Zurück zum Zuhälter

(c) Luca Dittmer

Nach dem Autotune-verseuchten Bossaura erscheint nun „King“, das neueste Machwerk des Bosses der Bosse. Und das lässt auch die letzten zweifelnden Stimmen verstummen, denn hier besinnt sich einer wieder zurück auf seine Wurzeln.

Es ist mal wieder soweit: Der halbkanadische Wortakrobat aus dem Ruhrpott entschwebt seinem überirdischen Mikrokosmos und schickt sich an, seine neueste Musikkreation dem kulturell darbendem Volke zukommen zu lassen; gemeint ist der, der dem einfachen Pöbel unter dem wohlklingenden Namen Kollegah bekannt ist. Nach einer schier endlosen Promophase, zig Latenightshows und einem wahren Stakkato an Freetracks wirds nun ernst: Der Boss entsendet ein neues Machwerk hinein in die Hörgange seiner wartenden Fanschar. Die stellt naturgemäß sehr hohe Ansprüche, denen, so viel sei an dieser Stelle schon einmal ausgeplaudert, der selbsternannte King größtenteils gerecht wird. Das fängt schon damit an, dass hier kein inhaltlich ausgeleiertes, laufzeitkastriertes Durchschnittsalbum releast wird, sondern ein gut im Futter stehender Longplayer, der erst nach mehr als einer Stunde durchgehört ist.

Was in dieser Zeitspanne so an Songs auf einen herniederprasselt, variiert von brachial-produzierten Bangern wie „Lamborghini Kickdown“ oder „Karate“ bis hin zu deepen Tracks wie „Morgengrauen“ , auf denen Kollegah ganz wie bei Klassikern a la „Sommer“ tiefere Einblicke unter die von Kokapaste und Haargel zusammengehaltene Pimpfassade gewähren lässt. Die wissen durchaus zu gefallen, nur mutet hier und da der Widerspruch von einerseits Tec9-Drive-Bys aus der S-Klasse hin zu Aussagen wie „Die Fläche meiner Rolex reflektiert den hellen Schein des Mondes, sinnloser Luxus der verwelkt wie eine Rose“ etwas ulkig an. Aber hey, es ist Entertainment, am Ende des Tages sollte man das nicht für bare Münze nehmen. Vor allem nicht von einem Künstler, der die vor Arroganz triefende, frauenverachtende Pimpattitüde kombiniert mit ironischer Unterfütterung quasi im Alleingang erfand.

Das wichtigste, und das worauf sich wahrscheinlich jeder halbwegs mit intakten Synapsen ausgestattete Homo Sapiens gefreut hat, sind die Punchlines. Und die sind wie gewohnt Spitzenklasse. Kleines Beispiel gefällig? „Meine Raps kommen wie Tec9-Salven, Texte schreiben ist wie Angeln, weil ich dafür Cash erhalte“. Das war jetzt nur eine von gefühlt Tausend. In dieser Beziehung hat Felix Antoine Blume, so der bürgerliche Name Kollegahs, mal wieder die deutsche Sprache auf ihr maximales Rapverwurstungspotenzial abgeklopft. Und sie lieferte. Dennoch treten nach mittlerweile neun Alben schon vereinzelt Ermüdungserscheinungen auf, denn sobald die feingeölte Lyrikmaschine aus dem Arbeitstakt gerät und der Punchlinefluss stockt, merkt man dem thematischen Dreigestirn Waffen, Bitches und Dicke Eier seine übermäßige Verwendung ein wenig an. So ist leider nicht alles rosig am sonnenunterganggetränkten Horizont. Bei der größtenteils mittelmäßigen Beatauswahl leistet sich der Boss ebenfalls ein paar kleine Schnitzer. Da gehen abgesehen von wenigen Glanzstücke wie die bereits erwähnten „Karate“ und „Lamborghini Kickdown“ die meisten im Sumpf von tiefem Bass, abwechslungsarmen Loops und billig wirkenden Streichern und Chören unter. Aber wer die Diskografie kennt weiss, dass die Beatauswahl nie die größte Stärke des Halbkanadiers war. Etwas deplatziert mutet auch der Track „Du bist Boss“ an. Mag sein, dass hier jemand Aufmunterungstipps an gemobbte Ghettogermanen geben möchte, aber so eine durchökonomisierte Selbstoptimierungsballade ist sicher nicht jedermanns Geschmack.

So bleibt am Ende aber trotzdem ein würdiges Album mit Features, die durch die Bank weg ordentliche Parts abliefern, sowie einem nicht anders gewohntem exzellenten Widerspielwert dank hoher Punchlinedichte, das seinen Kaufpreis allemal wert ist.

Autor: Luca Dittmer