen gibt
und sagt
bitte verstreiche, nicht zu schnell und nicht zu langsam
bitte verweile, nicht zu kurz und nicht zu lang
und habe vertrauen, dass blätter wieder wachsen können und blüten wieder blühen
lass dich ruhig einschneien, denn ich verspreche dir, dich mit sonnenstrahlen aufzuwärmen
lass den wind ruhig peitschen, denn ich verspreche dir, dass dir bald schon ein volles blätterkleid schutz gewähren wird
du, du könntest mein herbst sein
und ich, ich könnte vielleicht wieder vertrauen

Leoni

 

Bilder: Pui Yan Fong, Instagram: @fongpuiyann

 

 

Eure Herbstplaylist

Im Rahmen unseres „Kreative Spiele“- Standes, haben wir euch nach euren aktuellen Lieblingssongs gefragt.

Songtitel Interpret:in / Band
24 Sundial
Arcadia Lana del Rey
Blue Banisters Lana del Rey
Bad Romance Lady Gaga
Don´t let me down The Beatles
Drumming Song Florence & the Machine
Going under Evanescence
Immer wenn wir uns sehen LEA
I´ll come too James Blake
Mittelmeer MAL ÉLEVÉ
Money for Nothing Dire Straits
November Madeline Juno
Palms (with Channel Tree) Guz Dapperton
Scarlet Paintings Milky Chance
Sebastián Cortes No quiero verte
This is life Amy McDonald
The 59th Bridge Street Song Simon & Garfunkel
The less I know the better Tame Impala
Tropic Love Divivers
Was wäre wenn Clueso
Yakuza Szymon
(Foto: Katrin H.)
(Foto: Katrin H.)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kreativ-Team

Das Kreativteam besteht derzeit aus Kyra Häfner Pedreira, Kajsa Wysujack, Julia Hose, Janne Burghardt, Imen Taleb und Carla Moritz.

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