Zum Paarungsverhalten Lüneburger Studierender

Akademikern werden niedrige Geburtenraten vorgeworfen – was tun wir dagegen?

„40 Prozent der Akademikerinnen bleiben kinderlos!“ So oder so ähnlich titeln deutsche Zeitungen mindestens ein Mal pro Jahr. Was an solchen Zahlen dran ist, lässt sich nur schwer überprüfen, aber eins ist ganz klar: Die meisten Lüneburger Studierenden wünschen sich auf jeden Fall Kinder. Das hat eine Umfrage unter 165 Studierenden im letzten Wintersemester ergeben. Die Ergebnisse der Studie, die aus einer Hausarbeit in einem Seminar zur Bevölkerungsgeographie stammen, sind vergleichbar mit repräsentativen Erhebungen unter Studierenden in Deutschland und sind daher trotz der kleinen Stichprobe durchaus Ernst zu nehmen.

Doch auch wenn sich 85 % der Studis Kinder wünschen, sagt dies noch nicht viel darüber aus, wie viele Kinder sie denn genau haben wollen. Die Wunschanzahl der Kinder ist tatsächlich insgesamt eher durchschnittlich: Die Meisten wollen zwei Kinder (60 % aller Studis), 16 % immerhin drei, sieben Prozent nur ein Kind und einige Wenige sogar vier oder mehr Kinder. Damit scheinen sie sich an jenes ungeschriebene Gesetz der Demographie zu halten, wie Bevölkerungsgeographen gerne mal witzeln: „Ein Kind, das ist unsozial, aber mehr als zwei Kinder, das ist asozial.“

BWLer tendenziell kinderfeindlich

An dieser Stelle wird es Zeit endlich Mal ein paar Vorurteile aus der Abteilung „Menschen in Schubladen“ hervorzukramen – und tatsächlich: Die Studierenden der Betriebswirtschaftlehre sind tendenziell kinderfeindlich, ihre Wunschgeburtenrate ist am niedrigsten. Nur 1,42 Kinder pro Person wollen die BWLer bekommen. Zugegeben, ganz fair ist das nicht, denn für den niedrigen Wert sind vor allem die Herren der Schöpfung verantwortlich (sie wünschen sich im Schnitt 0,89 Kinder), während die angehenden Betriebswirtinnen immerhin rund zwei Kinder gebären möchten. Damit übertrumpfen sie gar die zukünftigen Kulturwissenschaftlerinnen mit 1,6 Wunschkindern. Etwas harmonischer als bei den Betriebswirten sieht das Geschlechterverhältnis beim Kinderwunsch bei den UmweltwissenschaftlerInnen aus – jeweils knapp über zwei Kinder wünschen sich die UWis. Und spätestens jetzt kommt Spannung auf – wie möchten sich die Kinder-Experten schlechthin, die zukünftigen Pädagogen, verhalten? Studenten der Pädagogik (im Sinne der Untersuchung sind das Erziehungs- und Bildungswissenschaftler sowie Lehramtsstudierende) blamieren ihre Zunft mit einer Wunschgeburtenrate von nur 1,15. Lediglich die bereits erwähnten angehenden Betriebswirte wollen weniger Kinder. Die Damen in pädagogischen Studiengängen hingegen wünschen sich respektable 2,04 Kinder.

Wunschgeburtenrate Lüneburger Studenten liegt über der tatsächlichen Geburtenrate in D

Dennoch, beim Blick auf diese Zahlen müssten eigentlich sämtliche Familienpolitiker in Deutschland freudestrahlend aufspringen: Die Wunschgeburtenraten der Lüneburger Studenten mit einem Wert von 1,53 und der Studentinnen mit 2,03 liegt jeweils deutlich über der tatsächlichen Geburtenrate in Deutschland von mageren 1,3. Ja, die Leuphana könnte nach dem Titel der ersten klimaneutralen Universität eine weitere Stufe auf der Nachhaltigkeitstreppe erklimmen und als kinderreichste Universität in die Geschichte eingehen! Außerdem sind ja die Studentinnen diejenigen, die die Kinder zur Welt bringen, und letztere wünschen sich im Schnitt gar mehr als zwei Kinder.

Aber bis es soweit ist, muss aus Kinderwunsch erst Kinderwirklichkeit werden. Und daran hapert es wohl am meisten. Während der Studienzeit schaffen es die wenigsten, einen Kinderwunsch zu verwirklichen. Schließlich gilt, um mit Holm Keller zu sprechen: „Nebenbei zu jobben oder ein Kind zu erziehen, wird [an der Leuphana] nicht mehr möglich sein.“ Doch auch ohne solch (inzwischen relativierte) abschreckende Worte möchte kaum jemand seine Kinder noch während der Studienzeit bekommen: Nur zwei Prozent geben dies an. Ein Drittel möchte zunächst ausreichende Berufserfahrung sammeln, knapp fünf Prozent wollen unmittelbar nach Abschluss des Studiums Kinder bekommen und dem Rest ist der Zeitpunkt entweder gleichgültig beziehungsweise er hat sich noch keine Gedanken darüber gemacht oder möchte die Antwort schlicht für sich behalten.

Wie man die Studierenden dazu bekommt Kinder zu zeugen und so oft zitierte Meldungen über kinderlose AkademikerInnen entkräftet, ist Sache der Familienpolitik – und ein familienfreundliches Studium gehört sicherlich dazu. Hauptsache die Rahmenbedingungen stimmen, damit sich junge Menschen für Kinder entscheiden, bevor es (im biologischen Sinne) zu spät ist. Nur eines scheint sicher: Am mangelnden Wunsch, Kinder zu bekommen, liegt es nicht.

Gunnar Maus