Das Ende vom Anfang

Erschlagende 1.500 Erstitaschen. Viele landen nach ein paar Monaten wieder in der Ecke
Erschlagende 1.500 Erstitaschen. Viele landen nach ein paar Monaten wieder in der Ecke. (CC) Yelena Zimdahl

Seit Jahren schmückt sich die Uni mit dem Begriff der Nachhaltigkeit. Kaum hat die Startwoche begonnen, ist es mit den grünen Grundsätzen schon vorbei….

Letztens war es wieder so weit: Rund 1.500 Erstsemester stürmten die Leuphana, bevölkerten die Hörsäle, wurden in Scharen durch die Bibliothek geführt und mümmelten fröhlich ihr erstes Mensaessen. Jedes Jahr kommt eine neue Ladung frisch gebackener Studierender an die Universität und jedes Jahr stolpern sie über dieses Wort: Nachhaltigkeit. Mancher Student, der dies jetzt liest, schmunzelt oder verdreht die Augen. Aber, und das ist auch gut so, wir alle wissen nach dem ersten Semester grob, worum es sich bei diesem N-Wort handelt. Die ahnungslosen Erstis kommen an unsere Universität und werden direkt von den Solaranlagen auf den Dächern und den veganen und vegetarischen Speisen der Bio-Mensa begrüßt. Dem Thema Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Studiengang gewidmet, Erstis müssen auch durch das Modul „Wissenschaft trägt Verantwortung“. Eine gute Sache – jeder Studierende berechnet seinen ökologischen Fußabdruck undhört sich Vorträge über furzende Kühe, die Erwärmung der Erde und Klimaflüchtlinge an.

Sponsorengeschenke mit extra viel Verpackung.
Sponsorengeschenke mit extra viel Verpackung. (CC) Yelena Zimdahl

 

Aber,schon am ersten Tag der Startwoche, geschieht etwas, bei dem alle guten Grundsätze „in die Tonne getreten werden“: Der gemeine Ersti erhält ein Starter-Paket! Dieses sogenannte Starter-Paket ist eine mit vielen kleinen Werbegeschenken vollgestopfte Tasche. Zugegeben, ich habe darüber nie groß nachgedacht. Vielleicht fand ich diese Tasche auch anfangs cool – bis zu dem Tag, an dem ich über 1.500 Stück davon packte. Die Taschen aus Plastik wurden zusammen mit einer Menge Zeugs, gesponsert von diversen Unternehmen, an die Uni geliefert. Wir Helfer packten jede Tasche voll mit Kugelschreibern, Müsli, einer CD, Zeitschriften, Gutscheinheften, Teebeuteln in Plastiktüten, und vielen anderen Kleinigkeiten. Dabei entstand Stück für Stück ein riesiger Berg Müll. Jede Tasche war in Plastik eingepackt und mit Schutzfolie umgeben und alles wurde in Kartons angeliefert. Wir fleißigen Helfer staunten nicht schlecht über die entstehenden Müll-Labyrinthe durch die wir uns schlängeln mussten.

Am Ende des Tages - ein Müllberg.
Am Ende des Tages – ein Müllberg. (CC) Yelena Zimdahl

Fragen kamen auf: Müssen fünf NicNac‘s in verschweißten Plastiktütchen in das Starter-Paket? Warum bekommt ein Ersti gleich zwei Packungen Müsli, reicht nicht eine? Was sollen all die alten Zeitschriften? Ich bin mir sicher, dass nur wenige Studenten durch Magazine wie die „Business Punk“ blätterten, bevor sie diese getrost in die Tonne schmissen. Die über 1.500 Ersti-Taschen hatten natürlich auch eine weite Reise hinter sich. China war ihr Ursprung, wo sicher gut bezahlte Näherinnen fröhlich die Plastiklappen zu stilvollen Taschen zusammen nähten… Viele der aufwendig produzierten Taschen landen sicherlich bereits nach ein paar Wochen in der Ecke.

Also lieber Jutebeutel mit Möhrchen und Äpfeln und einer Anleitung für das Stricken von Wollsocken gefüllt?

Zugegeben, solch eine Kritik katapultiert einen schnell in die Öko-Mecker-Ecke. Aber warum schmücken wir uns mit Solaranlagen, UNESCO-Preisen, Öko-Modulen und Klimaprojekten, wenn alle Prinzipien schon im Kleinen, bei 1.500 Willkommens-Taschen hingeschmissen werden? Einige überflüssige Artikel weniger und eine Tasche, die im Sozialprojekt um die Ecke hergestellt wurde, könnten schon die Lösung sein. Solche Ideen gab es im zuständigen Seminar unter den Studierenden, aber sie sind in den Hintergrund geraten. Nachhaltigkeit hin oder her: Die Erstis durch schöne und korrekt produzierte Taschen, gefüllt mit durchdachten Produkten, willkommen zu heißen, wäre ein guter Anfang und eine Einladung, einen Schritt weiter zu denken! Und eine nervige Frage hab‘ ich dann noch zum Schluss: Warum fliegt die fünfzehnköpfige Gewinnergruppe der Startwoche eigentlich nach Jordanien?

 

Autorin: Yelena Zimdahl

 Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Gastbeitrag. Hast du auch tolle Ideen für einen Artikel oder ist dir etwas passiert oder aufgefallen, wovon möglichst viele Studierende wissen sollten? Dann sende uns gern deinen Entwurf an univativ@leuphana.de