Team „Ist halt’n Job“ beim Viva con Agua Tramprennen 2010. Atlas, Daumen, fertig? Los! Am Sonntag, den 23. August 2010, starteten 34 Teams in Hamburg St.Pauli Richtung Vama Veche, Rumänien. In einem sechsetappigen Tramprennen lieferten sich Duos wie „Tofu und Hack“, „Downgrade & Chance“ oder „Bieber und Nacken“ ein Backpacker-Duell über die Distanz von 2.500 Kilometern. Auf insgesamt drei Routen aktivierten sie mit Flashmops und Installationen Menschen für sauberes Trinkwasser. Freunde, Stammkneipen und Supporter aus aller Welt verfolgten die Jagd nach dem „blauen Daumen“ via SMS-Liveticker und spendeten insgesamt über 10.000 Euro für die Trinkwasserinitiative Viva con Agua de Sankt Pauli. Mittendrin und mal am (Straßen-)Rand: Team „Ist halt ‘n Job“ aus Berlin und Lüneburg, immer unter dem wachen Auge einer Schar informationshungriger Freunde, die in jeden getrampten Kilometer ihres Favouritenteams investierten.
06. Sept. 2010, um 21:00 Uhr: Wir befinden uns irgendwo bei Continesti in Rumänien. Da die Straßenbeschilderung jedoch nicht mehr vorhanden ist oder die Dämmerung die kargen Informationstafeln verschleiert, geht das Gefühl für Raum und Zeit wie schon so oft in den letzen Tagen verloren. Unter Rucksäcken, einem Surfbrett und allerlei Gerümpel vergraben, rutsche ich mit klebenden Klamotten unruhig auf dem Rücksitz hin und her.
Das paradoxe Moment eines Tramprennens ist allgegenwärtig: Du weißt nicht genau, wo du bist und wann du wie weit kommst. Aber du kannst dir sicher sein, du wirst auf dem Weg immer wieder auf andere Rennteilnehmer treffen, die immer auch dahin möchten, wo es dich hintreibt. Eben noch atmest du die staubige trockene Lehmluft ein und lässt dich mit Blick auf die Landschaft treiben. Dann überholt dich ein Lkw und das schelmische Grinsen vom Beifahrersitz herab weckt von jetzt auf gleich deinen Jagdinstinkt aufs Neue. Denn auch wenn der Ehrgeiz sich bei Zeiten von der beißenden Sonne blenden lässt; nur wer als erster den Zieltreffpunkt erreicht, ist wirklich nicht mehr im Rennmodus. Ich schwanke also zwischen Wehmut darüber, dass der atemberaubende Trip von Hamburg über Wien, Budapest nach Novi Sad und Targu Jiu, in zehn bis fünzig Kilometern vorbei sein wird und dem Wunsch, Vama Veche so schnell wie möglich zu erreichen. Marcel, mein zweiter Daumen und enger Freund bei Viva con Agua Berlin, schaut immer wieder nervös auf sein Handy. Er könnte es wirklich nicht ertragen, wenn sein ehemaliger Teamkollege Hauke vor ihm am Treffpunkt landen würde.
Dabei waren wir im Laufe des Rennens einmal fast an der Tabellenspitze. Ab Serbien und dem Etappenziel Novi Sad, einem verschlafenen Studentenstädtchen in der Nähe von Zrenjanin, besiegelten wir jedoch eigenverschuldet den Tabellenabstieg. In einer Stadt voll von Straßenmusik, Improvisationskunst, verschlafenen Parks und jeder Menge schwarzem Humor, haben wir unser Glück in einer Kneipe gelassen und Marcel seinen Magen ironischerweise in einem Laden namens „Good Food“. In einer 14-stündigen Zugfahrt landeten wir dann mitten in der Nacht 70 Kilometer weiter unten auf der rumänischen Karte als geplant – mit Team „Tick, Trick und Truck“, die zuvor ähnlich gut gegessen hatten wie Marcel. Von einem redseligen Kioskbesitzer wurden wir dann überraschenderweise nach Targu Jiu, am Rande von Transsilvanien, gefahren.
Wir sind da! Mittlerweile ist es kurz vor Mitternacht und das letzte Team hat Vama Veche erreicht. Die intensiven Erlebnisse der Reise rasen noch Wochen an mir vorüber. Beim 60-Stunden- Rennen im April 2011 halte ich wieder den Daumen raus: “The best things in live are the people you love, the places you’ve seen and the memories you’ve made along the way.”
Von Sarah Kociok