Daniel Libeskind und die Echos aus dem Möglichkeitsraum

Optionsraum, Möglichkeitsperspektive, Handlungsoption – allerlei leere Floskeln verwendet Uni-Vizepräsident Holm Keller gerne, wenn er über einen möglichen Neubau auf dem Uni- Campus redet. Offiziell soll zwar erst im Dezember die endgültige Entscheidung fallen, ob es ein Audimax geben wird. Doch hinter den Kulissen gilt der Bau schon als beschlossene Sache. Der auwändig inszenierte Auftritt des neuen nebenamtlichen Leuphana-Professors Daniel Libeskind, bei dem er jetzt seinen Entwurf für den Bau präsentierte, wird von vielen Seiten als weitere Vorentscheidung gewertet.
Erst vor wenigen Wochen hatten Stadt, Kreis und Uni eine Rahmenvereinbarung über das Projekt abgeschlossen. Im Rahmen einer Feierstunde in der Mensa setzten Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge, Landrat Manfred Nahrstedt und Uni-Präsident Sascha Spoun vor kurzem ihre Unterschriften unter das Papier, das an der Universität nur in geheimer Senatssitzung beraten worden war. Ein zentraler Punkt ist darin die Absichtserklärung der Hochschule zum Bau eines Studierendenzentrums auf dem Campus. Für den Fall, dass die Uni tatsächlich bauen sollte, wollen Stadt und Landkreis versuchen, sich mit etwa 20 Millionen Euro zu beteiligen.
Fakt ist: Die Universität hat in bestimmten Bereichen einen Mangel an Räumlichkeiten. Insbesondere fehlt es an Seminar- und Büroräumen. In einer ersten, kurzfristigen Maßnahme sollen deshalb drei Dachgeschosse auf dem Campus neu ausgebaut werden. Dies ist aus Sicht der Uni-Leitung allerdings kaum mehr als ein erster Schritt. Auf lange Sicht würde dies nicht ausreichen, insbesondere wenn der angestrebte Wachstumskurs Wirklichkeit wird. Ziel ist deshalb ein Neubau – mit allem Drum und Dran.
Die Möglichkeit, regulär im Landesprogramm für den Hochschulbau Bedarf anzumelden, erscheint der Uni-Spitze wenig attraktiv. Spoun: „Da werden wir sicher vor 2015 zu wenig kommen.“ Deshalb entstand die Idee, etwas möglichst Spektakuläres zu errichten, am besten mit einem prominenten Architekten. Denn große Namen ziehen die Politik an – und damit auch das Geld. Auf die Frage, warum der Name Libeskind, ein guter Bekannter von Spoun und Keller, in der Rahmenvereinbarung enthalten sei, sagte der Präsident bei einer öffentlichen Studierenden- Versammlung: „Weil Stadt und Landkreis nur Interesse daran haben, wenn ein Architekt von großer Bedeutung da baut.“
Dass der mögliche Neubau unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten konzipiert werden soll, ist ebenfalls in erster Linie finanziellen Erwägungen und weniger dem Umweltgedanken geschuldet: „Das erschließt Bundessubventionen für nachhaltiges Bauen“, so Spoun. Insgesamt geht er von einer Bausumme im „zweistelligen Millionenbereich“ aus.
Derzeit wird geprüft, wo auf dem Campus gebaut werden könnte. Dieser „Optionsraum“ ist unterdessen schon deutlich kleiner geworden. Er wird begrenzt durch Vorgaben, die sich das Präsidium selbst gesetzt hat: Gebäude, die für die Lehre genutzt werden, sollen nicht abgerissen werden. Und: Der Ankauf zusätzlicher Geländeflächen kommt für die Uni derzeit nicht infrage. Außerdem stellte sich bei einer genauen Durchsicht der Unterlagen heraus, dass nicht alle Gebäude auf dem Campus der Universitätsstiftung gehören. Andere sind wiederum bestimmten Institutionen zur langfristigen Nutzung überlassen, wie zum Beispiel das Vamos. Nach Angaben von Spoun hat der Verein Campus Lüneburg e. V. einen Nutzungsvertrag für die Veranstaltungshalle, der bis 2014 läuft.
Der Versuch, diesen langfristigen Vertrag vorzeitig zu lösen, ist gescheitert. Vize Holm Keller hatte dem Verein in einem Schreiben angeboten, die Halle auf Uni-Kosten abzureißen und an anderer Stelle wieder aufbauen zu lassen. Auch die Einnahmeausfälle sollten ausgeglichen werden. Der Verein lehnte das Angebot ab. Damit wird das Vamos auch in Zukunft bestehen bleiben, wie Keller im Senat erläuterte. Die Angelegenheit sei erledigt. Man müsse jetzt versuchen, anders zu planen.
Sauer war man im Präsidium, dass die Causa Vamos der Landeszeitung bekannt geworden war. Denn infolge der ausführlichen Berichterstattung entbrannte eine öffentliche Debatte, in der neben vielen anderen auch Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge für die Veranstaltungshalle Partei ergriff. Das hatte man so offenbar nicht eingeplant. Der Zeitplan bis zur offiziellen Entscheidung im Dezember ist eng gesteckt. Zahlreiche Diskussionen nach bekanntem Muster eines so genannten „Beteiligungsprozesses“ stehen ebenso auf der Agenda wie Erörterungen im Senat und Stiftungsrat.
Erste Meinungsverschiedenheiten zeichneten sich bereits auf der Mai-Sitzung des Senates ab: Prof. Christine Garbe hatte grundsätzliche Bedenken, über ein Audimax noch in diesem Jahr zu entscheiden. Man habe sich mit dem neuen Studienmodell schon genug aufgeladen, die Gremien seien bis an den Anschlag belastet. Ihr Senatskollege Prof. Hinrich Bonin mochte diesen Einwand gar nicht akzeptieren. Er forderte das genaue Gegenteil: Man müsse noch viel schneller entscheiden, am besten noch im Juli. Denn sonst seien womöglich noch EU-Fördergelder verloren und das könne man sich nicht leisten. Ungeachtet der Debatte sind erste Vorarbeiten für den weiteren Planungsprozess angelaufen. Fachleute vom Standort Suderburg nahmen den Grundwasserspiegel und die Höhenverhältnisse auf dem Campus unter die Lupe. Und ein Team von Vermessungstechnikern war in den vergangenen Wochen unterwegs, um das Areal für einen digitalen Campusplan zu vermessen.