Von allen Seiten bekommt man es zurzeit zu hören: ‚den Leitmedien ist nicht zu trauen!‘ Begriffe wie ‚Alternative Fakten‘ und ‚Fake News‘ haben sich ebenso etabliert wie ‚Corona-Diktatur‘, ‚Plandemie‘ oder ‚Mainstream-Medien‘. Aber wo sind sie denn alle, die gekauften Medien? Und wenn das mit den korrupten Pressevertreter*innen wirklich so ein offenes Geheimnis ist, dass es ein Teil der Bevölkerung anscheinend schon immer gewusst haben will – wo ist er, der Reichtum der Journalist*innen?
Aufregend muss das sein. Man stelle sich vor, eines Tages ist es soweit: Studium abgeschlossen, die Ausbildung an der Journalist*innenschule ist bestanden und man selbst – junges, aufstrebendes Mediengenie, aspiring writer, wie man im Sprech des 21. Jahrhunderts wohl sagt (oder auch nicht) – beginnt sein Volontariat oder seine erste Stelle in einer der prestigeträchtigen journalistischen Redaktionen des Landes. Ich werde allen Kollegen und Kolleginnen vorgestellt, mir wird mein zukünftiger Arbeitsplatz zugewiesen (oh mein Gott, sogar eine Topfpflanze auf dem Schreibtisch) und mir werden alle Vorgänge erklärt, die ich für meine künftige Arbeit beachten muss. Doch dann – das Gespräch.
Ich werde von einem nervösen Assistenten zu einer Tür gebracht, die mir bisher noch nicht aufgefallen ist. Er bleibt stehen und sagt zu mir ‚Ich kann dich nur bis hierhin begleiten‘ und blickt schuldbewusst auf seine Schuhspitzen. Na gut, denke ich und beschreite mit zittrigen Knien die Treppe ins Dunkel, die hinter der Tür auf mich wartet.
Auf der anderen Seite eröffnet sich mir die Wahrheit.
Ich sitze nervös in einem dunklen, weil fensterlosen, aber wahnsinnig luxuriösen Büro mit schweren Sesseln, mir wird ein Kaffee gebracht, den ich nur mit Fug und Recht als exquisit bezeichnen kann und eine ernst dreinblickende Chefredakteurin im Chanel-Kostüm erklärt, dass die Dinge mit den Medien eigentlich ganz anders laufen. ,Wir bekommen unsere Befehle von…‘ sie räuspert sich – ,von denen da oben’.
Na gut, Spaß beiseite, dieses kleine Szenario male sich vielleicht aus, wer permanent hört, den Medien sei nicht zu trauen. In dem Vorwurf steckt durchaus Material für einen spannenden Politthriller, doch wenn man sich mal ernsthaft damit beschäftigt, sollte man doch eigentlich nicht umhin kommen, den Gedanken mal zu Ende zu denken. Die Medien sind gekauft, gleichgeschaltet, bekommen ihre Befehle direkt von Angela Merkel – soweit so gut, aber wie funktioniert das Ganze denn genau? Wie häufig gehen die Befehle von oben an alle Redaktionen des Landes? Einmal im Monat, einmal in der Woche, sogar täglich? Werden diese per Mail verschickt, per Post, per Kurier? Oder gar auf abhörsicheren Leitungen direkt von der Bundesregierung telefonisch kommuniziert? Und zu guter Letzt: wo sind die Beweise?
Gekaufte Journalisten
Die Problematik an der Sache ist ja, dass niemand so genau ausspricht, wie das denn genau läuft mit der manipulierten Berichterstattung – dementsprechend ist es fast unmöglich, die diffusen Behauptungen konkret zu widerlegen, und wenn man es dann doch schafft, dauert die Recherche immer zehnmal so lang wie die Aufstellung der nächsten wilden These (s.a. Brandolini-Gesetz).
Aber es gibt doch Enthüllungsberichte, wird da so manch eine*r sagen, wie sieht das denn beispielsweise aus mit dem Buch ‚Gekaufte Journalisten‘ von Udo Ulfkotte? Ulfkotte, ehemaliger FAZ-Journalist (und unfassbarer Weise auch früherer Dozent an der Leuphana, der in der Vergangenheit versuchte, Studierende in Lüneburg für den BND zu rekrutieren), schreibt in seinem vielfach verkauften Werk, die CIA verfasse in Wahrheit die Texte für Redaktionen und wie ‚sauwohl‘ sich Journalist*innen in den Spinnennetzen amerikanischer und israelischer Einflussgruppen fühlten. Jedem Menschen, der sich für die ‚wahren Hintergründe‘ interessiert, sei an dieser Stelle empfohlen, sich doch einfach mal selbst mit Ulfkottes Lektüre zu beschäftigen und sich ein eigenes Bild zu machen, denn obwohl wir (laut Klappentext) in einer Welt der simulierten Meinungsfreiheit leben, ist das Buch ein Bestseller und frei verfügbar auf Amazon, Weltbild und auf der Website des Kopp-Verlags.
Der Kopp-Verlag, für alle, die es noch nicht wissen, ist bekannt für seine Tendenz, nachgewiesen rechtsradikale und rechtsesoterische Autor*innen zu verlegen und wirbt neben verschiedensten Büchern mit reißerischen Titeln wie ‚Durch Corona in die neue Weltordnung‘, ‚Die Weltbeherrscher‘, oder ‚Die große Verschwulung‘ (kein Witz) auch mit Esoterik, Nahrungsergänzungsmitteln und Artikeln für die Prepper-Szene. Seit kurzem ist auch das Ehepaar Wendler mit von der Partie. Neben Autoren wie Akif Pirinçci , der sich in der Vergangenheit bereits Geldstrafen wegen Volksverhetzung eingehandelt hat, weil er auf Pegida-Demonstrationen von ‚Umvolkung‘ und ‚Moslemmüllhalden‘ sprach und für seinen Frauen- und LGBTQ-Hass bekannt ist, verbreitet Peter Orzechowski antisemitische Verschwörungstheorien und verdächtig reichsbürgerhafte Erzählungen von der deutschen ‚Besatzungszone‘ und Eva Hermann, ehemalige Tagesschau-Sprecherin und mittlerweile tief in der rechten Szene verwurzelt, schreibt im Bezug auf die Flüchtlingskrise in ‚Deutschlands Totalausfall‘ von ‚Gesinnungsterror‘ und der ‚Klimawandel-Hysterie‘.
Auch Sucharit Bhakdis Buch vom ‚Corona-Fehlalarm‘ ist beim Kopp-Verlag zu finden, dessen Gründer Jürgen Kopp es als die Mission seines Verlages sieht, ,Themen und Meinungen zu publizieren, die vom Mainstream ignoriert, tabuisiert oder im schlimmsten Fall unterdrückt werden’, wie er gegenüber Deutschlandfunk schreibt.
Aber zurück zu Ulfkotte.
Natürlich kann sich der kritische, selbstdenkende Mensch von heute das Buch kaufen und es selbst lesen. Nur weil er mit islamfeindlichen und rechtspopulistischen Inhalten glänzt und von stiller Islamisierung des deutschen Volkes schreibt, muss man seine Medienkritik ja nicht im selben Zug verwerfen, denn Meinungsfreiheit ist und bleibt Meinungsfreiheit, selbst wenn man nicht mit Ulfkottes Weltanschauung übereinstimmt. Auch ein Mensch, dessen politische Ansichten ich zutiefst ablehne, kann relevante Erfahrungen machen, die es zu berücksichtigen gilt. Aber wer viel auf seine eigene kritische Denke hält, dem oder der sei ans Herz gelegt, sich genauso mit der Gegendarstellung zu befassen und einige Faktenchecks zu lesen, um ehrlich und wahrhaftig behaupten zu können, man mache sich sein eigenes Bild.
Viele Werke Ulfkottes, darunter ‚Grenzenlos kriminell – Was Politik und Massenmedien über die Straftaten von Migranten verschweigen‘ oder ‚Die Asyl-Industrie‘ sind oder waren SPIEGEL-Bestseller und verdanken somit einen Teil ihrer Reputation einem Siegel, ausgestellt von einem genau der Massenmedien, die Ulfkotte anprangert. Man mag vom SPIEGEL nun halten was man möchte, aber man kann nicht behaupten, die Werke Ulfkottes würden aufgrund ihrer Inhalte benachteiligt, indem diese nicht als vom SPIEGEL ermittelte Bestseller gekennzeichnet würden.
Wer sich zur Persönlichkeit des Autors weitere Meinungen einholen will, dem sei an dieser Stelle das Porträt von Jan Fleischhauer empfohlen. Offensichtlich hat Ulfkotte, im Jahr 2017 im Alter von 56 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben (nicht sein Erster), in einer Art Festung mit eigener Strom- und Wasserversorgung gelebt, geschützt von einem See, einem meterhohen Zaun und einer Gänseherde, die bei Annäherung sofort Alarm schlagen sollte. Ohne nun weiter auf seine Paranoia eingehen zu wollen, empfehle ich an dieser Stelle außerdem ein paar Faktenchecks vom freien Journalisten Stefan Niggemeier zu einigen der abenteuerlicheren Behauptungen in dem Buch.
Was all diesen Quellen gemein ist, ist die Rhetorik zu einer geheimen (meist jüdischen) Elite, dem Mainstream oder den sogenannten ‚Leitmedien‘, die uns alle manipulieren und belügen, und ganz besonders im Bezug auf die Corona-Pandemie sieht sich der deutsche Journalismus in letzter Zeit wieder heftigster Kritik ausgesetzt. Ich werde an dieser Stelle nicht weiter auf die Behauptungen eingehen, die Pandemie sei eine Erfindung, oder werde, mit dem Ziel, andere geheime Pläne zu verwirklichen, von der Bundesregierung gezielt aufgebauscht.
Wo ist der gleichgeschaltete Propaganda-Apparat?
Wenn es um den Vorwurf geht, der Journalismus sei gelenkt von der Bundesregierung, von Merkel oder sonst wem, tut sich für mich nicht nur die Frage nach konkreten Beweisen auf, sondern auch wie es sein kann, dass ebenjene Bundesregierung in der aktuellen Berichterstattung ihre schärfste Kritikerin findet. Kritik an der Corona-Politik gibt es von der Süddeutschen ebenso wie von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, von der TAZ ebenso wie vom FOCUS, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.
Auch in der Wissenschafts-Community selbst gibt unterschiedliche Einschätzungen der Lage – so werden die Positionen vom Virologen Prof. Hendrik Streeck, der für eine optimistischere Sichtweise plädiert, ebenso veröffentlicht wie die anderer Expert*innen wie Prof. Christian Drosten oder Prof. Sandra Ciesek, die zu mehr Vorsicht mahnen. Die Gemeinsamkeit: alle sind anerkannte Expert*innen, können sich fundiert zum Coronavirus äußern und operieren auf der gleichen konsensualen wissenschaftlichen Basis – anders als beispielsweise der sich im Ruhestand befindende Mikrobiologe Sucharit Bhakdi, dessen Fachgebiet weder Coronaviren noch Impfstoffe sind und der seit Jahren nicht mehr publiziert hat. Dass die Aussagen in seinem Buch ‚Corona-Fehlalarm‘ wissenschaftlich nicht haltbar und teilweise grob falsch sind, bestätigen Experten des ganzen Landes unabhängig voneinander (Quellen: hier, hier, hier oder hier). Das Buch verkauft sich trotzdem prächtig.
Was ist Wissenschaft?
Wer das nun als gezielte Schmutzkampagne eines gleichgeschalteten Medienapparats versteht, stelle sich selbst die Frage, warum der Professorentitel eines einzelnen Wissenschaftlers, der seine Promotion ziemlich genau vor 50 (!) Jahren gemacht hat, Rechtfertigung für alle unbelegten oder bereits widerlegten Thesen sein kann, während Wissenschaftler*innen auf der ganzen Welt, die hier und heute anerkannte Expert*innen auf dem Fachgebiet der Coronaviren sind, aktuell forschen und regelmäßig veröffentlichen, als Propaganda, Übertreibung oder Meinungsmache abgetan werden. Wissenschaft ist keine Sekte und kein Verein, der zentral regiert wird und immer dieselben Ergebnisse zeigt – wissenschaftlich vorgehen bedeutet, Erkenntnisse unabhängig von einander, immer und immer wieder zu hinterfragen und neu evaluieren zu müssen. Wenn es eine Studie gibt, die die Funktion von Masken in Bezug auf das Coronavirus in Zweifel zieht, und dagegen auch ein vielfaches an Studien, die die Wirksamkeit bestätigen, während Expert*innen zudem die vermeintliche Gefahr von Sauerstoffmangel für gesunde Menschen klar widerlegen, sollte man sich fragen, warum man geneigt ist, der einen Studie einen heldenhaften Underdog-Status zu verleihen, während man die wissenschaftliche Akkuratesse und Integrität aller anderen in Zweifel zieht. Ist da etwa jemand voreingenommen? Und mit diesem Wissenschaftsverständnis berufen sich ‚Corona-Kritiker*innen‘ in ganz Deutschland auf die fünf Jahrzehnte zurückliegende Promotion eines Mikrobiologen im Ruhestand.
Mediendynamiken sind kompliziert und können kritisiert werden
Letztendlich bestätigt sich der Vorwurf von systematisch gekauften Journalist*innen in keinem Fall. Es mag der Digitalisierung und ganz sicher hochproblematischen Dynamiken von Social Media zu Lasten gelegt werden, dass alle durcheinander reden und hohe Verunsicherung herrscht, es mag unter anderem an der häufig unzureichenden und voller falscher Versprechungen steckenden Corona-Politik der Bundesregierung liegen, dass die Frustration steigt und sich viele abgehängt fühlen. Dass keine Fehler gemacht werden, hat niemals irgendjemand behauptet (außer Andi Scheuer vielleicht). Und ein korrupter Journalist macht noch keinen Propaganda-Apparat.
Doch dieselben Journalist*innen, die durch investigative Recherche Steuerbetrügereien wie CumCum/ Cum-Ex oder den Wirecard-Skandal aufgeklärt haben (in die Regierungsvertreter in hohen politischen Ämtern verwickelt gewesen sein sollen), dieselben Journalist*innen, die nachgewiesen haben, dass es mit den Spenden bzw. Schenkungen an Querdenken nicht immer mit rechten Dingen zugeht (wer Letzteres nicht glaubt, kann sich hier ab Minute 49:52 gerne überzeugen, wie Michael Ballweg selbst zugibt, Gelder als Schenkungen markiert auf sein Privatkonto zu erhalten) werden als Lügner*innen und ‚Systemlinge‘ diffamiert. Mit Morddrohungen aus der rechten Szene sind die meisten von ihnen leider nur zu gut vertraut.
Die Erzählung vom linksradikalen Schreckgespenst (Meinung)
Währenddessen wird die Erzählung der linken Meinungsmache weiter auserzählt und perfektioniert, so als sei Linksextremismus eine tatsächliche Bedrohung für Leib und Leben, während in Wahrheit die rechtsextreme Szene sich nachgewiesenermaßen aufrüstet: Allein im Vergleich zu 2019 ist der legale Waffenbesitz von rechtsradikal eingestellten Personen um 35% gestiegen, von der Dunkelziffer ganz zu schweigen. Und gerade Organisationen rund um Corona-Leugner*innen sind nachweislich eng vernetzt mit rechtspopulistischen bis rechtsradikalen Akteur*innen, propagieren Verschwörungsideologien, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. Über die antifaschistische Bedrohung können wir dann reden, wenn in den Kellern von Linksradikalen regelmäßig Waffen und Munition für eine ganze Armada gefunden werden, oder in geheimen Chatgruppen von Polizei und Militär vom kommunistischen Aufstand die Rede ist. Bis dahin richte ich mein Augenmerk auf die Realität: 252 Angriffe auf Journalist*innen gab es allein im letzten Jahr, die meisten davon auf Querdenken-Demonstrationen. Horst Seehofer währenddessen relativiert die rechtsextremistischen Tendenzen bei der Polizei als Einzelfälle und blockiert weitere Nachforschungen, während ich von anonymen Profilen im Netz Behauptungen lese, die Antifa werde von der Regierung geschützt und sogar bevorzugt geimpft.
Die Bedrohung der Pressefreiheit kommt nicht von links – sie kommt von rechts, und sie wird genau von den Leuten vorgebracht, die sie gern eingeschränkt hätten. Ich habe die Hakenkreuze und SS-Symbole in einigen der Droh-Mails mit eigenen Augen gesehen, die Pressevertreter*innen und Politiker*innen täglich bekommen, und die voller hasserfüllter, ideologisch aufgeladener Rhetorik stecken. Währenddessen müssen sich links eingestellte Menschen mit Begriffen wie ‚Gender-Wahn‘ auseinandersetzen, wenn es um geschlechtergerechte Sprache geht. Verkehrte Welt.
Nur noch ein weiteres Beispiel: ServusTV, ein österreichischer Privatsender, der regelmäßig die Show ‚Das Corona-Quartett‘ mit Bhakdi und anderen Corona-Leugnern wie Wolfgang Wodarg ausstrahlt, befindet sich in der Hand von vielfachem Milliardär und Red Bull-Gründer Dietrich Mateschitz, einem bekannten Rechtspopulisten, der in der Vergangenheit aufgefallen ist mit Äußerungen zur ‚linken Meinungsdiktatur’ und auf seinem Sender unter anderem Interviews mit Rechtsradikalen wie Martin Sellner zeigt.
Das Märchen von den Staatsmedien war schon vor Corona eine rechtspopulistische Erzählung
Keine Quellen von Corona-Leugner*innen, die nicht auf irgendeine Weise mit Rechtspopulisten, Reichsbürgern oder Rechtsradikalen in Verbindung zu bringen wären. Im Gegensatz dazu: NS-Vergleiche, wohin das Auge sieht. Warum diese umgekehrte Logik sich so hartnäckig hält, erkläre ich mir damit, dass es sich so gut anfühlen muss, nicht dem ‚Mainstream‘ zu ‚gehorchen‘, sich ‚nicht täuschen zu lassen‘, ,kritisch zu bleiben’.
Die Masse der Demonstrierenden auf Querdenken-Demos ist nicht rechtsextrem eingestellt, das hat eine nicht repräsentative Studie der Universität Basel ergeben. Doch die Studie zeigt auch: Die Bereitschaft, die AFD zu wählen, ist bei den Befragten stark gestiegen, von 15% auf 27%. Man kann bei der letzten Wahl so grün gewählt haben, wie man will – sobald man sich von diesen Gruppierungen nicht kompromisslos abgrenzt, ist man auf dem rechten Auge blind. Eine der größten Gefahren, die von rechten und anderen menschenverachtenden Ideologien ausgeht, ist die Toleranz von Intoleranz. Eine demokratische Gesellschaft ist kein Status quo und wird nicht erhalten bleiben, indem man mit Holocaust verleugnenden Rassist*innen demonstriert.
Die Ironie an der Sache ist für mich die, dass die offensichtlich manipulative Rhetorik und die reißerischen Inhalte von Querdenker-Websites bis hin zum Kopp-Verlag ihre Wirkung nicht verfehlen – bei eben jenen Menschen, die selbst viel auf ihre kritische Weltsicht geben und erst recht glauben, nicht manipuliert werden zu können. Doch wer Medien wirklich versteht, weiß, dass sich niemand, wirklich niemand, der Beeinflussung durch Medien entziehen kann – auch und schon gar nicht Querdenker. Nur so erklärt es sich für mich, dass der breiten Masse der Querdenker-Sympathisant*innen nicht auffällt, dass man ihnen mit Merchandise und Schenkungsaufrufen für juristisch sinnlose Klagen unhinterfragt Unsummen an Geld aus der Tasche ziehen kann, während hinter jedem anerkannten Medium eine geheime Elite mit bösen Absichten stecken muss. Mit Beeinflussung durch Medien meine ich hier nicht staatliche Propaganda, sondern weise darauf hin, dass allein schon die Struktur und Natur von Medien eine gewisse Form vorgeben und man sich bei jeder Art der Berichterstattung der eigenen Subjektivität, Voreingenommenheit und Beeinflussbarkeit bewusst sein sollte – wenn man wirklich so kritisch ist, wie man denkt. Aber den Verfasser*innen journalistischer Beiträge reflexhaft eine geheime Agenda vorzuwerfen, ist der falsche Weg.
Letztendlich geht es um das eigene Selbstbild (Meinung)
Die pauschale Ablehnung der sogenannten Leitmedien ist ebenso normativ und undifferenziert wie blinde Gläubigkeit. Eben jene Ablehnung wird heroisch aufgeladen: das Misstrauen in den ‚Mainstream‘ wird zum Selbstzweck und jeder Zweifel an der Weltsicht über die manipulativen Massenmedien wäre ein Akt der Unterwerfung, den man sich nicht erlauben darf. Es bleibt nur die Flucht nach vorn, um das Selbstbild des mündigen, selbstbestimmten Denkers zu wahren (denn sonst wäre man ja ein folgsames Opfer der Indoktrination). Die Konstruktion dieser aussichtslosen Hybris ist ein machtvolles Werkzeug, um der ,narzisstischen Kränkung’ (wie Adorno es nannte) durch die Widerlegung der eigenen Weltanschauung zu entkommen. Doch auch durch fehlende Konkretisierung der eigenen diffusen Überzeugungen macht man es anderen mitunter schwer, diese klar zu bestätigen oder klar zu widerlegen. Diesbezüglich sei empfohlen, die eigenen Annahmen zu Ende zu denken, konsequent und bis zum Schluss, um der Selbsttäuschung zu entgehen.
Und wer sich nun noch einmal die eigenen Beeinflussbarkeiten bewusst machen möchte, die uns allen innewohnen, dem sei dieses Video wärmstens empfohlen. Aber Achtung: es könnten gelenkte Staatsmedien sein. Am besten nochmal selber googlen und bei der nächsten Recherche auf alternativen Seiten den Impressums-Check nicht vergessen.
Foto: Vaccine (c) pexels