Who the fuck is Hannelore Elsner?

„Hannelore Elsner? Wer ist das?“ – Unsere Autorin versteht die Frage nicht. Seit Jahren ist sie Fan der Schauspielerin. Lest hier ihre Hommage an eine der letzten deutschen Filmdiven.

Iris Berben, Senta Berger, Hannelore Elsner – DIE deutschen Schauspielgrößen, scheinbar die letzten Filmdiven, die wir in diesem Land noch haben. Sie verkörpern feinfühlige, aber gleichwohl selbstbewusste, attraktive, unabhängige Frauen im Film wie in der Realität – und ich verehre sie seit langem. Wer kennt sie nicht?, möchte man fragen. Doch scheinen sie der „Generation Elyas M’Barek“ kaum noch ein Begriff zu sein. Und so stellt sich vielmehr die Frage: Welche*r U50 kennt sie überhaupt noch?

Als ich meine Freund*innen fragte, ob sie mit mir zu Hannelore Elsners musikalischer Lesung „In einem Weltmeer von Harmonie“ im Thalia Theater in Hamburg gehen, sah ich nur in Augen voller Fragezeichen. Auch meine Theater-Freundin, selbst seit über 40 Jahren auf der Bühne stehend und bestens informiert in Sachen Film und Schauspielkolleg*innen, verwechselte Hannelore ELSNER augenblicklich mit Hannelore HOGER (– wie auch immer das möglich ist). Dabei verdient diese Frau in meinen Augen  jede Art von Respekt und Faszination.

Die eigenwillige Diva

Hannelore Elsner: Man sagt, sie sei eigenwillig, divenhaft, mysteriös und sie live zu treffen gilt als eine Schwierigkeit. Doch nun liest Hannelore Elsner für einen Vormittag im Thalia Theater über die leidenschaftliche Begegnung der Schriftstellerin und Dichterin Bettina von Arnim und Ludwig van Beethoven 1810 in Wien, auf die eine langjährige gegenseitige Liebe und Bewunderung folgte. Der Text, zusammengestellt nach Zitaten aus den Werken  der Schriftstellerin, wird passenderweise von drei der berühmtesten Klaviersonaten Beethovens untermalt. Nach langer Stille betritt Hannelore Elsner gefolgt von ihrem Pianisten die Bühne. Neben dem Klang ihrer Absätze vernimmt man bei jedem Schritt das Rascheln ihres schwarzen, am Saum mit etlichen glänzenden Steinen bestückten Kleides. Sie nimmt den erwartungsvollen Applaus des Publikums entgegen, setzt sich und beginnt ohne ein Wort der Begrüßung zu lesen. Bettina von Arnim sei eine Rebellin, eine geheimnisvolle und leidenschaftliche Frau gewesen. Sie habe bezaubert und sei allseits geliebt und bewundert worden. Eben diese Leidenschaft und Feminität von der Hannelore Elsner über von Arnim liest, scheint sie auch selbst zu verkörpern, denke ich.  Immer wieder blitzt bei der äußerlichen Grande Dame voller Eleganz und Ausdrucksstärke die Aufgewecktheit und Energie eines inneren Kindes auf.

Eigensinn, Rebellion und Lebenshunger

Exakt dieses Gefühl hatte ich auch, als ich vor einigen Jahren ihre Autobiografie „Im Überschwang“ las. Am 26. Juli 1942 im oberbayrischen Burghausen geboren, verlor Elsner bereits sehr früh ihren großen Bruder bei einem Tieffliegerangriff und kurz darauf den Vater, weshalb sie im Kloster-Internat und bei ihrer geliebten Großmutter aufwuchs, die ebenfalls früh verstarb.
Sie fühlte sich einsam und verlassen, entfremdet von der Mutter, als elternloses Kind erfüllt von unsäglichem Schmerz. In ihrer Kindheit zeigte sich dennoch bereits Eigensinn, Rebellion und Lebenshunger in ihrem Wesen und sie wechselte die Schulen geradezu wie ihre Unterhosen. Das Gefühl von Fremdheit empfand sie irgendwann mit Stolz. Ohne Schulabschluss wurde sie dann als Jugendliche von einem türkischen Regisseur entdeckt. Damit begann Hannelore Elstner – „Elsner“ wurde später auf Anraten der weicheren Aussprache wegen ihr Künstlername – bereits mit zarten 16 Jahren ihre Filmkarriere, absolvierte nebenher eine Schauspielausbildung, ging anschließend an verschiedene Theater und fand doch ihr Zuhause in Fernsehen und Kino, dem sie schon als Kind auch vor der Leinwand treu ergeben war.

Erste weibliche TV-Kommissarin

Über die Jahre gelang sie schnell durch ihren Ausdruck von Sinnlichkeit und Sexappeal über Unterhaltungsfilme zu Charakterrollen und galt in den 60er und 70er Jahren als eine der schönsten Frauen Deutschlands. 1994 wurde sie in der ARD-Serie „Die Kommissarin“ zur ersten Fernsehkommissarin Deutschlands und prägte dadurch wesentlich als Vorreiterin das Bild der weiblichen Ermittlerin in deutschen Krimis.
Es folgten Filme wie „Die Unberührbare“ und „Mein letzter Film“ –  Elsner spielt darin emotional brüchige, wahnsinnig ausdrucksstarke Frauencharaktere, für die sie allerhand Preise abräumte. In „Fahr zur Hölle, Schwester!“ stand sie 2001 sogar mit Iris Berben vor der Kamera, die zwar Kollegin, aber – wie beide betonen – keinesfalls Freundin ist.
Die Tragikomödie „Auf das Leben!“ schloss 2014 an all diese Rollen an: alt und einsam findet die ehemalige Sängerin Ruth neue Lebenskraft in der Freundschaft zu ihrem jungen, totkranken Umzugshelfer. In ihren Figuren ist Hannelore Elsner immer auf den Punkt, immer wahrhaftig, authentisch in all ihren zahlreichen Facetten. Ihre Liebe zum Beruf ist bewundernswert – wer sonst sagt von sich, dass er keinen Urlaub brauche und viel lieber arbeite?

Leidenschaftliche Löwenmutter

Was man über ihr Privates hört, scheint auf ein turbulentes, stürmisches und leidenschaftliches Leben zurückzuführen zu sein. Zwei Mal war sie verheiratet, zwei Mal geschieden, viele ihrer Beziehungen füllten die Klatschblätter und doch sagt sie, dass ihr der echte, schmerzvolle Liebeskummer nie abhanden kam. Stets unvergessen ihre erste Jugendliebe: ein Starfighter Pilot, dessen Umzug nach Amerika zwar die Trennung, aber auch lebenslange liebende Freundschaft bedeutete sowie die Abmachung zu heiraten, wenn Elsner ihr 80. Lebensjahr erreicht.
Ihre größte Liebe scheint jedoch ihr Sohn Dominik zu sein. Entstanden aus einer Beziehung mit Erfolgs-Regisseur Dieter Wedel, die jedoch bereits vor der Geburt zerbrach und auch im Nachhinein mit Klagen, Anfeindungen und Ignoranz kein Happyend fand.
Im alleinigen Durchleben von Schwangerschaft, Geburt und Erziehung scheint Hannelore Elsner eine besondere Stärke gefunden zu haben. In ihren Erzählungen von der viel zu frühen plötzlichen Geburt und den anschließenden langen Krankenhausaufenthalten blickt das Herz einer Löwenmutter hindurch. Es ist bewundernswert, wie sie das Leben mit all seinen Hochs und Tiefs nimmt und diese mit einer schieren Gelassenheit intensiv auslebt. Zwar gibt sie zu, in ihrer Jugend wie alle anderen Selbstzweifel gehabt zu haben, aber nun scheint die Grande Dame in ihrer inneren Mitte zu ruhen und findet den Prozess des Alterns großartig, „wenn man nur das Kind in sich pflegt“, wie sie sagt. So begründet sie auch das Geheimnis ihrer ewigen Jugend damit, dass sie ein Kind sei, dessen Vernunft sie nur langsam einholt. Doch so atemberaubend dieser sinnliche Freigeist voller Wärme, Kraft und Zärtlichkeit im Ausdruck auf seine Zuschauer*innen und Fans wirkt, so sehr mag man bei all dieser Faszination kaum an die wirkliche Existenz ihrer Person glauben.

Die ewig Unnahbare

Obwohl sie bei der Lesung nur ein paar Meter vor mir entfernt sitzt, bleibt eine eigenartige Distanz, als würde die Schauspielerin nicht real sein. Sie wirkt auf dieser Bühne – auch nach dem Ende der Lesung ohne ein Wort an das Publikum richtend – unnahbarer denn je. „Die Unberührbare“ scheint nicht nur der Titel eines ihrer größten Filme zu sein, sondern auch Teil ihrer Persönlichkeit. Selbst als ich ihr (wie es sich für einen richtigen Fan gehört) in der nachfolgenden Signierstunde gegenüberstehe, sie um ein Autogramm bitte, ein paar Worte mit ihr wechsle und ehrfürchtig nach einem gemeinsamen Foto frage, tatsächlich neben sie treten darf (obwohl ich fest mit einer niederschmetternden Absage gerechnet hatte), scheint die kleine, zarte Frau von einer Art Licht umgeben zu sein, das sie wie eine Heilige strahlen lässt, als stamme sie nicht von diesem Planeten. Sie scheint keine Allüren zu haben, nimmt sich Zeit für ihr Publikum, signiert fleißig alles, was ihr vorgelegt wird und bleibt dabei stets freundlich-interessiert.

Hannelore Elsner wird für mich ein Mysterium bleiben – im positivsten Sinn. Selten hat mich ein Mensch gleichzeitig derart irritiert und fasziniert. Eine edle Dame und Schauspielerin ohne Alter, voller Geheimnisse und Ausdrucksstärke in ihrem warmen Blick. Damit bleibt sie für mich jemand, den man definitiv kennen MUSS.

 


Titelbild: Hannelore Elsner 2012 in Berlin / © Tom Mealsa, flickr.com