Warum Österreichs Außenministerin für Leuphana wirbt
„Interessant wird es, wenn man mehr als eine Seite kennt“ – unter diesem Titel veröffentlichte die Universität vor kurzem eine Reklamebroschüre. Sie sollte zum Start des neuen Studienmodells die Universität in bestem Licht erscheinen lassen. Um die Interessierten zur Entscheidung für Lüneburg zu bewegen, enthält die Broschüre zahlreiche Statements von mehr oder minder prominenten Persönlichkeiten, die das neue Studienmodell lobpreisen.
Aus der Fernsehwerbung ist das schon lange bekannt: Da treten die Beckenbauer, Kerner & Co. auf, um Banken oder Aktien zu empfehlen. Die Werbebranche hat dafür den Begriff des Testimonials erfunden. Die „Promis“ stehen in den Spots als Bürgen für die Qualität des beworbenen Produktes ein und ihr positives Image soll auf das werbende Unternehmen abfärben – aber glaubt eigentlich wirklich jemand, dass Werbebotschafter tatsächlich die Produkte benutzen, die sie da anpreisen? Irgendwie muss es wohl ein Rezept sein, das offenbar funktioniert. Zumindest hielt man es bei den Verantwortlichen in Lüneburg für so gut, dass das Modell für die Universität kurzerhand adaptiert wurde. Doch statt für Zahnpasta oder Sparbücher werben die „Promis“ hier für einen Studiengang, den neuen „Leuphana Bachelor“. Das ist grundsätzlich nicht verkehrt – in diesem Falle allerdings etwas fragwürdig: Den beworbenen Studiengang gab es zum Zeitpunkt der Erstellung der Broschüre noch gar nicht. Bis vor kurzem wurde in den Gremien an dem neuen Studienmodell herumgebastelt. Wie gut es wirklich ist, wird man seriös erst in einigen Jahren sagen können.
„Die Bildungsidee der Leuphana Universität Lüneburg stellt sich auf Studierende als junge Menschen ein.“
Auf den ersten Blick verwunderlich ist auch, wer da die großen Empfehlungen für Lüneburg ausspricht: Die wenigsten davon traten bisher als intime Kenner der Universität in Erscheinung. Da lobt zum Beispiel die Österreichische Außenministerin Ursula Plassnik die Konzepte der Leuphana Universität Lüneburg. „Die Bildungsidee der Leuphana Universität Lüneburg stellt sich auf Studierende als junge Menschen ein. Es geht um die Erfahrung vielfältiger Perspektiven auf das Leben und die Gesellschaft, so wie man sie auch in der Politik einnehmen muss, um gut und erfolgreich zu arbeiten“, lässt sie sich zitieren. Dass eine österreichische Ministerin für eine deutsche Uni Reklame macht, ist an sich schon bemerkenswert. Schließlich soll es ja auch in Österreich Universitäten geben. Aber was verbindet sie mit Lüneburg? War sie überhaupt schon mal hier? Wer nachfragt, wird enttäuscht: Martin Gärtner, Sprecher im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten in Wien, bestätigt auf Anfrage der Univativ, dass Plassnik noch nie persönlich in Lüneburg war. Die Universität würde sie auch nicht kennen. Dafür sei Uni-Präsident Sascha Spoun ein guter Bekannter aus gemeinsamen St. Galler Tagen. Plassnik war dort unter anderem Geschäftsführerin der „St. Galler Stiftung für Internationale Studien“. Spoun habe ihr Unterlagen zum neuen Studienmodell geschickt und um ein entsprechendes Statement gebeten, so Gärtner. „Für gute Bekannte macht die Frau Ministerin so etwas manchmal.“
Von lauter „guten Bekannten“ des Duos Spoun & Keller stammen auch alle übrigen Statements in der Broschüre. So haben McKinsey-Mann Kluge, Philosoph Peter Sloterdijk und Architekt Daniel Libeskind gemeinsam mit Spoun und Keller unter anderem ein Buch mit dem Titel „Die Stadt als Perspektive“ verfasst, in St. Gallen zusammen gearbeitet und auf diversen wichtigen Podien Platz genommen, um die Herausforderungen der Zivilgesellschaft des 21. Jahrhunderts zu ergründen. Sloterdijk saß neben Spoun und Keller auch in der Berufungskommission für die Professur von Daniel Libeskind. Dass in der Broschüre ein „Managing Director“ von Scholz & Friends zu Wort kommt, wundert auch niemanden mehr. Manchmal ist die Wirklichkeit hinter den Werbefassaden eher profan. Wie lautet das Motto der Broschüre noch: „Interessant wird es, wenn man mehr als eine Seite kennt“.
ROL