Ballet Swan Lake Ballerina Dance Swan Elegance - (c) Pixabay - nikidinov

Welches „Nationalballett Kiew“ mit Schwanensee im Zentralgebäude?

Am 09. Februar 2023 soll im Libeskind Auditorium des Zentralgebäudes das Nationalballett aus Kiew Tschaikowskis Werk „Schwanensee“ aufführen. Fraglich ist, ob es überhaupt aus Kiew stammt oder nur der Kunstname „Nationalballett Kiew“ verwendet wird. Bis Anfang 2022 führte derselbe Veranstalter des „Nationalballett Kiew“ den Namen „russische Nationalballett“ in seinem Repertoire. Auch gibt es Kritik vom Kulturminister aus der Ukraine an den Aufführungen von Pjotr Iljitsch Tschaikowski in Europa.

Schwanensee – das ist Ballett in höchster Vollendung!, so steht es auf der Webseite des Leuphana Zentralgebäudes geschrieben (Betreiber: Leuphana Veranstaltungs- und Vermarktungsgesellschaft mbH – kurz: LVV GmbH). Weiter heißt es: „Das Nationalballett Kiew gehört zu den besten, die zurzeit weltweit zu erleben sind.“ Der Text wurde vom Veranstalter Highlight-Concerts GmbH in Kiel übernommen, der Gleiches auf seiner Webseite schreibt.

Screenshot Webseite - Highlight-Concerts - Nationalballett Kiew
Screenshot Webseite – Highlight-Concerts – Nationalballett Kiew

 

Die Google Suche nach dem „Nationalballett Kiew“ führt eher zu Webseiten von Ticketverkäufen des Kieler Veranstalters als auf eine, die auf eine ukrainische Ballettgruppe verweist. Dafür findet sich auf der Homepage der 1867 gegründeten Nationaloper der Ukraine (National Opera of Ukraine) der Hinweis, dass „dubiose Gruppen“ in Europa unterwegs sind. Folgende Anmerkung lässt sich dort finden:

Einige Truppen tarnen sich absichtlich als die Marke der Nationaloper der Ukraine und verwenden ähnliche Namen wie Das Nationalballett Kiew, Ballet de Kiev, Kiew Grand Ballett, Kyiv City Ballet usw. Wir halten es für notwendig, darauf hinzuweisen, dass diese dubiosen Gruppen nichts mit der Nationaloper der Ukraine zu tun haben. Unsere Position – die Herausnahme von Werken russischer Komponisten aus unserem aktuellen Repertoire – ist grundlegend, und wir halten uns strikt daran.

Hintergrund dafür, dass keine Stücke russischer Komponisten in der Ukraine aufgeführt werden, ist der Krieg mit Russland. Der ukrainische Kulturminister forderte in einem Meinungsbeitrag im The Guardian die Länder in Europa sogar zum Boykott von Stücken von Pjotr Iljitsch Tschaikowskis auf. Einen Gegenkommentar dazu schrieb Barbara Oertel in der taz. Auch die Tagesschau widmete sich dem Thema und berichtete über den Boykott von Kultur in der Ukraine und eine Debatte, die bis nach Europa reicht.

Die Leuphana erklärte sich am 27. Februar 2022 solidarisch mit den Menschen in der Ukraine mit #standwithukraine und einer längeren Erklärung auf der Webseite der Leuphana.

… Wir sind deshalb aufgerufen, alles in unserer Macht stehende zu unternehmen, um den Menschen in der Ukraine Beistand zu leisten und sie wo immer möglich zu unterstützen. … Die Leuphana steht für Freiheit, Weltoffenheit, Solidarität und ein friedliches Miteinander. Putins weltweit verurteilter Angriffskrieg bricht mit allen diesen Werten und markiert eine Zeitenwende. … Als ein sichtbares Zeichen unserer Solidarität werden wir auf dem Campus Flaggen der Ukraine hissen, die uns immer wieder daran erinnern sollen, dass wir an der Seite des ukrainischen Volkes stehen. …

Mangelnde Auskünfte des Veranstalters

Auf Basis unserer Recherchen wandten wir uns zunächst an den Kieler Veranstalter, den wir um Stellungnahme zur Boykottsituation und den Fake-Vorwürfen seitens der National Opera of Ukraine baten. Nach mehrfachen Anfragen erhielten wir die Rückmeldung, dass „dieser geschürte, künstliche Hass auf alles Russische nur zu einer ungerechten Arbeitslosigkeit vieler russischer und ukrainischer Künstler … führ[e]“. Das ganze Thema sei „völliger Schwachsinn“. Welche Verbindung das „Nationalballett Kiew“ zur Ukraine besitzt und wie sich der Veranstalter gegenüber den Fake-Vorwürfen positioniert, blieb unbeantwortet.

Ebenfalls haben wir den Pressesprecher Henning Zühlsdorff der Leuphana kontaktiert, um herauszufinden, inwieweit zur Zeit der Veranstaltungsplanung die Debatte um den Boykott russischer Komponisten bekannt war und welche Kriterien bei der Zusage des „Nationalballett Kiew“ eine Rolle spielten. Der Vertrag zwischen Veranstalter und der LVV GmbH, der im Juli 2022 geschlossen wurde, sei ohne Kenntnis über einen Boykott geschlossen worden. Auch haben keine Zweifel bezüglich der Namensgebung der Ballettgruppe bestanden, so Zühlsdorff.

Russisches Nationalballett aus Moskau?

Bereits am 03. Januar 2020 und am 27. Januar 2019 trat das sogenannte „Russische Nationalballett“ aus Moskau im Zentralgebäude auf – ebenfalls über den Kieler Veranstalter Highlight-Concerts organisiert.

Auf dessen Webseite ähneln sich die Beschreibungen zum „Russischen Nationalballett aus Moskau“ und dem „Nationalballett Kiew“. Ein Video von Ersterem wurde mittlerweile auf den Status „Privat“ gestellt, und kann nicht mehr aufgerufen werden.

Screenshot Webseite - Highlight-Concerts - Russische Nationalballett
Screenshot Webseite – Highlight-Concerts – Russische Nationalballett

 

Am 14. Januar 2022 war, organisiert durch den Berliner Veranstalter agenda productions, das „Das russische Nationalballett präsentiert Schwanensee“ zu Gast im Zentralgebäude. Auch bei diesem Veranstalter ist aktuell ein „Ukrainian Classic Ballett“ mit Schwanensee zu finden.

Dies ist wiederum nicht zu verwechseln mit dem „Russisches Staatsballett“ manchmal auch als „Staatliches Russisches Ballett Moskau“ bezeichnet, dessen Auftritte durch die Shooter Promotions GmbH in Frankfurt/Main organisiert werden. Im Juni 2022 wurde das „Russisches Staatsballett“ abgesagt. Diese hat nun für 2023 das „Kiew Grand Ballett“ im Portfolio.


Autor:innen: Mareike Müller und Christopher Bohlens
Foto: Ballet Swan Lake Ballerina Dance Swan Elegance – (c) Pixabay – nikidinov

Christopher Bohlens

Schreibt immer irgendwas über Hochschule, Politik oder Veranstaltungen, wo es so richtig kracht. Liebt investigativen Journalismus und beschäftigt sich viel mit Daten.

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