Dr. Thomas Schöps, Kulturreferent der Deutschen Botschaft in Riga

„Wir wollen ein Deutschlandbild vermitteln tolerant, transparent, weltoffen.“ – Lettland aus der Sicht des Leiters des Kulturreferats der Botschaft Riga

Dr. Thomas Schöps ist mittlerweile seit sieben Jahren für das Auswärtige Amt tätig. Seit seinem Jurastudium in Passau ist der gebürtige Bonner viel herumgekommen. Die letzten zweieinhalb Jahre vertritt er Deutschland als Leiter des Kultur-, Presse- und Rechts- und Konsularreferats in der lettischen Hauptstadt Riga. In seiner Arbeit engagiert er sich vor allem für die Zusammenarbeit in den Bereichen Zivilgesellschaft, Medienlandschaft und Kultur.
Dieses Interview ist eine Reissue und wurde zuerst bei futurdrei zur Veröffentlichung eingereicht, das Stück wurde 2020 geschrieben.

Riga. Die deutsche Botschaft in Lettland ist in einem alten Patrizierhaus in Sichtweite des Freiheitsdenkmals untergebracht. Es war bereits in den 1920er Jahren Sitz der Botschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel es an die UdSSR und wurde 1992 nach dem Zerfall der UDSSR an die Bundesrepublik Deutschland zurückgegeben. Außen lachsfarben und grau, innen klassisch-weiß. Nach einem kurzen Sicherheitscheck werde ich in das Büro von Dr. Schöps geführt.

Jede Botschaft ist etwas anders organisiert, was ist ihr Aufgabengebiet als Kulturreferent in Lettland?

Dr. Schöps: Die Hauptaufgaben als Kulturreferent sind die Förderung deutscher Kultur und Sprache, Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, Medienförderung und allgemein Pflege der Kontakte zu unterschiedlichsten Akteuren des Gastlands. Ich vertrete Deutschland zum Beispiel auf Ausstellungseröffnungen, führe mit meinem Team unterschiedliche Projekte durch oder bin in Kontakt mit Schulen und Universitäten im Gastland. Die kulturelle Zusammenarbeit unterscheidet sich stark von Land zu Land.

Damit sind sie also indirekt für die Studierenden Deutschen in Lettland zuständig?

Dr. Schöps: Natürlich kann man das so formulieren, wobei wir in der Botschaft eine koordinierende Rolle zwischen den verschiedenen Institutionen in unserem Netzwerk einnehmen. Allen voran ist hier der DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) zu nennen, sowie das Goethe Institut, die ZfA (Zentralstelle für das Auslandsschulwesen) und die 15 PASCH-Schulen. Letztere sind Schulen an denen Deutsch als Sprache einen besonders hohen Stellenwert einnimmt. Sie ermöglichen ihren Schülern die Teilnahme an Bildungsprojekten, Wettbewerben oder Sprachaufenthalten.

Die Studierenden haben selbst einen Verband deutscher Studierenden in Lettland gegründet und ihr eigenes Präsidium. Im Wesentlichen habe ich das Gefühl, dass sich unsere Studierenden sehr wohl fühlen.

Nach Schwerpunkt hört sich das nicht gerade an – auf welchem Bereich liegt Ihr Fokus?

Dr. Schöps: Vollkommen richtig. Mein Team und ich konzentrieren uns vor allem auf bilaterale Zusammenarbeit. Um Lettland, als Grenzstaat der Europäischen Union und NATO zu stärken, unterzeichneten die beiden damaligen Außenminister Edgars Rink?vi?s und unser heutiger Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Gemeinsame Erklärung zur Stärkung der Zusammenarbeit. Ziel dieser ‚Resilienz-Initiative‘ ist die Förderung der Medienlandschaft, Zivilgesellschaft und Bildung, sowie ein enger Austausch zwischen unseren Ländern. Wir setzen dabei vor allem auf die Vermittlung von Kompetenzen und Stärkung der Ausbildung junger Letten.

Engagement der Bundesregierung in Lettland zur stärkung der Zivilgesellsschaft
Starke Medien, starke Gelsellschaft, starke Bildung

Ein Konkretes Beispiel für unser Engagement ist die Förderung des Baltic Center for Media Exelence [BCME], ein Gemeinschaftsprojekt mit Akteuren aus allen drei baltischen Staaten. Die NGO wurde 2015 aus dem Ziel heraus gegründet die Medienqualität und den fachlichen Dialog im Baltikum zu stärken. Wir unterstützen das BCME seit 2017. Unsere Beteiligung läuft dabei maßgeblich über die Deutsche Welle; der Schwerpunkt liegt auf der Vermittlung von Fachkompetenzen.

Uns ist es besonders wichtig die Randgebiete und ländlichen Regionen zu unterstützen. Sie verfügen, gerade im Vergleich zu Riga, über ein begrenzteres Medienangebot. Um den ländlichen Bereich zu stärken versuchen wir Journalisten als Multiplikatoren aufzubauen, damit diese die im Mediengeschäft erforderlichen Fähigkeiten erwerben – unsere Hoffnung ist, dass dies langfristig einen positiven Einfluss auf die Qualität der lettischen Medienlandschaft haben.

Wie schätzen Sie die lettische Medienlandschaft allgemein ein?

Dr. Schöps: Gerade im Printbereich entspricht die Qualität nicht unbedingt dem, was wir aus der FAZ und der Süddeutschen gewohnt sind. Hier ist alles etwas kleiner. Auflage und Reichweite lettischer Tageszeitungen sind eher mit unseren Regionalzeitungen vergleichbar; online sieht es schon besser aus. Das Nachrichtenportal delfi.lv hat ca. eine halbe Million täglicher Leser. Artikel werden zudem in Lettisch und Russisch veröffentlicht.

Uns liegt besonders die Förderung der öffentlich-rechtlichen Medien am Herzen, da sie ein wichtiger Pfeiler jeder Demokratie sind! Dabei liegt das Interesse der lettischen Seite besonders in der Knowhow-Unterstützung. Die enge Zusammenarbeit hilft uns ein tolerantes, transparentes, weltoffenes Deutschlandbild zu vermitteln.

Gibt es ein Herzensprojekt, an dem Sie besonders hängen?

Dr. Schöps: Auf jeden Fall! Im Zuge der Resilienz-Initiative nahmen einerseits die Medien natürlich einen wichtigen Punkt ein – für mich persönlich ist darüber hinaus die Förderung der Zivilgesellschaft und der Austausch von Ideen, zwischen den Bürgerinnen und Bürgern, eine der wichtigsten Säulen.

Hierfür engagieren wir uns seit Jahren beim LAMPA Festival. Für Lettland hat es mit über 20.000 Teilnehmern eine enorme Reichweite. Vor einem Jahr kannten rund 37 Prozent der Bevölkerung das Festival, die Zahl ist nach dem letzten Festival 2019 noch einmal deutlich auf inzwischen über 70 Prozent gestiegen. 2020 wird das Conversation Festival am 19. und 20. Juni im Park des Schlosses C?sis veranstalltet. Jeder soll die Möglichkeit bekommen teilzunehmen, deshalb ist der Eintritt kostenlos.

Es ist der Ort für Zivilgesellschaft und Austausch! Die Civic Society Stage wird durch aus Mitteln des Deutschen Auswärtigen Amts finanziert. Über einen Wettbewerb ermöglichen wir NGOs ohne eigene Kosten teilzunehmen, selbst wenn sie ansonsten nicht die finanziellen Mittel haben. Generell gestaltet sich Sponsorensuche in Lettland leider noch immer sehr schwer. Deshalb leisten wir gerne unseren Beitrag, um zivilgesellschaftliche Projekte und Vereine zu fördern. Das Augenmerk liegt dabei vor allem auf dem Mehrwert für die Gesellschaft und der Idee selbst.

Zur Abwechslung eine sehr grundlegende Frage: Warum braucht es Austausch und Zusammenarbeit zwischen jungen Letten und Deutschen?

Dr. Schöps: Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Toleranz und Verständnis für einander sind ein wesentlicher Faktor, wir müssen eine gewisse Sensibilität für die feinen Unterschiede entwickeln. Damit ist internationaler Austausch auf allen Ebenen wichtig. Ein sehr erfolgreiches Beispiel internationalen Austauschs ist der höchste Repräsentant des lettischen Staates, Staatspräsident Egils Levits. Er ging in Münster auf das Lettische Gymnasium und studierte im Anschluss an der Universität Hamburg und war unter anderem Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser multikulturelle Hintergrund prägt sein Verständnis für Europa und die deutsche Kultur bis heute. Auch der litauische Präsident Gitanas Naus?da verbrachte zwei Jahre seiner Ausbildung als Doktorrand in Mannheim. Zudem war er Stipendiat der DELTA-Stiftung und des DAAD.

Würden Sie Studierenden zu einem Austausch in Lettland raten?

Dr. Schöps: Würden Sie? Meine Familie und vor allem meine beiden Kinder sind für mich das wichtigste, daher habe ich keine Zeit intensiver in das studentische Leben einzutauchen. Die deutschen Studierenden, die ich kennenlerne, machen einen sehr zufriedenen Eindruck. Eine Empfehlung für Studierende kann ich also kaum geben, aber ich kann Ihnen gerne beschreiben, wie ich Lettland sehe.

Nur zu, ich bin gespannt wie Sie Ihre Wahlheimat wahrnehmen.

Dr. Schöps: Riga ist ein idealer Ort zum Wohnen. Die Stadt hat kulturell viel zu bieten, Parks und Restaurants sind die kleinen Highlights im Alltag. Die Nähe zum Meer ist der reinste Luxus, besonders im Sommer nimmt man einfach den Zug nach Jurmala und kann am Ostseestrand entspannen.

Die Natur begeistert mich von Anfang an. Lettland ist ja recht klein, die Fläche ist vergleichbar mit Bayern, hat aber nur ein Siebtel der Einwohner (1,9 Mio.). Das spiegelt sich auch in der lettischen Kultur wider, alle sind sehr naturverbunden. Die Landschaft ist weitestgehend intakt, das könnte auch erklären warum die Klimabewegungen wie Fridays For Future Latvia bisher wenig Zulauf finden.

Ich empfehle jedem, der etwas Abstand oder Ruhe braucht, das Hinterland zu erkunden. Sigulda mit seinen Burgen, das Kurland im Westen oder einen meiner Lieblingsorte: Saulkrasti, ein kleiner Küstenort im Norden. Lettland hat für jeden etwas zu bieten.


Foto: Kulturreferat der Deutschen Botschaft in Riga

Marco Janoschka

Schweizer Taschenmesser. Sprache ist etwas Wundervolles: Mit ihr beschreiben wir unsere Umwelt, vermitteln Ideen & Wissen oder lassen uns in ferne Welten & ganz eigene Realitäten entführen. Die Sprache ist das mächtigste Werkzeug eines Menschen.

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