Meine liebe Oma. Der Spruch „dagegen ist kein Kraut gewachsen“ existiert in ihrem Wortschatz nicht. Gegen jedes Wehwehchen und noch so kleine Zimperlein gibt es ein Hausmittel; vorzugsweise Ingwer oder obskure Kräuter, von denen meine Freunde (oder deren Omas) noch nie gehört haben.
An dieser Stelle möchte ich jedoch eine Lanze für zumindest eines dieser alt hergebrachten Hausmittel brechen: den Huflattich.
Vorher sei noch erwähnt: Ich bin ein Skeptiker. Erzähl mir etwas und ich glaube dir nicht. Ich sehe dich durch misstrauisch zusammengekniffene Augen an und ziehe dabei langsam mein Handy aus der Tasche. So langsam, dass dir der kalte Schweiß ausbricht. So langsam, dass du gerade noch genug Zeit hast, um aus bloßer Angst vor der bald ans Licht kommenden Wahrheit deine Aussage Stück um Stück zu revidieren, bis schließlich herauskommt, dass du deine „Fakten“ aus nem Facebook-Post von Jan Leyk hast!
Und genauso würde ich auch meine Oma angucken, wenn sie mir gegen Husten mal wieder Huflattichtee kocht oder wüsste, wer Jan Leyk ist. Aber ich glaube, das würde ihr das fürsorgliche Omaherz brechen (denn sie guckt nur Köln50667), also lasse ich das.
Meine Skepsis gegenüber Huflattich legte ich erst vor Kurzem ab. Ich hatte gegen den Rat meiner Mutter bei 30°C und Sonnenschein mal wieder keine Jacke angezogen, so musste das Unausweichliche folgen: Ich wurde krank.
Nach einigen Tagen des mal mehr, mal weniger schleimigen Herumröchelns erinnerte ich mich dem neuesten Mitbringsel von zu Hause: einer Tüte getrockneter Huflattichblätter. Da ich ja nichts zu verlieren hatte, kochte ich mir einen knappen Liter Tee und trank diesen dann auch recht zügig weg.
Ich sage euch: Jesus Blindenheilung war ein Witz dagegen. Nach nur wenigen Minuten verschwanden sowohl die Halsschmerzen, als auch der beständige Reizhusten. In der Hochphase meiner Erkältung konnte ich so für einige Zeit buchstäblich durchatmen.
Doch wie kam es zu dieser, man möchte fast sagen, temporären Wunderheilung?
Hier kann mir meine Oma nicht weiterhelfen. Zwischen Krieg, Hausbau und dem Großziehen dreier Kinder war wohl keine Zeit, sich wissenschaftliche Fakten anzueignen. Die Tatsache, dass das Wissen um Huflattich überlebt hat, die Verfechter anderer Hausmittel gegen Husten hingegen nicht, reichte ihr anscheinend als Wirknachweis.
Mir jedoch nicht. Was ich bei meiner Recherche gelernt habe, möchte ich nun mit euch teilen.
Der auch als Breit-, Brust-, oder Eselslattich (hehe, du hast Lattich gesagt) bekannte Huflattich war bereits 1994 Heilpflanze des Jahres, aber wer weiß das schon.
Zu finden ist er auch in unseren Breiten, von März bis April, oft auf Dämmen, in Steinbrüchen oder sonstigen lockeren Böden. Wer suchet, der könnte also durchaus finden.
Huflattich, dessen lateinischer Name tatsächlich in etwa so viel wie „Hustenvertreiber“ bedeutet und schon Plinius und Galen bekannt war, wird nicht nur bei Husten, sondern auch bei Asthma und anderen Atemschwierigkeiten empfohlen. Äußerlich angewendet dient er zudem der Wundheilung, ihm werden jedoch noch weitere heilende Kräfte zugeschrieben.
Kauft man Huflattich im Laden ist der Konsum vollkommen unbedenklich, selbstgeernteter Huflattich sollte jedoch nicht länger als zwei Wochen am Stück getrunken werden, da dieser gesundheitlich bedenkliche Pyrrolizidinalalkaloide enthält.
Der Wirkmechanismus beruht vor allem auf den enthaltenen Schleimstoffen. Diese beruhigen den Hals einerseits, wirken entgegen ihres Namens jedoch auch schleimlösend. Für weitere Informationen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker oder Dr. Google.
So, jetzt habt ihr eine Menge über meine Oma und noch mehr über Huflattich gelernt. Ich habe gelernt, Arzneien abseits der herkömmlichen Medizin nicht kategorisch auszuschließen, sondern auch althergebrachten Heilmitteln eine Chance zu geben, solange ihre positive Wirkung bewiesen ist. In dem Sinne: kocht euch doch mal einen schönen Tee statt literweise Hustensaft zu trinken. Und lasst die Finger von Homöopathie, denn das ist keine Naturheilkunde, das ist einfach Bullshit.
Autor: Ernst Jordan