Univativ Filmkritik: Fikkefuchs – Gesellschaftskritik am Rande der Geschmacklosigkeit

Mit dem Fikkefuchs zeigt der Regisseur Jan Henrik Stahlberg den Werdegang von zwei sexuell verwirrten Männern – und provoziert zum Nachdenken: Über männliche Geschlechtsidentitäten und verzerrte Frauenbilder.

Thorben (l.) und Richard (r.) Copyright Alamode Film


Richard “Rocky” Ockers (Jan Henrik Stahlberg) ist ein mittelalter, alleinstehender Mann, der im zweifachen Sinn ein unbefriedigtes Leben in Berlin führt. Als ehemaliger “Stecher von Wuppertal” schätzt er sich selbst als romantischen Intellektuellen, versteht dafür seine Erfolglosigkeit im gesellschaftlichen Umgang mit am liebsten halb so alten Frauen aber nicht. Sein Selbstverständnis als zeitloser Casanova stellt er erst in Frage, als sein vermeintlicher Sohn Thorben (Franz Rogowski) ihm vor der Haustür erscheint.

„Eine skurrile Suche nach der eigenen Sexualität, die vor Geschmacklosigkeiten keinen Halt macht.“

Thorben selbst ist 22 Jahre alt, sexuell unerfahren und schlichtweg pervers. Er sucht den bedingungslosen und möglichst haltlosen Sex, wie er ihn aus Pornos und Erzählungen seines Freundes Kevin (Jan Pohl) kennt. Aufgrund einer versuchten Vergewaltigung sitzt Thorben für einige Zeit in der Psychiatrie, bricht jedoch aus, um seinen Vater kennenzulernen. Eine Person, die auf den ersten, zweiten und dritten Blick erst einmal unangenehm erscheint, was vor allem an Thorbens abfälligen Bemerkungen und pubertären Balzverhalten liegt.

Vom Vater möchte Thorben nun lernen, wie man das weibliche Geschlecht ins Bett kriegt und was die perfekte Anmachstrategie ist. So begeben sich Vater und Sohn ins Berliner Nachtleben, um festzustellen, dass ihre geradezu obszön naiven Frauenbilder tatsächlich doch nicht der Realität entsprechen. So beginnt eine skurrile Suche nach der eigenen Sexualität, die vor Fäkalhumor, dem Zeigen von Genitalien und diversen Geschmacklosigkeiten keinen Halt macht.

Fikkefuchs provoziert auf vielen Ebenen. Mit seinen Dialogen, deren Vokabular sich in puncto Vulgarität und dreisten Sprüchen zwischen “Freche Mädchen” und “Fifty Shades of Grey” streckt, schafft der Regisseur Stahlberg eine gewisse Realität: Es wird geflucht, gespottet und gedisst. Nichts wird beschönigt, und wenn man im Publikum glaubt, bodenloser geht es nicht mehr, kommt gleich der nächste Spruch. Das mag man stellenweise geschmacklos empfinden, gibt dem Film aber eine ehrliche Note.

„Wenn man im Publikum glaubt, bodenloser geht es nicht mehr, kommt gleich der nächste Spruch.“

Die Kameraführung ist eher simpel gehalten, mit einem Budget von 130.000 Euro ist viel Technikeinsatz auch nicht zu erwarten, aber sie tut ihren Job. Mit Thorbens obligatorischen, stilistisch an Mr. Tutorial angelehnten Videoblogs, überrascht die Kameraführung dennoch in einigen Szenen, denn sie präsentiert sich als herrlichen Spottgesang an die Generation Selfie.

Auch die beiden Hauptdarsteller schaffen es, die ungewöhnliche Vater-Sohn Beziehung glaubhaft zu präsentieren. Stahlberg präsentiert sich erfolgreich als Richard mit seinem kontroversen Selbstbild irgendwo zwischen einsamer Nymphomanie und geradezu narzisstischer Selbstüberzeugtheit. Auch Franz Rogowski verkörpert hervorragend die Rolle des grenzdebilen Perversen aber gleichzeitigen Opfers diverser Vater- und Mutter Komplexe. Jan Pohl meistert den unausstehlichen Videoblogger Kevin “Bukkake” und Susanne Bredehöft lässt die Zuschauerschaft über die seltsamen Ansichten der “Pick Up Artist”-Seminarleiterin Wilson rätseln.

„Ein Film für ein mutiges Publikum und Fans von politisch-inkorrektem Humor.“

Die Filmmusik, die von Smetana zu SXTN reicht, betont auch akustisch die Kontroverse, die den Film durchziehen. Hierbei steht der Klassikliebhaber und selbsternannte Romantiker Richard dem Möchtegern-Frauenheld Thorben gegenüber, der jeglichem Klischee entsprechend deutschem Gangsta Rap zugeneigt ist.

Doch welcher Menschenschlag kann etwas mit Fikkefuchs anfangen? Definitiv ein eher mutiges Publikum, ebenso Fans von politisch inkorrektem Humor. Prüde Menschen tun sich mit den ständigen Nacktszenen schwer, leicht angeekelte Menschen könnte der Fäkalhumor missfallen. Dennoch kann Fikkefuchs ein unterhaltsamer Film sein, denn egal wie sehr er empört, früher oder später wird er selbst dem witzlosesten Menschen einen kleinen Lacher abverlangen.

Autor*innen: Gesa Schaffrath und Jan Gooß

Fikkefuchs läuft bis zum 29.11.2017 im Scala. Die Spielzeiten findet ihr hier. Filmstart war am 16. November 2017.