Univativ Filmkritik: Madame

„Madame“ ist ein Spagat zwischen moderner Aschenputtel-Romanze, Gesellschaftssatire und Liebesdrama. Trotz mutiger Genre-Fusion gelingt es Regisseurin Amanda Sthers, eine amüsante sowie herzerwärmende Geschichte zu erzählen.

Maria (l.) und Madame Ann (Tr.), (c) Sam Hellman

Das Paris der High Society. Das amerikanische Ehepaar Ann (Toni Collette) und Bob (Harvey Keitel) richtet zu Ehren eines befreundeten, britischen Politikers eine Dinnerparty aus. Zwölf Gäste sind in das riesige Anwesen inmitten der Pariser Innenstadt geladen. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, als plötzlich Steven, Anns Stiefsohn, uneingeladen dazustößt, wodurch die Anzahl der Gäste auf dreizehn steigt. Die Hausherrin kann die Unglückszahl nicht akzeptieren und überzeugt ihre Haushälterin, Maria (Rossy de Palma), den 14. Gast zu spielen. Sie schlüpft für den Abend in die Kleider von „Madame“ und gibt sich als geheimnisvolle spanische Freundin der Familie aus.
Während des Abendessens nimmt das Unglück seinen Lauf: Maria stolpert von einem Fettnäpfchen ins nächste und ist – gerade deshalb – plötzlich im Mittelpunkt der Dinnerparty. Dem reichen, britischen Aristokraten David (Michael Smiley) scheint Marias unkonventionelles, unbedarftes Auftreten, sowie ihre Zurückhaltung zu gefallen. Auch Maria, für einen kurzen Moment Teil der gesellschaftlichen Elite, ist angetan von Davids Avancen.
Einer klassischen Theaterkomödie gleichend, verstricken sich die Hauptpersonen in immer weitere Missverständnisse und steuern unweigerlich auf eine Katastrophe zu. Denn Ann, im vollen Bewusstsein ihrer Macht über Maria, beobachtet mit Missfallen die Entwicklung der Beziehung zwischen ihr und David.

Star des Films ist ganz sicher Rossy de Palma, die sich mit ihrer Maria sofort in die Herzen des Zuschauers spielt. Die große Frau mit dem schiefen Gesicht, der charaktervollen Nase und den tiefschwarzen Augen und Haaren übertrumpft in ihrer Strahlkraft die anderen Figuren bei weitem, auch wenn sie nicht den gängigen Schönheitsidealen entspricht. Auch Toni Collette, in der Rolle der Ann, überzeugt mit ihrer kaltherzig berechnenden Art, die im Konflikt mit ihren vielen Unsicherheiten steht.
Die Gefahr des Filmes, sich gegen Ende zu einer kitschigen Liebeskomödie zu entwickeln, bannt er durch gepfefferte gesellschaftskritische Satire, die besonders in den witzig und klug konstruierten Dialogen zur Geltung kommt. Trotz allem kann sich die Geschichte nicht von einer gewissen Vorhersehbarkeit befreien. Auch die Gesellschaftskritik punktet eher durch die daraus resultierende Komik, als durch Originalität oder politische Brisanz. Denn seien wir mal ehrlich: die Arroganz und Verlogenheit der High Society ist nicht gerade ein neues Thema. Dennoch ist es wohl etwas, mit dem sich viele Menschen identifizieren können, die selbst schon einmal „von oben herab“ behandelt wurden. Ein Thema, das lange relevant bleibt.
In seiner Gesamtheit bleibt der Film trotz allem handwerklich gut gemacht: Die Kameraführung, der Schnitt, die Schauspieler, die Dialoge. Sehenswert ist „Madame“ also für alle, die nach einem nicht zu platten, humorvollen Film mit einer Prise Romantik suchen.

Autorinnen: Charlotte Hochegger und Cornelia Braun


Der deutsche Filmstart war am 30. November 2017. In Lüneburg läuft dieser Film im Scala Programmkino – wahlweise auch im englischen Originalton. Die Spielzeiten findet ihr hier.