Ein Reisebericht über London. Die Univativ-Redakteurin Linda Schulzki war in London unterwegs und hat dort einiges mehr erlebt, als das typische Sight Seeing.
„Die spinnen, die Briten!“, dachte ich in Obelix-Manier, als ich mich durch den Linksverkehr wuselte, auf dem Weg zum Hostel. Ich hatte neun Tage London gebucht: mit Selbstverpflegung und bester Freundin im Schlepptau. Wir waren in Stepney Green, östlich vom Zentrum.
Bei der Ankunft im Viertel begegneten uns aber keine keltischen Harry-Potters, sondern sehr viele Frauen in Burka, die wahrscheinlich pakistanische Wurzeln haben und sonst kaum in London anzutreffen sind. So hat offenbar auch London seine kleinen abgeschotteten Welten.
Dort angekommen, gab es schon die erste Panik: Das Hostel war weit und breit nicht in Sicht. Nachdem wir uns drei Mal vergewissert hatten, in der richtigen Straße zu sein, waren wir der Verzweiflung nahe, als plötzlich wie aus dem Nichts der Retter in Not erschien: „May I help you? You seem to be lost.“ Der überaus freundliche und hilfsbereite Brite ist also doch kein Klischee. Und siehe da, mit seiner Hilfe fanden wir unser Hostel. Nach dieser Hürde ging es ans Sight Seeing. Tower Bridge, Big Ben und Co. wurden bestaunt und fotografiert – wie es sich für richtige Touristen gehört. Nach dem Pflichtprogramm kamen dann die wirklich interessanten Sehenswürdigkeiten.
Die Speaker’s Corner im Hyde Park ist eine der berühmtesten Orte Londons. Hier wird Meinungsfreiheit pur gelebt. Jeder darf sich hinstellen und eine Rede halten. Es geht meist um Politik oder Religion – eben das, was die Gemüter besonders erzürnt. Abgeschreckt von den kreationistischen und gelangweilt von den politischen Reden, blieben wir an den Lippen eines Komödianten hängen. Der kleine Mann um die fünfzig stand auf einer Klappleiter und verkündete stolz, er würde 6 Minuten beim Sex durchhalten. Früher sei es länger gewesen, aber naja, er sei ja nun mal nicht mehr der Jüngste. So fuhr er fort, dass seine neue Strategie die Aufmerksamkeit sei und just in diesem Moment zeigte er auf mich, neben meiner Freundin die einzige Frau im Publikum, und verkündete: „Who do you believe is she with? All her attention is focused on me!“ Alle Blicke drehten sich zu mir um und im Nachhinein wünsche ich mir, ich hätte sowas Schlagfertiges gesagt wie: „I’m with her!“ und auf meine Freundin gezeigt. Stattdessen stand mir nur der Mund offen. Peinlich berührt ging es von da aus schnell weiter.
Die nächste Station war der Portobello Road Market, wo ich nicht nur einen antiken Kompass kaufte, sondern auch feststellte, dass an genau diesem Wochendende der Portobello Road Carnival stattfinden sollte. Wir kehrten also am nächsten Tag zurück und staunten nicht schlecht.
Erstens: Die Briten sind Dubstep Fans. Zweitens: Die Polizisten waren auf Pferden unterwegs. Drittens: Ein Brite muss Partys erfunden haben. Ich habe noch nie so eine ausgelassene und wilde Menschenmenge gesehen. Angesteckt von der guten Laune gingen wir dem Party-LKW hinterher, wippten zu den Bässen, die den Beton unter unseren Füßen zittern ließen und wurden von Angetrunkenen aus allen Richtungen angegrinst. Jeder tanzte, jeder sang und jeder packte um Punkt 19 Uhr seine Sachen zusammen und bewegte sich Richtung Tube Station. Der Carnival war vorbei und hunderte von Menschen wollten auf einmal nach Hause. Plötzlich wurde die Partymeute zur gefährlichen Drängelmasse. Wir hatten gerade den Weg Richtung Tube gefunden, da wurden wir von Polizisten aufgehalten, um Menschen aus einer anderen Straße vorbeizulassen. Eine halbe Stunde später durften wir weitergehen, nur um an der nächsten Kreuzung wieder warten zu müssen. Mit Düsseldorf vor Augen wurde ich richtig klaustrophobisch, bis wir es endlich zur Tube geschafft hatten.
Mein persönliches Highlight war der Besuch der Abbey Road Studios oder besser gesagt des Zebrastreifens dieser Straße, denn kein geringerer schmückt das Pflaster auf dem berühmten Cover des The Beatles‘ Albums „Abbey Road“. Als bekennender Fan musste ich einfach diese Straße überqueren. Hätte es nicht geregnet, wäre ich wie Paul McCartney barfuß gegangen.
Das einzige, das wir nicht geschafft haben, ist die Jack-the-Ripper-Tour, in der man die Tatorte besucht, sich die mutmaßliche Geschichte dazu anhört und am Ende in der Bar ein Pint trinken geht, wo Jack seine Opfer ausgesucht haben soll. Aber so haben wir eine gute Ausrede wiederzukommen.
Autorin: Linda Schulzki