Verzicht – ein 40-tägiges Experiment (Woche 2)

Die zweite Fastenwoche ist geschafft– Unsere Redakteurin Laila über kleine Sünden und das schlechte Gewissen ihrer Mitmenschen.

So schön kann Sünde sein (C) Cornelia Krieger
So schön kann Sünde sein (C) Cornelia Krieger

Seit nun mehr zwei Wochen lebe ich ein nüchternes Leben und so langsam geht es mir richtig gut damit. Der Kamillentee-Schock und die Dauermüdigkeit sind überwunden. Auch den Kater am Morgen vermisse ich nicht. Problematisch ist allerdings, dass ich nicht nur tagsüber Bäume ausreißen könnte, sondern auch Nachts nicht müde werde. Mit Bier, Wein und ab und an einem Joint schläft es sich wirklich viel besser ein. Natürlich könnte ich es mit Sport versuchen. Das macht auch müde, ist aber mit Anstrengung verbunden. Und in meinem Experiment geht es schließlich um den Verzicht. Also verzichte ich weiterhin auf Sport und liege stattdessen hellwach um 2 Uhr morgens im Bett und langweile mich.

Inzwischen kann ich sagen: Mein neuer Lifestyle wirkt sich auf mein Umfeld aus. Meine Freunde werden vorsichtiger im Umgang mit mir, behandeln mich als wäre ich schwer auf Entzug. Viele entschuldigen sich für die Zigaretten, die sie in meiner Gegenwart rauchen, fragen ob sie trotz meines Fastens ein Stück Kuchen essen dürfen und gucken bei jedem bestellten Wein ganz schuldbewusst drein. Einige zeigen sich auch solidarisch, was ich einerseits irgendwie süß, aber auch leicht albern finde. Auf einmal wird mit mir zusammen Tee bestellt und die Gespräche kreisen auf einmal um Veganismus, einen gesunden Lebensstil und Nachhaltigkeit, so als wäre ich spontan zur Öko-Braut mutiert.

Außerdem wird sich in meiner Gegenwart seit neustem gerne mal für den eigenen Konsum gerechtfertigt. Die ehrlich gemeinte Bewunderung für meine Standfestigkeit kommt oft gepaart mit der Versicherung, selbst eigentlich gar nicht so viel zu trinken, zu rauchen und auf Süßigkeiten eh locker verzichten zu können. Die letzte Party sei auch schon wieder Wochen her und überhaupt wolle man es jetzt auch mal ruhiger angehen lassen. Ja ne, ist klar!

Nur auf Kaffee, da sind sich alle einig, darauf kann und will keiner verzichten. Der Wachmacher am Morgen ist ja schließlich nicht so schlimm wie Alkohol, Zigaretten oder ein Joint. Man bekommt keinen Lungenkrebs, keine Leberzirrhose und man wird auch nicht übermäßig dick oder langsam im Kopf. Das man allerdings braune Zähne und schlimmen Mundgeruch von übermäßigem Kaffeegenuss bekommt, scheint für die wenigsten ein Argument gegen Kaffee zu sein. Aber na gut, nach zwei Wochen Abstinenz will Frau ja nicht die Moralapostelin heraushängen lassen.

Darf ich auch gar nicht. Ich habe nämlich gesündigt.

Ich wurde von meiner Chefin zu einer Zigarrenschulung eingeladen. Die Idee, in einer Cocktailbar zu einem guten Rum auch Zigarren anzubieten, finde ich grundsätzlich gut. Nur eben nicht gerade während ich faste. Zu allem Übel wurde uns nicht nur erklärt wie man die kubanischen Stängel anschneidet und anzündet, nein, wir durften sie auch noch rauchen. Ich war hin und her gerissen. Von Zigarren war im Verzichts-Experiment schließlich nie die Rede. Auf die verzichte ich nämlich schon mein Leben lang. Würde ich sie glaubwürdig verkaufen können ohne vorher auch nur daran gezogen zu haben? So fand ich Ausrede um Ausrede, um doch endlich irgendwas rauchen zu können. Ich fühlte mich dabei schnell wie eine Betrügerin und schwor mir, dass es die einzige Zigarre während der Fastenzeit bleiben soll. Den Rum, der den anderen anscheinend ganz fabelhaft zur Zigarre schmeckte, lehnte ich tapfer ab.

Trotz der Schuldgefühle habe ich die Zigarre genossen. Alles kann man sich nicht verbieten, habe ich für mich selber beschlossen. Es kommt viel mehr auf den Genuss an, der uns beim Konsum von allem, was uns wach, high und happy macht, so oft verloren geht.

Autorin: Laila Samantha Walter