Konferenzwoche Gespräch mit Rahmstorf - (c) Leuphana College

Konferenzwoche an der Leuphana: Was lernen wir aus der Pandemie für den Klimaschutz?

Am 03. März diskutierten der Klimaforscher Stefan Rahmstorf und die Bündnis 90/Die Grünen-Politikerin Katharina Fegebank im Rahmen der Konferenzwoche darüber, welche Lehren aus der Coronapolitik für den Klimaschutz gezogen werden können.

Eingeladen zum Studio-Talk des dritten Tages der Konferenzwoche wurden zwei Gäste aus Forschung und Politik, die per Video den Moderator:innen Annika Weiser und Cornelius Gesing zugeschaltet wurden. Der erste Gast war Stefan Rahmstorf, der am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung arbeitet. Den politischen Umgang mit der Pandemie und der Klimakrise vergleichend, gab Rahmstorf sich überrascht, wie handlungsfähig die Politik in der Pandemie im Gegensatz zur Klimakrise ist. Während den Lippenbekenntnissen der Politiker:innen zur Klimawandelbekämpfung meist keine Taten folgten, zeigten sich in der Pandemie tatsächliche Maßnahmen der Politik. Grundlegende Freiheitsrechte oder der Flugverkehr konnten eingeschränkt werden.

Wissenschaft als leitende Instanz in unsicheren Zeiten

Katharina Fegebank, die als Grünen-Politikerin das Amt der Zweiten Bürgermeisterin von Hamburg innehat, erschien als zweiter Gast der Gesprächsrunde. Auf die Frage, was man aus der Pandemie für die Zukunft mitnehmen könne, erwiderte sie die von der Wissenschaft erbrachten Höchstleistungen: Wirksame Impfstoffe wurden in kurzer Zeit entwickelt. Noch bemerkenswerter fand die Politikerin und Wissenschaftlerin, dass in der Coronapandemie von Beginn an wissenschaftliche Stimmen gehört und erhört wurden. So bildeten in manchen Phasen der Pandemie wissenschaftliche Erkenntnisse Grundlagen für politische Entscheidungen. Zwar könne die Politik wissenschaftliche Empfehlungen nicht eins zu eins übernehmen – die Politik müsse schließlich Abwägungen zwischen diversen Aspekten treffen –, aber der Wissenschaft sollte weiterhin Gehör geschenkt werden.  Diese in den Vordergrund gestellte Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen sei eine Lehre der Pandemie, so Fegebank. Durch die Unsicherheit zu Beginn der Pandemie habe sich die Gesellschaft besonders durch die Wissenschaft leiten lassen. Der Gesundheitsschutz habe sich zu einem so hohen Gut entwickelt, dass Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden. Die starke Orientierung an Ratschlägen aus der Virologie und Epidemiologie seien jedoch mit der Vernachlässigung anderer Disziplinen und Problematiken, wie beispielsweise der Zunahme psychisch erkrankter Menschen, einhergegangen.

Stellung der Wissenschaft in Pandemie und Klimapolitik

Anschließend stellte Annika Weiser den Gästen die Frage, ob die traditionellen Handlungsbereiche der Politik und Wissenschaft in der Pandemie verschwommen seien. Rahmstorf stimmte dem nicht zu: Wissenschaftler:innen hätten die Fakten dargelegt und Handlungsempfehlungen aufgezeigt, entschieden hätten aber die Politiker:innen. Vielleicht sei dies nur in der öffentlichen Wahrnehmung, wie etwa in der Berichterstattung der BILD, verwischt worden.

Was die Aufgabe von Wissenschaft anbelangt, ist es für Fegebank wichtig, sich Klarheit zu verschaffen: Was sind Fakten, was sind gar Verschwörungstheorien? Als Lehre aus der Pandemie ergebe sich also folgende: „Man kann keine Kompromisse schließen mit Viren, und genauso wenig kann man Kompromisse schließen mit dem Klimawandel“. Beim Klima lägen die Erkenntnisse allerdings seit Jahren vor. Hier herrsche ein offensichtliches Umsetzungsproblem. Rahmstorf fügte hinzu: Es gebe einen bestimmten Prozentsatz von Menschen, die unangenehme wissenschaftliche Erkenntnisse nicht wahrhaben wollen. Das Verleugnen der Realität habe für Politiker:innen in der Pandemie jedoch unterschiedliche Folgen: Erstens werden in der Pandemie insbesondere die Politiker:innen, welche die Realität nicht wahrhaben wollen, bestraft, wie beispielsweise der brasilianische Präsident Bolsonaro durch die hohe Todesrate in seinem Land. In der Klimapolitik sei es aber so, dass Fehlentscheidungen nationaler Politiker:innen Folgen für die gesamte Menschheit mit sich ziehen. Zweitens werde in der Klimapolitik im Gegensatz zur Coronapandemie mehr Geld in Desinformation investiert, so etwa durch Interessensgruppen fossiler Energien.

Künftige Beziehung zwischen Wissenschaft und Politik

Die Moderatorin Annika Weiser stellte den Gästen anschließend drei Szenarien vor, wie die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik in Zukunft aussehen könnte. Das erste Szenario bestand aus einem Zusammenspiel der beiden Bereiche, der dem in der Pandemie eingerichteten Krisenstab ähnelt. Ein interdisziplinäres Gremium berät gemeinsam Entscheidungen. Das zweite Szenario stellt eine Expert:innenregierung dar, in der Ministerien durch Expert:innen beziehungsweise einschlägige Wissenschaftler:innen besetzt werden. Eine intensivere Einbindung von Bürgerräten kennzeichnet das dritte Szenario. Bürger:innen kommen zusammen und werden durch Wissenschaftler:innen beraten. Aus diesen drei Szenarien sollten sich die Gäste für eines entscheiden.

Fegebank favorisierte eine Kombination aus dem ersten und dritten Szenario. Es sei wichtig, dass Entscheider:innen eine wissenschaftlich fundierte Grundlage haben. Wissenschaft mache so Vorschläge, die Diskussionen anregen können. Da Wissenschaft aber laut Fegebank bei ihrer beratenden Funktion bleiben solle, lehnte sie das zweite Szenario nach dem Motto „jeder und jede an seinem und ihrem Platz“ ab. Rahmstorf bevorzugte dieselben Szenarien wie Fegebank. Vor allem Bürgerräte gefielen ihm. Diesen möchte er zwar keine Entscheidungsgewalt einräumen, aber deren erarbeiteten Ergebnisse sollten von der Politik berücksichtigt werden.

Fazit

Mit Blick auf das Thema des Studio-Talks, was man aus der Pandemie für den Klimaschutz lernen kann, schlussfolgert Rahmstorf abschließend:

Wir sollten nicht der Illusion der Unverwundbarkeit anhängen und glauben, uns wird es immer so gut gehen. Wir sollten einfach sehen, dass die Welt sich sehr schnell ändern kann, dass Risiken da sind und wir Vorsorge treffen müssen. Was wir auch lernen können: Die Politik kann handeln, wenn Not am Mann ist und es um den Schutz von Menschenleben geht – warum sollte sie es bei der Klimakrise nicht auch tun können?


Den Studio-Talk mit Stefan Rahmstorf und Katharina Fegebank könnt ihr euch hier anschauen. Weitere Veranstaltungen der Konferenzwoche 2022 findet ihr in der Mediathek der Konferenzwochen-Website.

Beitragsbild: Konferenzwoche Gespräch mit Rahmstorf – (c) Leuphana College