Neubeginn an der Uni

Wer mit seinem Beruf unzufrieden ist, findet im Studium neue Perspektiven. Gut gelaunt sitzt Fried Malig vor seinem Teller in der Mensa. Die meisten Studierenden, die an unserem Tisch vorbeigehen, halten ihn wahrscheinlich für einen Dozenten oder Unimitarbeiter. Doch der 37-jährige ist einer von ihnen. Seit 2005 studiert er Umweltwissenschaften an der Leuphana.

Dabei sahen seine Zukunftspläne nach der Schule ganz anders aus. Nach der Mittleren Reife absolvierte der Baden- Württemberger eine Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann. Zwölf Jahre arbeitete er in diesem Bereich. Dann, mit Anfang 30, machte sich zusehends die Unzufriedenheit breit. Fried erzählt: „Ich sah in meinem Beruf keine Perspektive mehr für mich. Ich habe mich gefragt: Was mache ich die nächsten 30 Jahre? Kommt da noch was?“ Für Fried kam da noch so einiges. „Ich habe mich schon immer für Umweltthemen interessiert, habe mich in meiner Freizeit für Tierrechte oder in der Anti-Atom-Bewegung engagiert. UWi war da eine logische Studienwahl.“

Unzufriedenheit im Beruf und mangelnde Perspektiven gehören zu den häufigsten Gründen, warum Berufstätige sich verändern wollen und noch einmal an die Uni gehen. Viele studieren berufsbegleitend, absolvieren ein Fernstudium oder belegen nebenher Weiterbildungskurse. Andere, wie Fried, gehen den radikaleren Weg und orientieren sich mit einem Vollzeitstudium völlig um.

Dieser Weg ist jedoch nicht immer einfach. War man bereits ein sicheres Gehalt und einen komfortablen Lebensstandard gewohnt, muss man seine Ansprüche nun drastisch zurückschrauben. Das hat auch Fried erlebt: „Ich war mir der Tragweite meiner Entscheidung durchaus bewusst. Ich habe mein Auto verkauft, und statt in meiner eigenen Wohnung lebe ich jetzt in einer WG.“

Hinzu kommt, dass die finanziellen Fördermöglichkeiten meist auf jüngere Studierende ausgerichtet sind. Bei vielen Stipendienprogrammen und den meisten Studienkrediten gibt es eine Altersbegrenzung, und auch BAFöG bekommt man ab 30 nur noch schwer. Kerstin Hanelt von der Sozialberatung des Studentenwerks erklärt: „Über 30 ist man nur noch in Ausnahmefällen BAFöG-berechtigt. Hier sollte man sich im Vorfeld ganz genau erkundigen.“ Viele ältere Studierende finanzieren ihr Studium daher aus verschiedenen Quellen, zum Beispiel durch Ersparnisse oder werden von ihren Partnern oder Familien unterstützt.

Ein anderes Problem ist die Vereinbarkeit von Studium und Familie oder Beruf. Gesche Keding von der Zentralen Studienberatung kennt die Sorgen der älteren Studieninteressierten aus ihrer Sprechstunde. „Die älteren Interessierten tragen häufig schon Verantwortung, haben zum Beispiel Familie. Die machen sich Gedanken, wie sie das alles unter einen Hut bringen sollen“, erzählt sie. In solchen Fällen weise sie unter anderem auf die Möglichkeit des Teilzeitstudiums hin.

Trotz der Widrigkeiten ist Fried glücklich mit seiner Entscheidung: „Ich bin ein echter Überzeugungstäter, das Thema Nachhaltigkeit liegt mir wirklich am Herzen.“ Nach dem Bachelor-Abschluss möchte er noch einen Master in Sustainable Sciences draufsetzen, sogar eine Promotion kann er sich vorstellen. Durch das Studium habe er außerdem nicht nur Einschränkungen in Kauf genommen, sondern auch Freiheiten gewonnen. Sich mit Dingen beschäftigen, die einen wirklich interessieren, Zeit zu haben für Diskussionen, das ist für Fried purer Luxus.

Auch das Studentenleben gefällt ihm. Probleme mit den oft fast 20 Jahre jüngeren Kommilitoninnen und Kommilitonen gibt es keine. „Wir ergänzen uns ganz gut und teilen die Arbeit auf, zum Beispiel in Referatsgruppen. Und manchmal kann ich auch mit meiner Lebenserfahrung punkten“, lacht Fried. Für ihn ist der Neuanfang definitiv geglückt.

Von Christina Hülsmann