Gedanken zu einem symbolträchtigen Stück Stoff. Studiert man als Muslimin in Deutschland mit Kopftuch, fällt man auf – im Hörsaal, in der Mensa, auf Partys. Gerade für Menschen, die nicht viel über den Islam wissen, erscheint das Kopftuch als ein ins Auge springendes religiöses Symbol, fast als eine Art öffentliches Glaubensbekenntnis. Auch wenn es ein großer Teil der circa 1,6 Millionen muslimischen Frauen in Deutschland gar nicht trägt. Frauen mit Kopftuch fallen wohl auch auf, weil gerade in unserer Kultur Kleidungsstücke nur noch selten mit dem Glauben verbunden werden. Nicht zuletzt ist das Kopftuch ein starkes Symbol in der Debatte um die Unterdrückung der Frau. Kaum ein Kleidungsstück sorgt derart für Missverständnisse, Irritation und Zündstoff.
Allerdings herrscht nicht nur in christlich geprägten Regionen, sondern auch in allen Ländern mit muslimischer Bevölkerung Uneinigkeit über das Kopftuch. Gerade in der Türkei ziehen sich diesbezügliche Konflikte durch die ganze Geschichte des Landes. Die Diskussionen werden also von Afghanistan bis Australien geführt; die Kopftuchdebatte ist gewissermaßen ein globales Phänomen.
Religiöser Ausgangspunkt dafür ist, dass das Kopftuch im Koran aus Sicht vieler islamischer Gelehrter nur umschrieben, allerdings nicht explizit benannt wird. Es heißt dort, dass die Frauen ihre Reize, und somit auch ihre Haare, mit Kleidung bedecken sollten. Diese Textstellen werden von religiösen Schulen unterschiedlich streng ausgelegt.
Auf die Frage, was Musliminnen das Kleidungsstück persönlich bedeutet, gibt es unterschiedliche Antworten, die nicht unbedingt gängigen Klischees entsprechen. Das zeigen zum Beispiel Meinungsforen im Internet. Natürlich sehen es einige Frauen als religiöse Pflicht an, ein Kopftuch zu tragen. Andere betonen, es sei für sie eher ein Ausdruck religiöser Reife. Wieder andere verstehen es als eine Form von Schutz vor männlicher Anmache. Außerdem tragen nicht alle Musliminnen ihr Kopftuch aus religiösen Gründen. Die Umgebung und die Tradition spielen für viele auch eine große Rolle. Es gibt Musliminnen, die das Kopftuch als selbstverständlichen Teil der Kleidung verstehen. Und nicht wenige Mädchen entscheiden sich dafür, weil ihre Freundinnen es tragen. Das Kopftuch kann außerdem ein politisches Symbol sein, wie in der Türkei. Schließlich ist das Kopftuch auch eine Art Modeerscheinung. Zum Beispiel wird es in Ägypten von jungen Frauen getragen, weil es „in“ ist, sich offen zum Islam zu bekennen.
Die Entscheidung, auch beim Studium Kopftuch zu tragen, ist für jede Muslimin auch ein Schritt, ihre innere Einstellung nach außen zu tragen. Wie Umfragen zeigen, sehen Studentinnen mit Kopftuch selbst keinen Widerspruch zwischen Kopftuch und Studium. Besonders wichtig ist ihnen, dass das Kopftuch ihre kommunikativen Rechte nicht einschränkt – im Gegensatz zum Gesichtsschleier, der nur die Augen freilässt. Sie sagen, das Kopftuch verberge nicht die Identität und lasse jede Kommunikation zu.
Egal, aus welchen Gründen sich eine Muslimin entscheidet, ein Kopftuch zu tragen: Einfach ist es für sie nicht. Es ist ein starkes Symbol, aber keineswegs ein eindeutiges, egal wie man dazu steht. Nicht für Außenstehende, und auch nicht für Musliminnen selbst.
In der Türkei galt übrigens lange Zeit ein Kopftuchverbot an Hochschulen, das schließlich 2008 aufgehoben wurde. Grund dafür war die Auffassung, dass religiöse Symbole in öffentlichen Einrichtungen keinen Platz hätten. Die türkische Diskussion ist der deutschen also keineswegs unähnlich.
Von Julia Strube