Wer heutzutage von eSports spricht, bekommt oft nur ein Lächeln als Antwort. Computerspiele seien kein richtiger Sport, heißt es dann. Nach wie vor halten sich hartnäckig die Fragen nach der Professionalität und Seriosität in diesem Bereich. Ein Blick in diese Szene lässt Kritiker jedoch verstummen. Auch an deutschen Universitäten hat sich der Trend inzwischen eingefunden.
Am Sonntag, 23. April 2017, fand in Hamburg das alljährliche, europäische Finale in League of Legends statt. In den Monaten zuvor sind zehn Teams von je fünf Spielern in den LCS, den League Championship Series, gegeneinander angetreten, um sich in Hamburg den Titel des Europameisters zu sichern. Schließlich konnte sich das Team „G2 Esports“ gegenüber seinen Konkurrenten „Unicorns of Love“ durchsetzen.
Inmitten der, mit tausenden Fans gefüllten Barclaycard-Arena bewahrten die Spieler von G2 wie gewohnt kühle Köpfe, wodurch ihnen ein deutlicher Sieg von 3:1 gelang. Dass die Publikumslieblinge „Unicorns of Love“ verloren, tat der guten Stimmung jedoch keinen Abbruch. Immer wieder brandeten Applaus und Jubel für die Mannschaften aus, La Ola-Wellen rauschten durch die Ränge. Dazu kamen schätzungsweise 300.000 Zuschauer*innen, die die Spiele über diverse Livestreams verfolgten.
Mehr als „nur ein Spiel“
Manch einer mag sich fragen: Warum das alles? League of Legends ist eines der größten Online-Spiele dieser Zeit. Das 2009 von Riot Games veröffentlichte free-to-play Spiel zählt heute über 100 Millionen aktive Spieler*innen. Schon kurz nach seiner Veröffentlichung erhielt League of Legends viel positives Feedback, schon 2011 sind in Schweden die ersten Weltmeisterschaften darin ausgetragen worden. Bereits damals verfolgten insgesamt über 1,6 Millionen Zuschauer*innen per Livestream oder vor Ort das Event, an dessen Ende ein Preisgeld von 100.000 US-Dollar stand. Im Jahr 2016 waren es dann sogar über 40 Millionen Zuschauer*innen, am Ende winkte den Gewinner*innen eine Prämie von einer Millionen US-Dollar.
Genau wie die größten Fußballspieler*innen, tragen auch die League of Legends Profis die Logos ihrer Sponsoren auf den Trikots.
Darüber hinaus haben sich zahlreiche Ligen an vielen Orten der Welt entwickelt, zu den größten zählen Nordamerika, Europa, Südkorea und China. Dort werden jährlich ein bis zwei Meisterschaften ausgetragen sowie diverse zusätzliche Events. Auch die Spieler*innen stammen aus aller Welt, keine Mannschaft ist auf eine Nationalität begrenzt. Wie das Forum heise online berichtet, verkündete sogar der Olympische Rat Asiens (OCA), dass eSports Teil der Asienspiele 2022 sein werden.
Ein Millionengeschäft mit seinen eigenen Stars
Hinter diesen Wettbewerben steht ein Millionengeschäft, bestehend aus Sponsoring, Werbung, Kartenverkauf und Merchandising. Genau wie die größten Fußballspieler*innen, tragen auch die League of Legends Profis die Logos ihrer Sponsoren auf den Trikots. Und auch hier wird zwischen den Spielen Werbung in den Livestreams eingeblendet. Immer mehr Unternehmen nutzen die Reichweite des Spiels aus; zum Beispiel Coca Cola oder Razer, ein Hersteller von Computer- und Gamingzubehör.
In die Wettbewerbe selbst stiegen auch einige bekannte Namen ein, wie etwa Telekom oder Schalke 04. Ein Geschäft, das sich lohnen sollte, immerhin wird jedes einzelne Spiel vor Publikum und im Livestream vor Zehn- bis Hunderttausenden übertragen. Dem Marktforschungsunternehmen Newzoo zufolge, erbrachte eSports 2016 insgesamt etwa 493 Millionen US-Dollar, Tendenz steigend.
Tägliches Training, Sportpsycholog*innen und Coaches
Die Stars der Szene sind die Profis. Die meisten von ihnen sind im typischen Studierendenalter, doch einige haben sich in League of Legends-Kreisen und international bereits einen Namen gemacht. Dabei gleicht ihr Verhalten und die Art, wie sie behandelt werden, der von Athlet*innen: tägliches Training, Interviews, Reisen, kontrollierte Ernährung und regelmäßiges körperliches Training. Mit ihnen arbeiten Coaches und sogar Sportpsycholog*innen. Im Publikum schreien Fans ihre Namen, ihren Livestreams folgen zehntausende Zuschauer*innen. Auch ihre Bezahlung verdeutlicht, wie gefragt die Spieler sind: die Rede ist von mehr als 100.000 Euro pro Jahr.
Eine Liga für deutsche Hochschulen
Wie in zahlreichen anderen Spielen, bildeten sich auch in League of Legends inzwischen zahlreiche Amateurligen. University eSports Germany (UEG) ist eine Organisation, die solch eine Liga für Studierende an deutschen Hochschulen und Universitäten gegründet hat. Unter der Leitung der UEG können sich Teams zu Turnieren in den Spielen League of Legends, Counter-Strike: Global Offensive, Overwatch, Hearthstone und Rocket League anmelden und um den Titel des „UEG Hochschulmeisters“ kämpfen.
„Ich spiele zwei, drei Stunden am Tag. Wenn keine Uni ist und keine Klausuren, auch gerne mal mehr. Teamtraining ist zweimal die Woche.“
Start der neuen League of Legends Saison, in der zwölf Mannschaften in der ersten Liga und 18 Mannschaften in der zweiten Liga konkurrieren, war Anfang April 2017.
Constantin „Zykitz“ Lübbe, 20, ist Coach und Kapitän der „Clausthaler CoolCats II“, die in der laufenden Saison in der zweiten Liga antreten. Der angehende Rohstoff-Geowissenschaftler begann 2013 League of Legends zu spielen. Seit 2016 vertritt er mit seinem Team die TU Clausthal in der UEG-Liga. Für ihren Erfolg trainiert er hart: „Ich spiele zwei, drei Stunden am Tag. Wenn keine Uni ist und keine Klausuren, auch gerne mal mehr. Teamtraining ist zweimal die Woche. Wir spielen jede Woche gegen die anderen Teams, das ist das beste Training.“
Trotz seiner Leidenschaft für das Spiel gehe die Uni bei ihm vor. Wenn er die Gelegenheit hätte, würde er sogar in den LCS antreten, solange er zuvor seinen Bachelor beenden könne.
Auf die neue Saison schaut Constantin mit Zuversicht. Sein Ziel ist einer der Relegationsplätze, die seinem Team einen Aufstieg in die erste Liga ermöglichen. Inzwischen habe er gelernt, mit der Aufregung umzugehen: „Im Spiel traut man sich weniger, wenn man denkt ‚Du musst jetzt etwas reißen, du darfst keine Fehler machen.’“
Die Leuphana nimmt nicht an der Liga von UEG teil. Für die Saison 2017 ist die Anmeldefrist bereits vorüber, doch so schnell wird der Hype um die eSports nicht wieder vergehen.
Autor: Haye Stein