Hannah (sie/-) ist die vierte neue AStA-Sprecherin im Bunde und ist seit Juli 2024 im Amt. Sie studiert im siebten Semester Global Environmental and Sustainability Studies (GESS) im Major und Betriebswirtschaftslehre im Minor. Nach einem Jahr voller Erlebnisse fernab von Lüneburg – geprägt von Praktika, einem Erasmus-Semester und abenteuerlichen Wanderungen – ist sie nun zurück und widmet sich voller Elan ihrer neuen Aufgabe. Im Gespräch skizziert sie unter anderem ihren turbulenten Weg zur Sprecherin, der sie ihre Sommerpläne kostete, gibt Einblicke in die Vernetzungsarbeit dieses Ehrenamts und erzählt von 25-Stunden-Schichten.
Angenommen du hättest morgen den ganzen Tag frei. Wie würde dieser Tag aussehen?
Im besten Fall hat meine WG auch frei. Da starten wir zuerst mit einem Pfannkuchen-Frühstück in den Tag. Danach gehe ich auf den Markt oder mache einen Spaziergang durch Lüneburg, vor allem jetzt bei den Herbstfarben. Ansonsten würde ich Menschen anrufen, bei denen ich mich länger nicht gemeldet habe. Und wahrscheinlich hätte ich richtig Lust auf eine Kulturveranstaltung am Abend und würde schauen, ob es was im Kino oder im Theater gibt.
Ein runder Tag. Auf der AStA-Webseite steht, du hättest deine Amtszeit auf einem Berggipfel auf Korsika begonnen. Stimmt das und wie kam es dazu?
Ja, das stimmt – Ursprünglich wollte ich den Sommer frei haben und bis zum Wintersemester für etwa fünf Monate reisen. Aber die Pläne haben sich bei meiner Reise nach Korsika geändert: Ich wurde von einem der alten AStA-Sprecher angeschrieben, ob ich nicht Lust auf dieses Amt hätte. Dann fiel noch eine der Fähren nach Korsika aus und ich kam immer mehr ins Grübeln, ob ich meine Lebenspläne umwerfen möchte und AStA-Sprecherin werde. Beim Wandern mit Freund*innen hat man viel Zeit zum Nachdenken und irgendwann bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich mir das vorstellen kann. Im Endeffekt war es so, dass ich ein Bewerbungsvideo mit meinem Handy aufgenommen habe und abends im Zelt die Bewerbung abgeschickt habe. Tatsächlich wurde ich dann gewählt, nur war ich ja immer noch wandern, wodurch ich die ersten Meilensteine wie meine Wahl, die erste Einarbeitungswoche und das AStA Open Air verpasst habe. Gleichzeitig war es auch gut, nochmal diese zwei Wochen zu haben, mich darauf einzustellen, wieder zurück nach Lüneburg zu kommen und diesen ganzen Sommer voller Pläne über den Haufen zu werfen.
Haben die anderen neuen Sprecher*innen dir den Einstieg denn erleichtern können trotz dieser Umstände?
Ich habe schon mit den anderen „Spres in Spe“ geschrieben, bevor ich mich zur Wahl aufstellen lassen habe. Zudem hatten wir mehrmals telefoniert, weil wir wissen wollten, ob es zwischen uns passt – Was es letztendlich auch hat. Sie haben mir den leicht verspäteten Einstieg sehr einfach gemacht und das hat mir direkt ein gutes Gefühl zum Start gegeben.
Was hat dich dazu inspiriert, eine solche Verantwortung zu übernehmen?
Ich habe vor meinem Studium ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) bei der NGO Plant-for-the-Planet gemacht und habe mich damals parallel in den Sprecherinnen-Strukturen des FÖJ engagiert und wurde dort zur Bundessprecherin gewählt. Das war ein Ehrenamt, was unglaublich wertvoll für mich war, da man dort direkt die Gremienarbeit kennengelernt hat. Das hat mich ein Stück weit politisiert und gelehrt, mich für ein bestimmtes Thema einzusetzen. Und ich dachte mir: Wenn ich mich darauf einlasse, AStA-Sprecherin zu werden, kann ich vieles von dem Wissen einbringen, das ich durch diese Erfahrungen gesammelt habe. Besonders in Bezug darauf, was ehrenamtliche Teams brauchen, um gut zusammenzuarbeiten und welche Strukturen man schaffen kann, die das Ehrenamt erleichtern und die Zusammenarbeit effizienter und vielleicht auch schöner gestalten.
Viele wissen nicht, dass ihr eine Aufwandsentschädigung für eure Arbeit erhaltet. Wie hoch ist dieser Betrag und wie viele Stunden arbeitet ihr im Monat als Sprecher*innen?
Wir bekommen eine Aufwandsentschädigung von 1.050 € brutto pro Monat. Dieser Betrag ist nicht an eine Stundenzahl gekoppelt, wie es bei Lohnarbeit üblich ist, und es soll eben keinen finanziellen Anreiz darstellen. Mit dem Geld kann ich easy mein Leben in Lüneburg finanzieren, aber das war es dann. Und würden wir diese Kompensation nicht erhalten, könnten wir nicht so viel Zeit in das Amt stecken wie nötig. Wir studieren alle wenig bis gar nicht in dem Jahr, damit wir genügend Kapazitäten haben und die Stundenanzahl variiert total, meist zwischen 30-40 Stunden pro Woche, in Ausnahmefällen wie der Ersti-Party auch mehr. An dem Tag bin ich morgens um sieben aufgestanden und am nächsten Morgen um acht wieder nach Hause gefahren, aber dafür gibt es wieder andere Tage, an denen weniger los ist. Insgesamt finden wir da als Team eine gute Balance und achten gegenseitig darauf, mal eine Pause einzubauen.
Hast du dann noch Zeit für anderweitige Projekte?
Anfangs habe ich noch Projekte parallel am Laufen gehabt, aber da mein Amt für mich Priorität hat und ich dem gerecht werden möchte, habe ich andere Sachen erstmal auf Eis gelegt. Bei Greenpeace bin ich weiterhin aktiv. Das ist etwas, wo ich gemerkt habe: „Das gibt mir richtig viel. Das soll parallel auch noch mitlaufen.“
Laut eurer Webseite ist eine deiner Aufgaben die Vernetzung mit Stadt und Land. Was sind dort deine Zuständigkeiten?
Wir haben zwar Aufgabenbereiche ungefähr zugeteilt, sodass wir „Hüte tragen“, aber diese Grenzen sind fließend. Im Endeffekt haben alle einen gewissen Überblick über alles. Aber es stimmt: Mein Hut ist die Vernetzung mit Stadt und Land. Ich gehe zum Beispiel zu verschiedenen Treffen wie den Lüneburger Wochen gegen Rassismus oder dem Netzwerktreffen gegen Rechts, um zu schauen, wie wir uns als AStA dort einbringen können. Zudem sind wir auch in der Stadt aktiv, um nicht nur die Studierenden am Campus zu repräsentieren, sondern wollen auch Themen, die in der Stadt passieren, mit an den Campus bringen und andersrum. Hier bin ich eine Schnittstelle. Und dann sind wir noch Mitglied beim Freien Zusammenschluss der Student*innen (FZS). Der FZS repräsentiert ASten und Studierendenzusammenschlüsse auf Bundesebene. Dort gibt es regelmäßige Ausschusstreffen beispielsweise zum Thema studentischen Wohnraum, wo dann auch Gespräche mit Politiker*innen geführt werden. Und sonst schauen wir, wo wir Themen, die uns in Lüneburg beschäftigen, auf die Bundesebene tragen können und ebenso Themen, die auf der Bundesebene schon bearbeitet werden, mit nach Lüneburg reinbringen.
Und wie läuft eine Zusammenarbeit mit anderen Studierendenschaften ab?
Bei der Mitgliederversammlung des FZS und bei der LandesAstenKonferenz treffen wir andere ASten, wo man sich dann viel austauschen und untereinander absprechen kann. Und wenn wir Fragen haben zu Projekten, die bei uns gerade anstehen, dann schreiben wir andere ASten an und fragen, wie die das umgesetzt haben. Ein Beispiel wären hier die kostenlosen Periodenprodukte, die wir gerne auf allen universitären Toiletten hätten. Da stehen wir gerade im Austausch mit anderen Studierendenschaften, um zu erfahren, welche Argumente überzeugend gewirkt haben. Außerdem stimmen wir uns mit den anderen ASten in Niedersachsen ab, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Studierendenwerke in Niedersachsen im kommenden Jahr vor finanziellen Kürzungen stehen. Deshalb ist es wichtig, gemeinsam eine einheitliche Linie zu entwickeln, um auch auf Landesebene mehr Unterstützung für die Studierenden einzufordern.
Die Finanzen liegen ebenfalls in deinem Aufgabenbereich. Einer unserer Autoren berichtete über Probleme mit der finanziellen Transparenz zur Rücklagenvergabe im letzten Semester. Gibt es hier Ansätze, um mehr Transparenz zu schaffen?
Es ist kein Geheimnis, dass wir im AStA Rücklagen haben. Damit gehen wir transparent um. Wir veröffentlichen jedes Jahr den Jahresabschluss des Vorjahres. Darin befindet sich unsere wirtschaftliche Bilanz und diese zählt all unsere Rücklagen auf. So ist es beispielsweise möglich nachzulesen, dass die aktuellen Rücklagen vor allem in den Wirtschaftsjahren der Pandemie angesammelt wurden. Gesetzlich sind wir übrigens auch verpflichtet dieses Geld innerhalb der nächsten Jahre abzubauen. Und das machen wir schon heute. Den aktuellen Haushalt finanzieren wir so schon im zweiten Jahr in Folge mit aus unseren Rücklagen. Die Rücklagen helfen uns also, die Beiträge für die Studierenden stabil zu halten. Aber die Rücklagen können uns Studis in Form von geförderten Projekten noch mehr zugutekommen. Deshalb ist es wichtig, dass mehr Studierende über unsere Rücklagen Bescheid wissen. Mein Wunsch wäre es also, dass sich mehr Studierende trauen, mit Ideen und Projekten zu uns zu kommen, die dann aus den Rücklagen finanziert werden können. Egal, ob es Informationsveranstaltungen, Workshops oder größere Partys sind – wenn jemand etwas organisieren möchte, kann man im StuPa einen Projektförderantrag stellen. Die Rücklagensind für alle Studierenden da. Also schreibt uns eure Ideen und Projekte und die Rücklagen kümmern sich um die Finanzierung!
Seid ihr zufrieden mit der Arbeit der vorherigen Sprecher*innen oder gibt es Situationen, wo ihr anders vorgeht?
Über ihre Arbeit insgesamt kann ich gar nicht so viel sagen, da ich nicht hier gewesen bin. Aber was ich von der Übergabe mitbekommen habe, war, dass sie einfach eine super Zeit hatten und richtig tolle Sachen gemacht haben. Dafür habe ich sehr viel Wertschätzung und Dankbarkeit. Wir hatten im Juli einen ganzen Monat Einarbeitungszeit, in dem die alten Sprecher*innen und wir Neuen zusammengearbeitet haben. Es gab Einführungen in die verschiedenen Themenbereiche und Arbeitsabläufe, und wir haben eine Vielzahl der wichtigen Personen kennengelernt. Das war unglaublich wertvoll. Ohne diese Übergabe wären wir jetzt sicherlich noch nicht an dem Punkt, an dem wir gerade sind. Natürlich ist es bei so einem Ehrenamt immer eine Herausforderung, nach der Übergabe erst einmal reinzukommen. Oft gibt es nach so einem Wechsel eine kleine Flaute, weil man sich erst einfinden muss. Das war bei uns am Anfang auch so. Aber durch die gute Einarbeitung konnten wir von Anfang an vieles übernehmen und haben recht schnell in unsere Rollen gefunden.
Was würdest du zum Abschluss den Studierenden mitgeben wollen, die Interesse an einem Ehrenamt haben, sich aber nicht trauen, den letzten Schritt zu gehen und ein solches Amt zu übernehmen?
Ich würde den Studierenden vor allem Mut, gute Laune und Spaß bei der Sache mitgeben. Ehrenamt gibt einem unglaublich viel zurück, weil man die Möglichkeit hat, etwas beizutragen und, gebraucht zu werden. Dabei ist es aber auch wichtig, dass man die Freude an der Aufgabe behält. Wir möchten alle, die Interesse haben, herzlich einladen, einfach mal vorbeizukommen – gerade, wenn man vielleicht noch nicht genau weiß, wo man anfangen soll oder wie die Strukturen funktionieren. Man kann mit Ideen oder auch einfach mit Neugier auf uns zukommen.. Wir haben die Ressourcen und viele motivierte Leute, die Lust haben, etwas zu bewegen!
Foto: AStA Lüneburg, Hannah Spittler