Kino-Flatrate, kaputte Heizung und britische Partykultur: Fiona in Cardiff

Operation „Ich bin dann mal weg“. Wie fühlt sich ein Auslandssemester an?

(c) Foto: Kristin Halm

Fiona (25) studiert Kulturwissenschaften. Derzeit verbringt sie jetzt ihr 5. und 6. Semester an der University of Glamorgan in Cardiff, Wales.

Welche Fächer studierst du in Cardiff?

Media Communications und einen zusätzlichen Fotografie-Kurs, außerdem schreibe ich hier meine Bachelor-Arbeit.

Unterscheidet sich das Studium an dieser Uni von dem, was du von der Leuphana kennst?

Wir haben auch Lectures und Seminare, allerdings sind die Vorlesungen oft genauso wie Seminare; die Seminare bestehen dann aus reinen Diskussionen.
Die „Klassen“ haben auch meistens nur eine Größe von maximal 15-20 Studenten. Die Kurse dauern entweder ein oder zwei „terms“, das heißt, man wählt seinen Stundenplan bereits für ein ganzes Jahr. Außerdem hat man im Semester viel mehr zu tun und schreibt bereits erste Hausarbeiten.
Es gibt pro term eine sogenannte Reading Week, in der man „Hausaufgaben“ bekommt, teilweise Spezialkurse belegen muss, Lesestoff aufholen kann und letztendlich meistens nach Hause fährt und endlich mal Pause macht. Außerdem bestehen die Semesterferien aus maximal drei Wochen Freizeit. Dafür können wir nicht einfach den Prof anschreiben und um Aufschub für eine Hausarbeit bitten, haben damit aber den Sommer tatsächlich mindestens ganze drei Monate frei.

Was tust du dort noch, außer Studieren?

Ein paar Ausflüge (London, Bristol etc.) und Partys mitnehmen, ganz viel ins Kino gehen (mit der BAFTA-Card zahlt man 35 Pfund im Monat und kann von montags bis donnerstags alle Filme kostenlos schauen), ab und zu Essen gehen oder gemeinsam frühstücken, Museum, Kaffee trinken (wobei sich das mit der Zeit reduziert hat, genau wie das Feiern), ab und zu in den Pub und in die Stadt, aber schon sehr viel studieren.

Was war dein allererster Eindruck von dem Land, der Stadt, der Uni?

Als wir vom sonnigen London im September über die Brücke nach Wales gefahren sind, hat sich plötzlich eine riesige Wolkendecke über den Himmel gelegt. Es hat geregnet und wir sind zu Fuß zu unser Wohnung gelaufen. Die Vorgärten hier sind deutlich kahler als in Deutschland, mit wenig Bäumen und viel Müll. Ich dachte ehrlich gesagt: „Schön ist anders“.
Die Innenstadt war aber deutlich angenehmer und man lernt, die netten Plätzchen zu entdecken. Wales ist immer noch Europa und manchmal hat man das Gefühl, in einer kleineren Stadt in Deutschland mit ein bisschen mehr Englisch zu leben. Außerdem war die Uni vom ersten Blick her toll, neu und kreativ. Und der Eindruck hat sich bestätigt.

Cardiff Central Station / (CC) Foto: Neil T/Flickr

Konntest du schnell Anschluss an Kommilitonen finden?

Wie in Lüneburg wohl auch hat man im dritten Jahr schon seine Gruppen gefunden. Wir sind meistens fünf Internationals in den Kursen und haben uns untereinander in der International Welcome Week und über andere Internationals kennengelernt. Demnach machen wir untereinander sehr viel gemeinsam. Die Briten sind da weniger aufgeschlossen, aber trotzdem sehr nett. Richtige Freundschaften haben sich daraus aber noch nicht entwickelt.

Hattest du bisher Schwierigkeiten? Wenn ja, welche?

Bis ich ein Bankkonto hatte, hat es ein wenig gedauert. Der Ansturm von Studenten war einfach zu groß. Die Heizung hat anfangs nicht richtig funktioniert. Als es kälter wurde, war das schon unangenehm. Aber ein paar Anrufe haben das ganze sehr schnell erledigt.

Dein schlimmstes Erlebnis bis jetzt?

Mal abgesehen davon, dass man Gagnam Style nicht mehr entkommen kann…, kommt der schlimmste Moment erst noch, denn im Dezember hört für einige von unserer Gruppe der Auslandsaufenthalt schon wieder auf. Wir planen ein großes Christmas Gathering zum Abschied und es werden bestimmt ein paar Tränen fließen.

Dein schönstes Erlebnis bis jetzt?

Oh sehr viele. Vor allem die vielen Abende mit den tollen Menschen, die man hier kennenlernt. Das Tenacious D Konzert in London und der sonnige Relax-Tag in Barry Island waren aber mit Sicherheit Höhepunkte.

Dein merkwürdigstes Erlebnis bis jetzt?

Die Partykultur der Briten (sehr knapp bekleidet, auch bei kaltem Wetter, sehr früh sehr betrunken – und manchmal gehen im Club schon um halb 2 wieder die Lichter an)

Hast du Heimweh?

Vor allem in den ersten beiden Monaten hat man einfach immer so viel Neues, Tolles erlebt, dass man dafür keine Zeit hatte. Jetzt in der stressigen Hausarbeitenzeit freut man sich aber schon sehr auf Zuhause.

Kommst du über die Weihnachtszeit zurück nach Deutschland?

Ja.

Ist ein Auslandssemester empfehlenswert?

Auf jeden Fall!

Ist deine Auslands-Uni empfehlenswert?

Ja, definitiv. Sie bietet eine Menge Kurse an, die das Studium in Lüneburg super ergänzen und nochmal eine andere Art des Studiums ermöglichen. Wir haben zum Beispiel unter anderem Diskussionen auf Facebook (für die mündliche Note) und teilweise eine viel aktivere Mitarbeit. Außerdem ist es sowieso unersetzlich, eine Sprache im jeweiligen Land zu lernen und dabei noch auf tolle Leute und so schöne Kulturgüter wie Vintage Fairs, Welsh Cakes und English Breakfast zu treffen.

Würdest du noch ein Auslandssemester machen?

Auf jeden Fall. Das nächste Mal aber entweder gerne außerhalb Europas oder in einem Land mit anderer Sprache.

Würdest du ein Praktikum im Ausland machen?

Ja, schließlich muss ich mit dem Englischsprechen jetzt auch bei der Stange bleiben. Davon abgesehen, ist es nie verkehrt in der Welt herumzukommen, neue Arbeitsweisen kennenzulernen und ein internationales Netzwerk aufzubauen.

Haben wir eine Frage vergessen?

Vielleicht, was hier am meisten zu empfehlen ist, die besten Plätze sowas in der Art… Das wären dann unter anderem:
das Milgi (vegetarisches Restaurant, Bar mit genialen Cocktails und Kulturzentrum),
die Live Lounge (günstige Getränke, das berühmte „Poolwasser“, wie wir es nennen = Wodka Lemon, außerdem immer gute Live-Musik),
der Roath Park (ein grünes Fleckchen Erde, mit See und weißem Leuchtturm und einer Unmenge an Enten, Gänsen und Schwänen),
das Coffee Barker (super schönes Café in der Castle Arcade),
der Cardiff Market (alte überdachte Markthalle mit allem von Gemüse, Süßigkeiten über Uhren und Bücher bis hin zu Kleintieren),
das National Museum of Cardiff (mit großer Kunstsammlung und einer toll gemachten naturhistorischen Ausstellung)
und natürlich Barry Island (Strand, Klippen und eine Art ganzjähriger festinstallierter Jahrmarkt; und das alles natürlich bei Fish & Chips – am besten bei gutem Wetter).

Die Fragen stellte: Anna Aridzanjan