Best of Poetry Slam im Vamos: „Kultur ist wie ein großer See, in den alle von außen reinpinkeln.“

Die Hütte war gerammelt vor, die Slammer slammten von lustig bis bewegend und unser Autor mittendrin. Und das alles wird sogar wiederholt.

Full House / (C) Julian Münsterjohann
Full House / (C) Julian Münsterjohann

Am Mittwoch, dem 26.11, fand im Vamos der Best of Poetry Slam statt, veranstaltet vom Kampf der Künste. Das Format findet in ähnlicher Art auch einmal im Monat im Salon Hansen statt, allerdings ohne Best of im Titel. Während im Hansen jeder und jede slammen darf, falls er oder sie sich traut, durfte man am Mittwoch nur auftreten, wenn man schon diverse Erfolge mit seiner Dichtkunst feiern konnte. Durch die vermeintlich gestiegene Qualität des Gebotenen, muss sich natürlich auch der Kontext anpassen. Die Veranstaltung fand also erstmals im Vamos statt und an der Abendkasse verlangte man stattliche 18€ beziehungsweise 15€. Da Kulturveranstaltungen im uninahen Veranstaltungszentrum sonst meist hedonistischer Natur sind, zeigte man sich zum Poetry Slam überraschend gediegen: der Saal war großzügig bestuhlt und die Bar während der beiden Auftrittsblöcke geschlossen.

Aufgeteilt war das Programm in die Vorrunde und das Finale, moderiert wurde es souverän von David Friedrich. Insgesamt nahmen fünf Poeten teil, von denen sich zwei im Finale miteinander messen durften. Um faires, lyrisches Kräftemessen gewährleisten zu können, wurden fünf freiwillige Juroren aus dem Publikum erkoren, die dann das Gehörte auf einer klassischen Punkteskala bewerten durften. David Friedrich wählte äußerst charmant fünf mehr oder weniger freiwillige Besucher aus, das Slammen konnte beginnen.

Und das Gehörte konnte sich hören lassen: eingangs erwähntes Qualitätsniveau war gerade in der Vorrunde deutlich spürbar. Alle Texte waren inhaltlich mehr oder weniger relevant, lyrisch ausgefeilt und fast schon professionell vorgetragen. Die Vortragenden hatten jeweils zehn Minuten Zeit, um maximal zwei ihrer Werke vorzulesen. Zusammenfassend gesprochen bedienten sich alle Künstler aktuellen Themen, so etwa dem Rechtsruck in Deutschland. Beispielsweise versuchte der selbst aus Ostdeutschland stammende erste Slammer, Friedrich Herrmann, das Publikum mit Nazi-Ossi-Gags zu ködern. Alles natürlich einen kleinen Lacher wert, aber nicht wirklich eine Überraschung. Der zweite Slammer, Hinnerk Köhn, berichtete ausführlich über seine Erfahrungen an der Berufsschule, geprägt von Witzen über die strohdoofe Sitznachbarin und den BMW fahrenden Quotentürken. Spätestens hier fiel auf, wie nah doch der Poetry Slam am Stand Up ist. Der einzige Unterschied ist häufig der Zettel in der Hand.

 

Die erste und einzige Dame des Abends, Katharina Huboi, fiel da fast schon aus der Reihe. Hier wurde es ernster, ging es doch um Identitätsbildung und Sozialisation, um Verlassen und Verlassen werden, ein starker Kontrast also. Eine der Veranstalterinnen berichtete, dass lustige Vorträge meistens bessere Chancen auf den Einzug ins Finale hätten. Das merkte man dann vor allem bei den beiden Finalisten, Helge Albrecht und Tom Schildhauer. Während letzterer in der Vorrunde mit einem hervorragenden Text über Homophobie glänzte, ist Helge Albrecht stark im Stand Up verwurzelt. Allerdings nimmt dadurch natürlich nicht die Qualität des Vortrags nicht ab. Ganz im Gegenteil! Helge Albrecht las einen sehr amüsanten Text über seine Auslandserfahrungen in den USA nach dem Abitur vor. Neben einigen Lachern über dicke Pferdemädchen und das Bezahlen für Unterkünfte mit sexuellen Handlungen, spricht er auch über die Schwierigkeiten unserer Generation, eine eigenständige Identität zu entwickeln.

Im Finale wurde deutlich, dass beide ihr Pulver schon in der Vorrunde vorschossen hatten. Beide Texte waren weniger bissig und konnten das Publikum, eindeutig hörbar, nicht mehr ganz so gut unterhalten. Am Ende gewann dann aber mit knappen Vorsprung Helge Albrecht; verdient hätten es beide!

Hängen geblieben ist aber, wie sehr sich der Poetry Slam in den letzten Jahren verändert hat. Es gab doch recht wenig klassische Poetry, aber viel dazwischen. Während manche Leute sagen, dass der Hype schon seit einiger Zeit vorbei ist, war am Mittwoch im Vamos zu erkennen, dass  alle Künstler sehr vielseitig sind. Der schönste Satz des Abends: „Kultur ist wie ein riesengroßer See, in den alle reinpinkeln.“ Dieser Satz beschreibt sicherlich nicht nur die amerikanische Kultur in Helge Albrechts Text, sondern auch den Poetry Slam an sich. Denn man kann nur schwierig beschreiben, was genau einem der Abend im Vamos geboten hat. Metaphorisch könnte man von einer Tüte Haribo Colorado sprechen, nur ohne Lakritz: Lustiges, Nachdenkliches aber auch Beschreibungen von gesellschaftlichen Problemen. Sogar der Singer/Songwriter Ove fiel als Act zwischen Vorrunde und Finale kaum aus dem Konzept. Songs sind nicht erst seit Bob Dylan ebenfalls Poetry. Wer sich an solch bunten Mischungen nicht stört, der sollte unbedingt den nächsten Best of Poetry Slam am 23. November besuchen!

Autor: Julian Münsterjohann