Ahoi!

Eine Geschichte über das Leben an Bord der Gorch Fock. Ich habe einen Freund, einen sehr guten Freund. Marcel heißt er, aber alle nennen ihn Marci. Marci hat einen richtig spannenden Beruf. Denn er arbeitet auf der Gorch Fock, dem berühmten Segelschulschiff der Deutschen Marine. Dort an Bord ist er Schiffstischler und Steuermann. Für Marci ist es nicht selbstverständlich, auf der Gorch Fock arbeiten zu dürfen. Es war immer sein großer Traum und der Grund dafür, sich für vier Jahre bei der Marine verpflichten zu lassen. Dass es schließlich geklappt hat, verdankt er seinen Leistungen bei der Grundausbildung und seiner vorherigen Handwerksausbildung zum Tischler. Schon kurz nachdem er im August 2009 an Bord ging, stach die Mannschaft in See. Ahoi Marci.

Die Gorch Fock verließ ihren Heimathafen Kiel in Richtung St. Malo in Frankreich über Gran Canaria bis hin zu den Kapverdischen Inseln vor Afrika. Als Marci Mitte Dezember braungebrannt von der jährlichen Herbstreise zurückkam, hatte er viele aufregende Geschichten zu erzählen – von meterhohen Wellen mitten auf dem Atlantik, von Delphinen, die direkt am Bug elegant auf- und eintauchen, unfassbare Geschichten vom sternenklaren Himmel fern von großen, hellen Städten und von riesigen Schildkröten, die bei Flaute das Schiff überholen. Aber auch Berichte vom Alltag auf der Gorch Fock, über das Essen während des Seeganges oder das Schlafen in Hängematten, sind für mich als Außenstehende unfassbar. Das klingt für mich nach Seefahrerromantik, nicht nach Stress und Hektik.

Doch natürlich ist die Arbeit auf der Gorch Fock nicht immer einfach. Marci macht der Schlafmangel manchmal ganz schön zu schaffen. Denn die Gorch Fock schläft nie und auch des Nachts ist die Besatzung gefragt, das Schiff zu steuern, die Segel zu hissen und in Notsituationen bereit zu sein. Außerdem büßt man ein wenig an Lebensqualität ein, denn ein Schiff bietet wenig Möglichkeit, sich zurück zu ziehen und einfach mal in Ruhe in einem Buch zu schmökern. Den Kontakt zur Familie und zu Freunden kann man während der langen Reisen auf dem Schiff nur per E-Mail aufrechterhalten. Und noch nicht mal dafür ist immer Zeit. Das kann ich nur bestätigen! Auch zu Beginn der jetzigen Südamerikatour ließ Marci nur wenig von sich hören. Aber in jedem eingelaufenen Hafen ruft er an. Dann weiß ich, dass er noch lebt und dass es ihm gut geht. Ich kann nicht beschreiben, wie erleichtert ich war, als ich nach den Neuigkeiten von dem schrecklichen Unfall auf der Gorch Fock in Salvador de Bahia Marcis vertraute Stimme am Telefon vernahm.

Eigentlich wollte Marci im Dezember nur für einen kurzen Urlaub in die Heimat zurückkommen. Leider stellte sich bei einem Krankenhausbesuch heraus, dass die Mittelohrentzündung, die ihn während der Reise plagte, chronisch und nur durch eine Operation zu behandeln ist. Marci wurde zu zwei Monaten Zwangsurlaub verdammt! Einerseits freue ich mich, dass er nun wieder länger an Land und in Reichweite ist. Andererseits weiß ich, wie sehr er seine Arbeit liebt und wie ihn in solchen Momenten das Fernweh packt. Und nun sprechen sie im Fernsehen und Internet ständig über den Unfall auf der Gorch Fock. Marci ist darüber sehr wütend. Er sagt, dass die Meldungen schrecklich verzerrt seien und dass er sich hier so machtlos fühle. Ich kann verstehen, dass es ihn nun noch mehr aufs Schiff zurückzieht und drücke ihm die Daumen, dass er bald wieder an Bord der mit dem goldenen Albatros bestückten Gorch Fock stehen kann. Ich wünsche ihm „immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel“.

Von Birte Hensen