Die erste Fastenwoche ist geschafft. Unsere Autorin Laila berichtet von verwunderten Blicken und einem Leben ohne Kaffee, Kippe und Cocktail.

Am Mittwoch vor einer Woche begann die Fastenzeit. Das bedeutet für mich: Ich verzichte auf alles, was mich irgendwie berauscht. Kamillentee statt Kaffee, frische Luft statt einer Zigarette und zum Abendessen Wasser statt Wein. 40 Tage lang.
Ich scheine ein beliebter Saufkumpan zu sein. Kaum hatte ich meine Ankündigung über die sozialen Netzwerke geteilt, erhielt ich empörte Facebook-Nachrichten. Darunter haufenweise traurige Emojis, Hinweise auf Geburtstagspartys, die ich auf gar keinen Fall nüchtern besuchen dürfe, und Mitleidsbekundungen für meinen Mann. Einige fragten, mehr oder weniger durch die Blume, ob ich vielleicht schwanger sei oder die Fastenzeit nutzen wolle, um ein paar Kilo abzunehmen. Hallo?! Darf eine Frau noch fasten, ohne gleich fett oder schwanger genannt zu werden?

Zwischenfazit nach einer Woche: Der Kamillentee als Kaffeeersatz schmeckt immer noch nach Halsschmerzen. Ich brauche morgens ewig, um in die Gänge zu kommen. Wider Erwarten vermisse ich das Rauchen, das ich immerhin seit 14 Jahren mit Leidenschaft betreibe, weitaus weniger als den Koffeinkick. Gut, dass ich in einer Bar arbeite und gerade Semesterferien habe. Vor 12 Uhr mittags ist mit mir nämlich nichts anzufangen.
Die späten Arbeitszeiten sind übrigens das einzig Positive an meinem Job. Ich fühle mich in der Bar wie ein Diabetiker in der Schokoladenfabrik. Statt wie gewohnt den Jägermeister in rauen Mengen mit noch mehr friesisch herbem Bier herunterzuspülen, nuckle ich an einer Maracuja-Schorle und fühle mich völlig fehl am Platz. Ständig wollen mir Leute Cocktails ausgeben oder mich Schnäpse probieren lassen. Mein „Nein“ sorgt für verwunderte Blicke. Ich frage dann: Andere Menschen trinken bei der Arbeit doch auch nicht, warum muss das bei Kellnerinnen anders sein?
Schlimm genug, dass ich nichts trinke. Nicht zu rauchen versetzt mich jedoch in die totale Isolation. Raucher wissen: Wer qualmt, relaxt am Arbeitsplatz viel öfter als die fleißigen, nichtrauchenden Arbeitsbienchen. Meine Zigarettenpausen fallen jetzt weg und damit auch die witzigen Gespräche im Lagerraum. Dafür brennen die Augen und ich bekomme schwer Luft.
Zu meinem Leid hatte ich diesen Samstag auch noch frei. Keine Ausrede also, um mich vor meinen feiernden Freunden zu verstecken. Gott sei Dank stand nur eine Hausparty an, denn laute Bässe hätte mein nüchternes Hirn nicht ertragen. Die Techno-Mucke in Zimmerlautstärke im Wohnzimmer meines Kumpels reichte, um Entzugserscheinungen bei mir hervorzurufen. Ich dachte nur noch daran, wie schön es wäre, eine Zigarette zu rauchen und das Wochenende mit einem Sekt-Wodka-Mate einzuläuten
Immerhin sind die meisten Menschen witzig, wenn sie breit sind. Wenn die Witze meiner Freunde nicht gerade auf meine Kosten gingen, lachte ich an diesem Abend sogar. Lange hielt ich es trotzdem nicht aus. Um Mitternacht war der Abend für mich beendet.
Nach einer ganze Woche in völliger Nüchternheit ist mir bewusst geworden, wie sehr ich mich daran gewöhnt habe, mir ständig irgendetwas reinzuziehen: Morgens Kaffee zum Wachwerden, abends Wein zum Runterkommen. Dazwischen Unmengen an Zigaretten: Weil ich auf den Bus warten muss, weil sie zum Kaffee so gut schmecken, oder weil ich mich einfach überfressen habe. Zigaretten gehen immer. Ein Bier mit Freunden, Gästen oder Arbeitskollegen auch. Was soll man auch sonst mit ihnen anfangen, so ganz nüchtern? Sich einfach nur unterhalten? Das werde ich in den nächsten Wochen weiter probieren. Bis jetzt macht es mir wenig Spaß.
Autorin: Laila Samantha Walter