Trump gewinnt die US-Wahl und die Welt schreit vor Empörung auf. Warum, wissen wir rückblickend vielleicht auch gar nicht so genau. Denn wenn wir ganz tief in uns gehen: War da nicht schon seit langer Zeit eine Stimme, die uns gesagt hat, dass es so kommen wird?
Die Stimme in uns
Es ist die Stimme, die sich meldet, wenn man am Potsdamer Platz, vor der Carnegie Hall, oder dem Trump Tower steht und sich fragt, für wen wurde das hier eigentlich gebaut? Es ist die Stimme, die dann ganz laut wird, wenn Elon Musk Geld verschenkt, um Wählerstimmen zu kaufen. Es ist die Stimme, die uns suggeriert, dass die kapitalistische Klassengesellschaft, wie wir sie kennen, in Stein gemeißelt sei. Hinter dieser Stimme verbirgt sich ein Mantra, welches die Finanzeliten immer wieder reproduzieren, um uns weiszumachen: Du kannst nichts verändern.
Wenn du willst, dass es dir besser geht, dann musst du darum kämpfen. Und wenn du das tust, sieh nach links, nach rechts und nach unten, denn das, was hier über dir thront, das ist unantastbar. Und weil diese Nachricht zu einer inneren Stimme, einem Unterbewusstsein geworden ist, sollten wir endlich damit anfangen, sie zu hinterfragen und ernsthaft über eine höhere Besteuerung der Reichen zu sprechen. Dieses Anliegen muss wieder in den Herzen aller Menschen verankert werden. Wohlstand kann für alle geschaffen und mit allen geteilt werden.
Gerechte Entlohnung neu definieren
Ein Narrativ, welches sich in den Köpfen der Menschen hält, ist, dass durch Mechanismen der Umverteilung die Individualität abhandenkommen würde und es keine Anreize mehr geben würde, verantwortungsvolle Berufe auszuführen. Doch auch wenn nicht von der Hand zu weisen ist, dass einige Berufe mehr Verantwortung abverlangen mögen als andere und gewisse Unterschiede in den Gehältern nachvollziehbar sind, lässt sich beobachten, dass wir in einem System leben, dass das Gegenteil beweist: Sehr verantwortungsvolle Berufe wie Pflege- und Erziehungsberufe werden viel zu schlecht entlohnt.
Dadurch werden Menschen, die in sozialen Berufen arbeiten und diese Arbeit aus Herzensgüte ausführen, systematisch bestraft – Ein weiterer Faktor, der dafür sorgt, dass uns die soziale Empathie abhandenkommt. Denn wenn wir die Berufe, die so einen emotionalen und persönlichen Dienst an den hilfsbedürftigen Mitgliedern unserer Gesellschaft leisten, nicht ausreichend honorieren, sendet das ein fragwürdiges Signal an alle. Aber auch viele andere Berufsgruppen, die essenziell für das Fortbestehen unserer Gesellschaft sind, werden nicht ausreichend entlohnt. Das sollten wir endlich ändern.
Wer ist „reich“ ?
Wir sollten daran arbeiten, die Menschen abzuholen, die denken, sie würden vermeintlich zu den Reichen gehören. Ärzt*innen, Pilot*innen, Steuerberater*innen, Rechstanwälte, sogar viele Stellen im mittleren Management, oder der gutbezahlten IT-Branche übersteigen nicht die Jahresbruttoeinkommensgrenzen, ab welchen ein Reichensteuersatz fällig wäre. In den letzten Bundestags-Wahlprogrammen der SPD und Grünen waren das 250.000 beziehungsweise 100.000 Euro im Jahr. – diese Grenzen verstehen sich pro Person, nicht pro Haushalt.
Um es in Zahlen auszudrücken: 100.000 Euro auf 12 Monatsgehälter sind ein Monatsbruttoeinkommen von 8.333,33 Euro. Bei 250.000 Euro sind es sogar 20.833,33 Euro im Monat. Startet man eine Schnellsuche, variieren die Angaben verschiedener Statistiken wie von Statista in einem Bereich von 5-7,5% der deutschen Bevölkerung, die über 100.000 Euro Brutto im Jahr verdienen. Der Ansatz der SPD zielt sogar nur auf die oberen 1% aller Spitzenverdiener*innen ab.
Es lässt sich sehr schnell erkennen, mit einer Reichensteuer würde der Mehrheit der Bürger*innen in Deutschland kein Bärendienst erwiesen werden, sondern das genaue Gegenteil wäre der Fall: Es ist eine politische Maßnahme, die durchaus mehrheitsfähig ist.
Wieso mehr Steuern zahlen gut sein kann
Wer mehr Steuern zahlt, investiert auch in das Land, in dem er oder sie lebt. Das bedeutet bessere Infrastruktur, bessere Bildung, saubere Umwelt, mehr Sicherheit, sowohl im inneren als auch äußeren Auftreten des Staates. Wenn mehr Geld von den Reichen in der Staatskasse landet, würde das auch viel Druck von denen nehmen, die sich um ihren sozialen und ökonomischen Abstieg sorgen. Das könnte zu einem besseren Umgang miteinander führen, da man sich nicht mehr in einer zugespitzten Konkurrenz um Arbeitsplätze und Lohn mit anderen sieht. In den USA gab es durch den 1935 eingeführten Revenue Act schon Reichensteuersätze von 79%, während des zweiten Weltkriegs wurden diese im Jahre 1944 sogar auf 94% erhöht.
Es gibt bereits Mechanismen, die die Gesellschaft davor schützen, dass reiche Menschen durch erhöhte Steuersätze das Land verlassen würden – ein Argument, das Kritiker*innen immer wieder in den Diskurs einbringen. Die USA erheben Steuern auf ihre Staatsbürger*innen unabhängig vom Wohnort. Das bedeutet, dass es wenig Sinn ergibt auszuwandern, um der Steuerpflicht auszuweichen. Man kann dieser Besteuerung nur entgehen, wenn man seine Staatsbürgerschaft aufgibt und eine sehr hohe Steuernachzahlung leistet.
Irgendwann ist Schluss
Wie würde eine Zukunft aussehen, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht?
Die Polarisierung der Gesellschaft in den USA gibt uns einen Hinweis darauf, wohin dieser Weg führen kann. Wollen wir wirklich an der Illusion festhalten, dass einige wenige von uns diesen unermesslichen Reichtum erhalten könnten und wären wir glücklicher, wenn wir uns mit unserem Geld hinter Mauern verstecken müssten, weil es den anderen Menschen im Land so schlecht geht, dass man sich schon davor fürchten muss?
Wenn wir der Demokratie eine wahre Chance geben wollen, ist Bildung im Bereich von Finanzwirtschaft und Politik wichtiger denn je. Wir müssen endlich das Verständnis dafür fördern, wie die Finanzwelt und die Finanzeliten das Weltgeschehen beeinflussen, wo politische Parteien positioniert sind und wie sie damit interagieren. Wenn dieses Verständnis gefördert werden würde, wäre es einfacher für Wähler*innen zu erkennen, ob Parteien in ihren Wahlprogrammen finanzpolitische Instrumente verstecken, die am Ende nur den Reichen zugutekommen.
Ich möchte mit dem dringenden Appell schließen, dass wir nicht zulassen sollten, dass sich das Thema Finanzpolitik von rechten Ideologen angeeignet wird, die die Sachverhalte verzerrt darstellen und Menschen suggerieren, dass sie Politik für „die kleinen Leute“ machen würden. Wir sollten die Wirkungszusammenhänge von Politik und Finanzen offensichtlicher machen und die Menschen in unserem Umfeld darauf sensibilisieren, ihre eigene Wahrnehmung hinterfragen an welchem Ufer sie eigentlich gerade tatsächlich stehen.
Foto: The New York Public Library auf Unsplash