„Rosemari“ ist ein Film über das Erwachsensein und die Reflektion darüber, was das für eine Frau bedeutet. Aber auch, was die Mutter, die wichtigste Person in unserem Leben, für eine Rolle spielt. Dabei wird ein wunderbares Gleichgewicht zwischen leisen und lauten Tönen gehalten, dass man einfach so vom (fast) Weinen ins Lachen übergleitet.
Unn Tove (Tuva Novotny), in ihren Vierzigern, trifft auf Rosemari (Ruby Dagnall), ein 16-jähriges Mädchen auf der Suche nach ihrer leiblichen Mutter, die sie in Unn Tove zu finden hofft. Diese hat sie jedoch nicht geboren, sondern Rosemari auf einer Hoteltoilette während ihrer Hochzeit gefunden.
Genervt von ihrem Fernsehsender, dessen Fokus auf Themen wie Sextherapie und Schönheitsoperationen liegt, macht sich Unn Tove, ausgerüstet mit journalistischer Neugierde und einer Videokamera, zusammen mit Rosemari weiter auf die Suche nach ihrer Mutter. Daraus soll dann ein Dokubeitrag für Unn Toves Sender entstehen.
Satirisch, komisch, tragisch
„Rosemari“ ist manchmal satirisch, oft komisch, teilweise tragisch und an manchen Stellen einfach nur verrückt. Das (Vorsicht, Spoiler…) Happy End kommt etwas sehr konstuiert und abwegig, was aber durch die starken Schauspielerinnen gerettet wird. Ob es daran liegt, dass Regisseurin Sara Johnson auch das Drehbuch geschrieben hat? Ihre Frauenfiguren weiß sie trotz der etwas wahnwitzigen Handlung meisterlich in Szene zu setzen.
Unn Toves Freundin Hilde (LAILA GOODY) sorgt immer wieder für Lacher, wenn sie beispielsweise selbstironisch über das verkorkste Verhältnis zu Müttern spricht, die an ihren Töchtern die Neurosen über ihren eigenen Körper auslassen. Geschminkt, gestylt und mit ihrer kurvigen Figur bildet sie einen Gegenentwurf zu Unn Toves sachlicher leicht androgynen, elfenhaften Attitüde, wirkt dabei jedoch nie wie die stereotype etwas dümmere und hässlichere beste Freundin, sondern wie eine erwachsene und intelligente Frau, die zu ihrem Charakter und ihrem Frausein steht.
Abwechslungsreiche Charaktere
Rosemaris Mutter Hanne (HELGA GUREN) hingegen kommt ohne viel Gedöns aus, auch charakterlich. Ihre Skepsis an Rosemaris selbst auferlegter Mission äußert sie zunächst nur auf Nachfrage und leise, sie kann sich gegen Rosemari nicht durchsetzen und sie nicht festhalten. Helga Gurens realistisches und wirklich ergreifendes Spiel am Ende des Films ist es zu verdanken, dass er nicht komplett in den Kitsch abdriftet, wofür sie unter anderem den Kanonprisen für die beste weibliche Nebenrolle auf dem Internationalen Filmfestival in Trondheim erhielt.
Ruby Dagnall spielt mit 16 Jahren bereits überzeugend und einnehmend neben gestandenen Darstellerinnen und schafft es dabei auch noch ihr Geschlecht unerheblich wirken zu lassen. Ihre androgyn wirkenden kurzen Haare und Trainingsjacken kombiniert Rosemari mit Schminkspiegel und rosa Lippenstift, als sie auf einen ersten Zeitzeugen ihrer Geburt treffen. Sie ist anlehnungsbedürftig und auf der Suche, gleichzeitig wortkarg und antreibend. Rosemari ist eigentlich kein Mädchen, das auf der Suche nach ihrer Mutter ist ( (wie anfangs beschrieben), es ist ein Kind auf der Suche nach seiner Mutter, was für jeden Zuschauenden eine Projektionsfläche dafür bietet, was die eigene Mutter bedeutet.
„Ich wünschte, du wärst meine Mutter.“
Kann man sich seine Mutter aussuchen? Und kann man Mutter werden, ohne erwachsen zu sein? Es wirkt, als hätte Unn Tove auf diesen einen Menschen gewartet, der sie endlich dazu bringt, sich mit ihrem Leben auseinander zu setzen, mit ihrer Scheidung, mit den Männern, vor allem mit Kristian, der immer wieder durch den Film spuckt als der Geist unerfüllter Liebe. Unn Tove ist in ihrem Verlangen nach diesem Mann genauso ambivalent wie alle Frauen in diesem Film: Einerseits stark, selbstbewusst und sich im Klaren über Wünsche, Stärken, Ziele, aber auch ängstlich, scheu, sich selbst verleugnend.
Autorin: Francesca Carola
Im Scala ist „Rosemari“ zunächst bis zum 7.6. zu sehen. Hier geht’s zu den Spielzeiten.
Bundesweiter Filmstart war am 25. Mai 2017.