„Dann sind wir ja Kollegen…“

War sie meine Eintrittskarte? Ausschließen kann ich es nicht, dass mir die Univativ die Tür zum (hauptberuflichen) Journalismus geöffnet hat. Auch wenn mich die ersten Worte meines Gegenübers beim Vorstellungsgespräch fürs Volontariat doch eher irritierten. „Na, dann sind wir ja Kollegen.“
Der Anzugträger meinte eine Passage in meinem Lebenslauf: Redaktionsleitung Lüneburger Hochschulmagazin stand da. Dass man das ja nun wirklich nicht vergleichen könne, dachte ich damals. Was aus meinem Mund kam, weiß ich nicht mehr. Wenige Tage später fand ich einen Vertrag im Briefkasten. Ich glaube, den Chef hat meine Erklärung beeindruckt, warum die Zeitschrift in einem so ungewöhnlichen Format gedruckt wurde.

Vor ziemlich genau zwei Jahren verließ ich Lüneburg in Richtung Norden. Genauer gesagt Richtung Husum, zur ersten Station meines Volontariats beim Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag. Ich verließ Lüneburg mit dem diffusen Gefühl, in den zurückliegenden fünf Jahren alles Mögliche erlebt, gelernt und ausprobiert zu haben und trotzdem nicht zu wissen, ob sich das passende Werkzeug für die neue Aufgabe in meinem Gepäck befindet.

Meine tagtägliche Arbeit hat heute mehr mit meinen Lüneburger Erfahrungen zu tun, als ich es damals vermuten konnte. Auch wenn sich der Praxisbezug eines KuWi-Studiums oftmals auch auf den zweiten Blick nicht erschloss, hat der Magister doch (mindestens) eine wichtige Erkenntnis gebracht: Alles ist machbar! Warum sollten mich eine Stadtvertreter-Sitzung zum Thema Biogasanlagen, ein Obstschnitt-Seminar oder ein friesisches Theaterstück nervös machen? Ich habe im Studium doch Hausarbeiten über Filmsemiotik und Sprechakttheorien geschrieben – ohne vorher auch nur gewusst zu haben, dass es so etwas gibt. Die beruhigende Erkenntnis lautet: Es gibt über alles Informationen, du musst sie nur finden. Da es unmöglich ist, sich auf allen Gebieten zu Hause zu fühlen, mit denen ein Lokalredakteur konfrontiert wird, hat sich das Grundgefühl kaum verändert: Ich beschäftige mich mit tausend verschiedenen Dingen, bin für nichts Experte, erarbeite mir aber nach und nach immer mehr Puzzleteile dieser Welt.

Mittlerweile arbeite ich beim „Insel-Boten“ auf Föhr. Ähnlichkeiten mit dem Hochschulmagazin gibt es zahlreiche. Nicht, was den Inhalt, wohl aber, was die Arbeitsweise betrifft. Für den Lokalteil der Nordsee-Inseln Föhr und Amrum ist eine Zwei-Personen-Redaktion zuständig – kaum mehr Mitstreiter waren üblicherweise in den „heißen“ Phasen der Univativ-Produktion tätig. Von der ersten Idee bis zum Verteilen des Magazins alles selbst gemacht zu haben, ist eine enorm gute Vorbereitung. Auch auf Föhr ist nahezu alles „selbst gemacht“: Wir haben keinen Fotografen, keinen Grafiker, kein Sekretariat. Nur für die Anzeigen-Akquise gibt es – glücklicher Weise! – extra Personal. Statt vier bis sechs Mal pro Jahr ein Magazin herauszubringen, füllen wir jeden Tag zwei Zeitungsseiten. An der emotionalen Bindung zum „Produkt“ hat sich nichts geändert: Kurz vor Redaktionsschluss herrscht die selbe Panik, wird mit Überstürztheit noch schnell ein Bild ausgetauscht, eine Überschrift verändert. Und mit genau der selben freudigen Erwartung wird das frisch Gedruckte in Empfang genommen, manchmal auch mit ein wenig Stolz.

War es richtig, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen? Die Frage ist berechtigt. In Zeiten, in denen zahlreiche Verlage ihre Redakteure vor die Tür setzen, einzelne Ressorts oder ganze Redaktionen ausgegliedert werden, um dann für weniger Geld mehr zu arbeiten, sowieso. Meine Zukunft liegt – soweit man das heute überhaupt sagen kann – wohl in der Selbstständigkeit. Nach dem Volontariat eine Redakteursstelle zu ergattern mit der Aussicht, diese bis zur Rente zu besetzen, trifft für die wenigsten jungen Journalisten zu. Doch ist es nicht auch eine Chance, sich als „Freie“ mit den Themen beschäftigen zu können, die einem am meisten liegen? Sich wirklich ins Schreiben zu vertiefen, was den meisten Redakteuren heutzutage gar nicht mehr möglich ist? Immer wieder neuen Themen, Menschen und Herausforderungen zu begegnen? Vielleicht habe auch ich dem Journalisten-Dasein in zwei Jahren frustriert den Rücken gekehrt. Das kann dann aber nur daran liegen, dass der Blick aufs Konto dauerhaft unbefriedigend war. Daran, dass ich es für einen der spannendsten Berufe überhaupt halte, würde dies nichts ändern.

Es gab Zeiten, in denen bei mir für die Univativ mehr Zeit und Engagement übrig waren als fürs Studium. Bereut habe ich es nie. Ende April bin ich „fertige“ Redakteurin. Danke, liebe Univativ!

Anke Rutkowski