Interview mit Studiendekan Peter Pez. Seit April 2009 hat ein Professor mit sympathischer Ausstrahlung das Amt des Dekans der Fakultät für Bildung, Kultur- und Sozialwissenschaften übernommen: Prof. Dr. Peter Pez. Mit der UNIVATIV sprach er über die Neuausrichtung der Universität, Studiengebühren und die Zukunft des Studiums an der Leuphana.
UNIVATIV: Mit der Neuausrichtung der Universität sollen vier neue Forschungsschwerpunkte – Kultur-, Nachhaltigkeits-, Management- und Bildungsforschung – geschaffen werden. Wie weit ist die Umsetzung fortgeschritten?
Pez: Die Forschungsschwerpunkte sind als solche schon definiert. Der nächste Schritt wird darin bestehen, die Fakultätsstrukturen anzupassen. Das bedeutet, dass wir bei vier Forschungsschwerpunkten auch vier Fakultäten haben werden. Dieser Prozess ist bereits eingeleitet und die Grundordnung wurde daraufhin abgestimmt. Geplant ist also, die vorhandenen drei in vier Fakultäten umzuwandeln. Die Fakultät I ist diejenige, die dabei geteilt wird, d.h. die jetzige Fakultät der Bildungs-, Kultur- und Sozialwissenschaften wird dann in eine Fakultät für Bildungswissenschaften und in eine Fakultät für Kulturwissenschaften gegliedert. Da der sozialpädagogische Studiengang geschlossen worden ist, vermute ich, dass die Sozialwissenschaften namentlich nicht mehr in einer der Fakultäten auftauchen werden. Aber über die Bezeichnungen ist noch nichts entschieden worden. Die sozialwissenschaftliche Komponente wird nicht verschwinden, im Lehramt bleibt sie als Sozialpädagogik bestehen, in die Kulturwissenschaften gehen die Soziologie und die Politikwissenschaften ein.
Die Fakultät II für Ökonomie wird wachsen, obwohl sie ohnehin schon groß ist. Sie wird beispielsweise mit dem Zutritt der Automatisierungstechnik noch an Vielfalt gewinnen. Dort wird das „Regieren“ der Fakultät eher schwieriger, die Leitung der neu gebildeten Fakultäten wird dagegen einfacher.
UNIVATIV: Sie setzen die Entscheidungen des Fakultätsrats um. Stimmen Sie mit dem Fakultätsrat immer überein?
Pez (lacht): Zum Glück habe ich noch nicht in einem solchen Dilemma gesteckt. Ein Einspruchsrecht hat das Dekanat gegen die Entscheidungen des Fakultätsrates nicht. Das einzige, was man als Dekanatsmitglied tun könnte, falls die Umsetzung eines Beschlusses vollständig gegen die eigene Überzeugung ginge, wäre der Rücktritt vom Posten. Was der Dekan und alle anderen Dekanatsmitglieder haben, ist eine Art Initiativfunktion, sie bringen Anliegen vor oder fördern bestimmte Themen. Dies darf zwar jeder, aber dank unserer Funktion sind wir sicherlich in besonderer Weise geeignet und befähigt, Themen im Sinne eines Fortschrittes für die Fakultät in die geeigneten Bahnen zu lenken. Davon mache ich auch gern Gebrauch. Ein Vetorecht hat das Dekanat aber nicht.
UNIVATIV: Welche Rechte und Pflichten haben Sie durch die Hochschulgesetzesänderung gewonnen und welche verloren?
Pez: Insgesamt haben die Fakultäten an Rechten verloren. Durch das neue Hochschulgesetz hat eine Zentralisierung von Funktionen im Bereich der Hochschulleitung stattgefunden und die Hochschulleitung nutzt auch die dadurch neu gewonnenen Freiräume. Die Fakultäten haben diesen Prozess sogar aktiv befördert – beispielsweise durch die Zustimmung bei der Rahmenprüfungsordnung des Leuphana-Bachelors oder des Lehramts-Studiengangs. Das Initiativrecht hinsichtlich der Einführung oder der Änderung von Studiengängen lag bei den Fakultäten. Dieses Recht haben sie mit Beschluss der Prüfungsordnung an die Hochschulleitung abgetreten.
UNIVATIV: Wann soll das Ganze umgesetzt werden?
Pez: Zum 01.10.2010, also zum Start des nächsten Wintersemesters.
UNIVATIV: Das Dekanat bekommt vom 01.01.2007 bis zum 31.03.2010 laut myStudy 420.000 € Unterstützung aus Studiengebühren. Wie sind die Studiengebühren bei Ihnen im Dekanat verwendet worden?
Pez: Bei den 420.000 € handelt es sich um eine Aufsummierung mehrerer Teilbeträge. Beispielsweise werden einzelne Personalstellen in den Studiendekanaten durch Studiengebühren finanziert. Ich vermute, dass die Zahl in der Hochschulleitung ermittelt worden ist. Mir selbst liegt sie nicht vor, ich hätte auch gar keinen Zugriff, um solch eine Summe zu ermitteln. Es kann sich nur zu einem erheblichen Teil um Mittel im Bereich der Studiendekanate handeln, die auch in Verbindung mit der Neuorganisation in Richtung Bachelor- und Masterstudiengängen stehen, denn Personalmaßnahmen sind sehr kostenintensiv. Hinzu kommen natürlich noch in großer Zahl Lehraufträge, das ist auch ein erheblicher Anteil.
Ich glaube nicht, dass die zur Verfügung stehenden Mittel insgesamt mehr werden. Ich vermute, dass eine andere Verteilung in Zukunft stattfinden wird, bei der dann im einzelnen Bereich weniger verbleibt. Das Volumen der Studiengebühren wird ausgenutzt, das registrieren wir in jedem Semester, insbesondere den sehr hohen Bedarf an Lehraufträgen, um die Lehre aufrecht zu erhalten.
UNIVATIV: Wäre es dann nicht besser, die Verwendung der Studiengebühren den Studierenden auf myStudy offenzulegen?
Pez: Prinzipiell haben Sie Recht. Es muss eigentlich das Bestreben jeder Institution sein, offen zu legen, wofür sie Gelder von ihren Nutzern erhält. Und dabei muss auch dargelegt werden, dass die Mittelverwendung im Sinne der Geldgeber funktioniert. Ein Pauschalposten wie 420.000 € ist wenig transparent und unglücklich an dieser Stelle, das wäre zu konkretisieren. Eine Summe für Lehraufträge stände beispielsweise für mehr und bessere Lehre. Die Schaffung einer Stelle im Studiendekanat kostet bei TV-L 13 (Entgeltgruppe 13 im Tarifvertrag für Beamte) 50.000 € pro Jahr. Diese Stelle hilft, die immensen Um-/Organisationsprozesse für die Bachelor- und Masterstudiengänge zu bewältigen. Die Studierenden erwarten eine funktionierende Organisation, deswegen sind solche Gelder natürlich durchaus gut angelegt.
UNIVATIV: Wie sehen Sie die Zukunft des Bachelor-Studiums?
Pez: Die Kultusministerkonferenz hat erkannt, dass die Verkürzung der Studienzeiten und die Komprimierung von Inhalten den ursprünglichen Zielen des Bologna-Prozesses kräftig entgegenstehen. Wir haben hier ein Problem. Selbst die Kultusministerkonferenz hat eine Studienzeitverlängerung auf acht Semester erwogen, was möglicherweise ein Weg wäre, um wieder mehr Qualität, mehr Inhalte und insbesondere mehr Wahlmöglichkeiten im Sinne des alten Humboldt’schen Systems in das Studium zu integrieren. Das wäre wertvoll. Ich glaube, die jetzige Struktur des Bachelor-Studiums ist nicht besser als die der Alt-Studiengänge. Ich halte sogar die Alt-Studiengänge für vorteilhafter: Dort gab es eine sehr gute Ausbildung bei deutlich höheren Freiheitsgraden.
UNIVATIV: Und wie sehen Sie die Entwicklung der Studiengebühren in der Zukunft?
Pez: Ich gehe davon aus, dass es weiterhin Studiengebühren geben wird. Die Größenordnung von 500 € pro Semester wird also nicht unbedingt bestehen bleiben. Durch Koalitionsverhandlungen bei der Neugestaltung von Landesregierungen werden zum Teil Gebühren abgeschafft oder reduziert. Ich kann mir gut vorstellen, dass hier eine Bewegung in Gang kommt, bei der es zwar nicht zu einer grundsätzlichen Neuauflage der Diskussion kommt, ob überhaupt Studiengebühren erhoben werden, wohl aber noch einmal über die Beträge gesprochen wird. Die Spannweite zwischen 0 und 500 € ist sehr groß und wird im Wettbewerb um Studierende vielleicht nicht haltbar sein. Bei 300 € sähe das womöglich anders aus. Die Studiengebühren bilden mittlerweile ein Wettbewerbsmotiv zwischen den Universitäten und sie müssen in einem akzeptablen Verhältnis zum Angebot stehen.
Das Interview führte Sarah Fandrich