#iranprotests – Warum Iraner*innen weltweit auf die Straße gehen

Es ist die größte Demonstration im Iran seit 2009 und von Grund auf anders. Menschen aus allen Schichten und weltweit protestieren gegen eine Politik auf Grundlage des Islam, gegen den Faschismus und gegen das Regime des Irans.

Seit einigen Wochen demonstrieren Iraner*innen gegen die islamische Regierung. Es begann am 28 Dezember 2017 mit einer Demonstration in Maschhad, die durch die steigenden Lebensmittelpreise ausgelöst wurde. Hunderte versammelten sich und forderten unter anderem: „Tod dem Diktator“.

Die Regierung reagierte prompt und ließ unter anderem die Apps Instagram und Telegram sperren – die von Iraner*innen am häufigsten zur Kommunikation genutzt werden – um weitere Versammlungen zu verhindern. Khamenei – oberster Religionsführer des schiitischen Iran und damit höchste geistliche und politische Instanz des Landes – verkündete zudem, die Proteste seien von der US-amerikanischen Regierung inszeniert worden und ließ Videoaufnahmen von Menschenmengen veröffentlichen, die sich angeblich in Solidarität zur Regierung versammelt hatten. Doch die Reaktionen der Regierung blieben wirkungslos und die Proteste dauern aktuell weiterhin an.

#whitewednesdays – weiblicher Widerstand

Jede Bewegung braucht ein Symbol. In dieser Bewegung wurde das Mädchen, das (ein Tag vor Beginn der Demonstrationen) im Iran ihr weißes Kopftuch an einen Stock band und es umher schwenkte, zu einem solchen Symbol. Dies tat sie, um gegen den vorgeschriebenen Schleier zu protestieren. Dieses Mädchen wurde nun festgenommen und ihr Verbleib ist unbekannt. Vergessen wurde sie aber nicht: An der Stelle ihres Protests liegen nun Blumen.

Alles begann mit der #WhiteWednesdays Kampagne der iranischen Journalistin Masih Alinejad, die seit 2009 im Exil lebt. Sie rief bereits im Jahr 2014 Frauen im Iran dazu auf mittwochs ein weißes Kopftuch zu tragen, um ihre Unzufriedenheit mit der gesetzlich vorgeschriebenen Kleiderordnung zu zeigen. Bis vor Ausbruch der Proteste erhielt sie regelmäßig Videos und Fotos von Frauen, die nicht nur ein weißes Kopftuch trugen oder ganz ohne Kopftuch das Haus verließen – ein Straftat im Iran. Viele Männer zeigten sich ebenfalls mit weißem Kopftuch solidarisch. Diese Fotos und Videos veröffentlichte sie auf ihrer Facebookseite „My Stealthy Freedom“ und auf Instagram.
Nun startete sie eine weitere Kampagne für das Mädchen, das zum Symbol wurde und fordert mit dem Hashtag #Where_Is_She die Aufklärung ihres Verbleibs.

Proteste auch außerhalb des Iran

Auch im Ausland sprachen sich Iraner*innen und Iranstämmige gegen das Regime aus: So versammelten sich am 6. Januar 2018 Protestierende unter anderem vor dem Iranischen Konsulat in Hamburg und forderten fahnenschwenkend das Ende des faschistischen Regimes.

Während sich einige Demonstrant*innen zusätzlich für einen Kommunismus aussprachen, forderte der Großteil eine Demokratie. Es wurden Flaggen geschwenkt; einige mit dem alten Emblem des Shir-o-Khorshid, (das „Löwe und Sonne“-Motiv, das vor der islamischen Revolution 1979 auf der iranischen Flagge abgebildet war), andere mit einem Loch an der Stelle, an der auf der aktuellen Flagge Allah steht.

Demonstrantinnen in Hamburg tragen eine Iranische Flagge, aus der das Wort „Allah“ (Gott) rausgeschnitten wurde / Foto: Pune Karimi

Die königliche Familie hat seit der islamischen Revolution nicht geholfen. Leiden tut nur die Bevölkerung.

Es gab auch die, die sich die Rückkehr der Pahlavi-Dynastie wünschen und hoffen, dass der Sohn des ehemaligen Shahs (Königs), Reza Pahlavi II., der momentan in den Vereinigten Staaten lebt, in den Iran zurückkehrt und als König regiert. Diese Fraktion fordert in Hamburg: „Ein Iran ohne Shah, ist ein ungesteuerter Iran“.

Eine Demonstrantin, die mit ihren zwei Kindern auf dem Ida-Ehre-Platz für die Demokratie protestierte, zeigte sich über diese Forderungen verletzt. „Die königliche Familie hat seit der islamischen Revolution nicht geholfen. Leiden tut nur die Bevölkerung“, sagt sie. Weinend erzählt sie von ihren Brüdern, die noch im Iran sind und mit Drogenproblemen kämpfen und davon, dass sie auswandern musste, als sie von der Regierung festgenommen wurde. „Ich war Lehrerin im Iran und habe lediglich behauptet, dass der Koran für Grundschüler zu schwierig zu verstehen sei“, sagt die Demonstrantin. Dafür wurde sie eingesperrt und eines ihrer Ohren so schwer beschädigt, dass sie auf diesem nun taub ist. Heute lebt sie mit ihren Kindern in Deutschland.

Was passiert jetzt?

Ein Mann zeigt ein durchgestrichenes Bild des Obersten Religionsführers Ali Khamenei / Foto: Pune Karimi

Während die iranische Regierung behauptet, dass die Proteste im Iran abklingen, ist unklar was genau momentan passiert.

Einige der Verhafteten wurden bereits offiziell für tot erklärt, mit der Erklärung, dass sie Selbstmord begangen hätten. Dies geschah jedoch unter verdächtigen Umständen. Eine Angehörige des Verhafteten, die  23- jährigen Sina Ghanbari behauptet, dass dieser sich kurz vor seinem Tod beklagt hätte, dass ihn die Tabletten, die ihm im Evin-Gefängnis verabreicht werden, krank machen.

In den Protesten wurden mindestens 1000 Demonstrant*innen verhaftet und 25 Menschen getötet. Was in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten passieren wird, ist noch unklar. Sicher ist jedoch, dass die Regierung ins Schwanken gekommen ist und die Bevölkerung gezeigt hat, dass diese bereit ist, für Veränderungen zu kämpfen.