Jasmine hat alles verloren, ihren Mann, ihr Haus, ihre Nerven. Woody Allen lässt sie zu ihrer Schwester nach San Francisco ziehen, im Gepäck die Frage: „Was nun?“
„Ich bin erschüttert. Hal ist ein mieser Betrüger, ich musste meine sämtlichen Pelze verkaufen. Jetzt lebe ich in einem Loch mit meiner Schwester, die im Begriff ist einen Loser zu heiraten. Könnte es noch schlimmer kommen?“ So oder ähnlich könnte es klingen, würde Jasmine (Cate Blanchett) aus Woody Allens neuester Drama-Komödie „Blue Jasmine“ Tagebuch führen. Das tut sie allerdings nicht, denn weder in ihrem alten noch neuen Leben würde sie dazu Zeit finden. Die Tage mit Ex-Mann Hal (Alec Baldwin) waren verplant mit Dinner-Partys, Yoga-Stunden und Charity Events. Schließlich ist es Jasmines oberstes Gebot mit denen zu teilen, die weniger besitzen.
Als die windigen Finanzgeschäfte ihres Mannes auffliegen, wechselt Jasmine schlagartig von der High- zur Low-Society. Zum Glück weiß sie, wann es gilt das Chanel-Jäckchen überzustreifen und die Vuitton-Koffer zu packen. In San Francisco kommt sie widerwillig bei ihrer alleinerziehenden Schwester Ginger (Sally Hawkins) unter und sieht sich einer Welt des gesellschaftlichen Abstiegs ausgeliefert. Mithilfe von Gingers Lover Chili (Bobby Cannavale) wird sie mit Fragen der eigenen Erwerbstätigkeit konfrontiert. Wäre Jasmine etwas jünger, sie würde vermutlich versuchen, Popstar, Model oder Moderatorin zu werden. Doch da dies alles keine Optionen für eine Frau ihres Alters und ihrer Position sind, versucht sie sich vorerst, die Welt des Computers zu erschließen um „irgendwas mit Design“ zu machen. Währenddessen behandelt sie aufkommende Melancholie mit Tabletten und Wodka, die Armut mit der Suche nach dem richtigen Mann.
Was als oberflächliches Drama einer Berufsgattin anmutet, entwickelt sich unter Allen zu einer humorvollen Sozialstudie mit scharfsinnigen Dialogen. Jasmine ist mit ihrer Passivität bis zur Erschöpfung beschäftigt und pikiert, als ihre Beschäftigungen in die Realität übergreifen. Typisch für Allen stehen einmal mehr Männer, Frauen und Geld im Mittelpunkt des aktuellen Films. Natürlich gibt es Jazzmusik und die weiße Schrift auf schwarzem Grund im Vorspann. Nach seinen Werken „Midnight in Paris“ (2011) und „To Rome with Love“ (2012) meinten viele, der Altmeister würde nun endgültig auf den Mainstream zutreiben. Sein neuestes Werk sendet jedoch eine Botschaft in die entgegengesetzte Richtung. Besonders hervorzuheben ist das Schauspiel von Cate Blanchett. Mit wenigen, starken Sequenzen lässt sie Jasmine vielschichtig erscheinen, nur um sie im nächsten Augenblick in den Inbegriff von Inhaltslosigkeit zu verwandeln. Ein sehenswerter Ausflug nach Allen-Land. Wer Lust hat, den beginnenden Winter-Blues mit „Blue Jasmine“zu kurieren, sollte jetzt ins Kino gehen.
Autorin: Ann-Christin Busch