Eingeschaltetes Macbook - cottonbro - (c) Pexels

Zoom-Name: Max Mustermann (he/him)

In Zeiten der Online-Lehre ergänzen immer mehr Studierende bei Videokonferenzen ihre Personalpronomen in das Namensfeld. Studierende des ersten Semesters erzählen, was sie dazu bewogen hat und was sie sich für die Zukunft wünschen.

Ob online oder offline – wir schreiben unseren Mitmenschen oft unmittelbar Pronomen zu. Wir sprechen sie mit „Herr“ oder „Frau“ an und erzählen von „ihm“ und „ihr“. Das einzige, das wir zur Einteilung nach „sie“ und „er“, nach weiblich und männlich, nutzen, sind oft Körperbau, Stimmlage und die Frisur. In Zeiten von Videokonferenzen entscheiden wir oft sogar nur auf Grundlage der kleinen Bildkachel, die wir sehen. Dabei wissen wir eigentlich, dass es so einfach nicht ist. Es gibt mehr als zwei Geschlechter und nicht jede*r identifiziert sich mit dem ihm*ihr zugeordneten Geschlecht.

Finn studiert genauso wie Kaddi, Anne und Celina an der Leuphana im ersten Semester. Er erzählt von einer Gruppe, in der sich alle mit Namen und Pronomen vorgestellt haben. Eine Person habe dann gesagt, dass sie mit den weiblichen Pronomen angesprochen werden möchte. „Ich hätte sie einfach mit dem Pronomen ‚er‘ angesprochen, weil ich sie als männlich gelesen habe. Das hat mir die Augen geöffnet, weil ich sie sonst in eine sehr blöde Situation gebracht hätte “, erzählt Finn.  Diese Situation habe dazu geführt, dass er sein Pronomen „er“ bei Zoom in das Namensfeld dazuschreibt, auch wenn er als cis-Mann richtig gelesen wird .

Kaddi hat sich aus einem ähnlichen Grund dazu entschieden: „Meine Pronomen stehen hauptsächlich hinter meinem Namen um das Pronomen-Sagen zu normalisieren. Sie möchte „einen safe space kreieren, für alle, die nicht unbedingt so gelesen werden, wie ihre Pronomen tatsächlich sind“. Sie wolle damit erreichen, dass diese Menschen nicht herausstechen, wenn sie ihr Pronomen angeben.

Vielfalt der Geschlechter und Pronomen

Nicht alle Menschen identifizieren sich mit dem Geschlecht, das ihnen die Gesellschaft zuschreibt. Das Gleichstellungsbüro der Leuphana empfiehlt dazu eine Broschüre der Akademie der bildenden Künste Wien, in der  verschiedene Geschlechteridentitäten erklärt werden:

  • Trans*: Als Trans* oder transgender bezeichnen sich Menschen, deren Geschlecht nicht oder nur teilweise dem Geschlecht entspricht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.
  • Nicht-binär:  Menschen die sich als nicht-binär oder non-binary bezeichnen, verorten sich nicht in der binären Geschlechterordnung. Sie sind weder (nur) weiblich, noch (nur) männlich. Sie können z. B. weiblich und männlich sein, ein anderes Geschlecht haben oder ihr Geschlecht ändert sich immer wieder.
  • Inter*: Als Inter* oder intergeschlechtlich können sich Personen bezeichnen, deren Geschlechtsmerkmale von der medizinischen Norm „weiblicher“ oder „männlicher“ Körper abweichen. Sie können sich aber auch mit der männlichen, weiblichen oder mit einer  anderen Geschlechteridentität identifizieren.
  • Cis-Gender: Als Cis-Mann oder Cis-Frau bezeichnen sich Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.

Daher ist es laut dem Gender-Diversity-Portal der Leuphana wichtig, alle Studierende richtig anzusprechen. Dass die Auswahl eines Pronomens gar nicht so leicht ist, erzählt Anne: „Meine Pronomen im Deutschen sind sie/ihr, weil ich bisher keine passende geschlechtsneutrale Pronomen gefunden habe. In meinem Zoom-Namen steht (she/they)“.

Die deutschen Personalpronomen sind entweder männlich oder weiblich.  Als Alternativen schlagen diverse Menschen zum Beispiel die nicht-binären Pronomen wie „xier“, „per“, „sie_er“, „eins“ oder wechselnde Pronomen vor. Mangels deutscher Alternativen nutzen manche Menschen auch das schwedische „hen“ oder das englische „they“. Die Verwendung des sächlichen Pronomens „es“ wird von den meisten nicht-binären Menschen als abwertend empfunden.

Digitale Lehre: Segen oder Fluch für mehr Gleichberechtigung?

Die digitale Lehre kann für die Gleichstellung aller Studierenden eine Herausforderung sein. „Der enorme Zeitdruck unter dem digitale Lehrformate entstanden sind führt unter Umständen dazu, dass in der gebotenen Eile der Schutz vor Diskriminierungen nicht vollumfänglich gelungen ist.“ heißt es im Gender-Diversity-Portal der Leuphana.

Für die Nennung des richtigen Pronomens kann die digitale Lehre jedoch auch eine Chance sein. Bei Zoom und anderen digitalen Konferenzsystemen ist ohnehin das Eintragen eines Namens nötig, der dann unter dem Bild der Teilnehmenden angezeigt wird. Dort können Teilnehmende ihre gewünschten Pronomen ohne großen Aufwand dazuschreiben.

Diesen Vorteil der digitalen Lehre sieht auch die Studentin Celina:  „Ich finde es furchtbar, Menschen einfach nur aus Unwissen mit dem falschen Pronomen anzusprechen. Die Möglichkeit, die man jetzt bei Zoom hat, den Namen und die Pronomen immer lesen zu können, finde ich sehr gut.“

Visionen für die Zukunft

Viele der Studierenden, die mit uns gesprochen haben, wünschen sich, dass in Zukunft immer mehr Kommiliton*innen ihrem Beispiel folgen. Und es scheint zu funktionieren: Viele Studierende erzählen, dass sie ihre Pronomen dazugeschrieben haben, weil sie es bei Kommiliton*innen so gesehen haben und sich dachten „ja, warum eigentlich nicht?“.

„Meine Vision wäre, wenn es alle Menschen machen und man dadurch Barrieren abbaut, Rücksicht nimmt und diesen Menschen ermöglicht, an Meetings teilzunehmen, ohne ständig Diskriminierungserfahrungen zu sammeln“, sagt Finn. Auch Celina findet die Entwicklung gut:  „Ich finde es sehr angenehm, wenn alle ihr Pronomen dazuschreiben, weil man dann gleich weiß, wie man alle ansprechen kann.“

Mehr Gleichberechtigung durch Verpflichtung?

Diese Entwicklung soll laut den befragten Studierenden aber weiterhin auf Freiwilligkeit beruhen: Menschen, die ihr Pronomen nicht nennen möchten, könnten sich Kaddi zufolge sonst unwohl fühlen, blamiert werden oder sich dazu gedrängt fühlen, sich zu outen. „Pflicht und auch Aufforderungen in dem Kontext führt ultimativ zu sozialem Druck.“

Auch Celina würde keine Pflicht befürworten: „Es gibt ja auch Leute, die sich noch unsicher sind oder es nicht zeigen wollen, weil sie noch am überlegen sind. Für sie kann es dann schwierig sein, sich zuordnen zu müssen.“ Eine andere Studierende empfindet es nicht als Pflicht, „da doch jede Person mit den Pronomen angesprochen werden möchte, mit denen sich dieser Mensch identifiziert.“


Titelbild: cottonbro/ Pexels.com

In einer früheren Version des Artikels stand fälschlicherweise, dass die Pronomen „xier“ und „hen“  finnisch seien. Wir haben den Fehler korrigiert.

Carla L. Moritz

isst gerne Brezel mit Honig und Marmelade übereinander und liebt es auch sonst Neues auszuprobieren.

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