Sie wollen, dass Musik wieder mehr ist als ein Hintergrundrauschen

DJ 3moxx und sein Kollektiv OFF. holen den Fokus zurück auf den Klang. Unter dem Motto „Silence the Noise“ sollen Clubnächte wieder vom echten Zuhören leben – nicht vom Bildschirm oder Scrollen durchs Handy. Ein Versuch, die Musik in den Mittelpunkt der Nacht zu rücken.

Auf der Leinwand hinter dem DJ blinken abstrakte Formen in Blau und Schwarz, digitale Wellen aus Code bewegen sich über den Bildschirm. Elektronische Beats füllen das LOLA-Kulturzentrum in Hamburg-Bergedorf, Nebel zieht durch den Raum. Nur die Tanzfläche bleibt leer.

Zwischen Mischpulten, Kabeln und Monitoren steht Lars Kronenbitter, wippt zur Musik und dreht an seinen Reglern. Unter seinem Künstlernamen 3moxx legt er House auf – nicht, um das breite Publikum zu bespaßen, sondern um Leute mit seiner Musik zu fesseln.

Ein paar Stunden zuvor, noch bevor er an diesem Abend auflegt, sitzt Lars mit Freunden in seiner Küche. Zur Vorbereitung auf den Auftritt gibt es selbstgemachte Pizza und Bier. „Ich sehe mich als Künstler-DJ“, erzählt der 26-Jährige im Gespräch, „Ich will gebucht werden, weil man meinen Sound mag – nicht, weil man einfach irgendeinen DJ braucht, der alles spielt.“

Lars kommt aus Kiel, wo er regelmäßig im Club Die Villa aufgelegt hat. Dort trat er unter anderem als Support-Act für bekannte DJs wie Felix Jaehn, Wankelmut und AkaAka auf und spielte außerdem zur Primetime auf der Kieler Woche. Heute studiert er Medizintechnik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Seine Arbeit als DJ sei für ihn eine Mischung aus Hobby und Nebenjob: „Ums Geld geht‘s mir primär nicht. Ich will mein DJ-Dasein ausleben.“

Seine Begeisterung für Technik entdeckte er früh. In der Schule war er Teil einer Tontechnik-AG, begleitete Theaterstücke mit Licht und Ton. Bei einer Faschingsparty störte ihn irgendwann die Stille zwischen den Songs – Spotify hatte noch keine Überblendfunktion. „Das Lied ging zu Ende und alle standen kurz auf der Tanzfläche rum. Das fand ich blöd“, erinnert er sich. Um die Pausen zu überbrücken, begann er, selbst Übergänge zu bauen- erst mit einer Gratis-Software, später mit eigenem DJ-Pult.

Heute mischt Lars Tech House, Indie Dance und Melodic Techno zu seinem eigenen Stil. Seine Inspiration: Künstler wie Ayybo, John Summit und Max Styler. „Ich spiele nur das, worauf ich Bock habe, und springe nicht auf jeden Trend, nur weil die Leute das gerade auf TikTok sehen und geil finden“, sagt er.

Doch in Hamburg neu anzufangen ist nicht leicht. Clubs, Kontakte, Netzwerke – alles muss sich neu finden. Um sich gegenseitig zu unterstützen, hat Lars mit zwei Freunden das Kollektiv OFF. gegründet, zusammen mit dem Augsburger Dominik Grasheu, alias Eddi Gurdo, und dem Polen Jakub Urbankiewicz, alias Urban. Kennengelernt haben sich die drei über Ecken und schnell gemerkt, dass sie das Gleiche wollen: den Fokus wieder auf die Musik legen.

OFF. steht für „Ausschalten“ – und das meinen sie wörtlich. „Wir haben das Gefühl, dass es bei vielen Events nur noch ums Sehen und Gesehenwerden geht“, sagt Lars, „Wir wollen, dass die Leute abschalten – vom Alltag, vom Handy, vom Lärm.“ Ihr Slogan: „Silence the Noise“.

Bei ihren Auftritten bauen die drei DJs ihre Sets wie eine Geschichte auf. Den Anfang macht Eddi Gurdo, der mit einladendem House das Publikum in Stimmung bringt und auf die Tanzfläche zieht. Danach übernimmt Lars mit schnelleren Beats, bevor Urban das Set mit energiegeladenem House abschließt. So steigern sich Tempo und Intensität im Laufe des Abends. „Es lohnt sich, von Anfang bis Ende zuzuhören“, sagt Lars im Gespräch und lächelt.

Die Tanzfläche füllt sich an diesem Abend zwar noch, doch richtig eintauchen – wirklich abschalten – scheinen die wenigsten. Einige tanzen, viele stehen mit Getränken in der Hand am Rand, andere albern herum. Die Bar ist der eigentliche Mittelpunkt. Aber Lars lässt sich nicht beirren. „Gerade sind wir noch in Aufbau-Phase“, hatte er schon vor dem Gig erzählt, „Primär sind es noch Freunde, die uns supporten.“ Kleine Erfolge gibt es schon: Beim letzten Event im Haus 73 auf der Schanze seien etwa 30 neue Leute dabei gewesen. Das Ziel sei, eine feste Community aufzubauen, die wegen der Musik kommt und den Abend bewusst erlebt, statt nur mitzufilmen.

Als Lars‘ Set zu Ende ist, ist der Raum halb leer. Die meisten Gäste sind früher gegangen, als erwartet. Lars wirkt kurz bedrückt – er ist von seinen Auftritten in Kiel anderes gewöhnt. Doch als er mit seinen Freunden das LOLA verlässt und in die kühle Nachtluft tritt, hellt sich seine Stimmung wieder auf. Der Veranstalter sei zufrieden, das nächste Event schon in Planung. Lars steckt die Hände in die Taschen, als wolle er die Zuversicht festhalten, sich selbst einen kleinen Ruck geben. Langsam machen sich alle gemeinsam auf Weg zu Lars nach Hause. Als seine Freunde herumalbern und Witze machen, lacht er mit – erst leise, dann befreiter.


Foto: Darren Dreyer/Dreyermedia